Die geheimnisvolle Leaf Lumina

Nach über 20 Jahren Dornröschenschlaf wieder zum Leben erweckt, ist die 1994 vorgestellte Leaf Lumina meine größte Rarität und gleichzeitig nutzloseste Kamera ;-) Aber mit Stil und Nikon F-Bajonett!

Maximal 3400x2700 Pixel – 9 Megapixel auf einer Fläche von 28.5 x 35.5mm: VOLLFORMAT! Das war 1994 eine Ansage! Und pro Farbkanal 16 bit Farbtiefe = 48 bit Farbtiefe gesamt. Zur Erinnerung: Das Kleinbildformat hat 24x36 mm Film-/Sensorfläche. Vom reinen Zahlenwert so gerade noch mithalten konnten da allenfalls die Kodak/Canon EOS 1n/DCS 1 und die Kodak/Nikon F90/DCS 460, die mit dem 18,4x27,6 mm Kodak-Sensor 3060x2036 = 6 Megapixel auflösen.

Wenn Sie sich für diese Königsklasse interessieren und über Englischkenntnisse verfügen, sollten Sie unbedingt diese Seite(n) besuchen:

Für die Canon Fraktion, für das "gelbe Lager" (Nikon)

Die beiden digitalen Kodak-Kameras basieren auf analogen Spiegelreflexkameras, die autark für viele Fotogebiete fernab eines Computers eingesetzt werden und auch (schnell) bewegte Motive einfangen können. Die Leaf Lumina ist nur für Studio- und Sachaufnahmen vollkommen unbewegter Motive geeignet, da sie zum Fotografieren über ein Kabel verbunden am Computer hängen muss. Für einen Einsatz draußen, „in freier Wildbahn“ ist zwar ein Notebook denkbar, die Kabelverbindung muss aber auch hier bestehen! Eine Akku-Stromversorgung für die Lumina dürfte nur ein kleines Problem gewesen sein. Es bleibt aber dabei: Es müssen unbewegte Motive sein!

Die Lumina ist eine speicherlose Scannerkamera, wo die Aufnahmen über die damals übliche schnelle SCSI-Verbindung direkt in den Apple Macintosh Computer überführt werden, die in dieser Zeit serienmäßig eine SCSI-Architektur haben. Das Besondere an der Lumina: Sie besitzt ein Nikon F-Bajonett, wo beliebige Objektive mit Nikon-Anschluss verwendet werden können. Fokussiert werden kann per Kamera-Sucher mit Hilfe eines Schnittbildentfernungsmessers, wobei das Sucherbild seitenverkehrt ist und auf dem Kopf steht...

Zu Ende gedacht war der Einsatz fast beliebiger Objetive mit Nikon-Bajonett aber nicht, denn ohne einen Trick sind die Objektive für mehr (Tiefen-)Schärfe nicht abblendbar. Um das zu erzwingen, muss zumindest bei meiner Leaf Lumina die Objektiv-Verriegelung gedrückt und das Objektiv leicht verdreht werden, damit sich die Blende schließen kann. Wobei man bei derartigem Hantieren vorsichtig sein sollte, dass man nicht zu weit dreht, und das Objektiv aus der Kamera fällt...

Also wurde ein "Studio" improvisiert, um 2015 eine Testaufnahme mit der Leaf Lumina aufzunehmen:

Als passend erscheinendes Objektiv wurde ein extrem gebrauchtes 1,8/85 mm Nikkor – solche Teile liebe ich (!) – ins Bajonett der Leaf Lumina geklinkt. Ausgerichtet wurde über den Sucher der Leaf Lumina, was durch die seitenverkehrte und auf dem Kopf stehende Abbildung sehr ungewohnt war. 

Fast hätte ich mir noch ein schwarzes Tuch über den Kopf geworfen. Wie bei einer Plattenkamera ;-) Fokussiert wurde mit Hilfe des Schnittbildkeils in der Suchermitte der Lumina. Ohne weiter kontrolliert zu haben, wurde für genügend Tiefenschärfe am 1,8/85 mm Nikkor Blende 11 gewählt. Damit das Objektiv auch auf diesen Wert abblendete, wurde wie oben schon beschrieben, die Verriegelung gelöst und das Objektiv leicht gedreht. Das kam als Endergebnis dabei heraus:

Das Foto zeigt Nikon-Spiegelreflexkameras des größten Flops der Fotogeschichte: APS

Mit diesem neuen Filmformat und seinem angeblich idiotensicheren Handling versuchten die Filmhersteller 5 Jahre zu spät und vergeblich ihren Untergang im digitalen Ozean aufzuhalten. Auch die Kamerahersteller machten mit! So auch Nikon mit seinen Modellen Pronea 600i (in den USA 6i) und Pronea S. Über das Thema APS und die dazugehörigen analogen wie digitalen Spiegelreflexkameras wird es hier einen großen Beitrag geben! Als Träger für Kodak-Rückwände/Sensoren war die Nikon Pronea 6i aber eine Alternative zu den deutlich teureren DSLRs, die auf Kleinbild Spiegelreflexkameras basieren. Zwei Varianten gab es: Die Kodak/Nikon Pronea 6i/DCS315 mit 1,5 MP und die Kodak/Nikon Pronea 6i/DCS330 mit 3 MP. Mehr darüber demnächst in diesem Kino... Zurück zur Leaf Lumina.

Die Leaf Lumina kostete ca. 5000 US$. Im Vergleich zu den oben genannten 6 MP Kodak-/Canon-/Nikon DSLRs, die zunächst bei Größenordnung 50.000 DM lagen, für Studioaufgaben geradezu ein „Schnäppchen“ 

ABER: „Avoid the old (...) Leaf Lumina digital camera/scanner“, schrieb ein Anwender: „Vermeide die alte Leaf Lumina... Der Mensch hatte sie wohl ausprobiert und zurückgegeben. Seiner Meinung hätte seinerzeit für 5000 US$ auch ein Original Nikon-Objektiv dazugehört und nicht ein billiges Sigma. Die Software war anwenderunfreundlich zu bedienen, der Autor der Zeilen von damals bekam sie nicht richtig ans Laufen. Selbst 1998 wurde die Leaf Lumina immer noch für ca. 5000 US$ angeboten. Sein Fazit: Selbst wenn der Preis auf 1000 US$ reduziert wird: Kauf’ keine Leaf Lumina, sie ist es nicht wert!

Auch ein deutscher Anwender kam zu einem vergleichbaren Ergebnis. Mit 16000 DM war sie preiswerter als die S1 (gemeint ist 6 MP Fujifilm FinePix S1 Pro DSLR), hat aber nicht annähernd brauchbare Qualität geliefert. Farbshift in den Scans, Tonwertabrisse. Im Ergebnis unbrauchbar.

Was das angeht: Beurteilen Sie selbst!

Diese beiden quadratischen Fotos sind farb- und tonwertkorrierte, aber ungeschärfte 1:1 Ausschnitte aus der Leaf Lumina Aufnahme mit 3189 x 2570 Pixel = 8 MP. Für das Alter der Kamera halte ich das Ergebnis für mehr als beachtlich! Wo die Lumina Probleme hat, das ist der silberne Schriftzug der Nikon Pronea S. Aber auch andere Kameras dieser Zeit haben damit Probleme gehabt.

Bedenkt man meinen primitiven "Versuchsaufbau", dürfte mit noch mehr Licht, einer besseren Beleuchtung, die hier nur aus dem durch das Dachfenster fallenden Tageslicht bestand, ein noch besseres Ergebnis herausgekommen sein. So präsentiert sich die Leaf Lumina auf dem Monitor. Genauer gesagt das Photoshop Plug-in.

Mit viel Glück konnte ich das Plug-in vor Jahren "fangen". Wie die Lumina damit angesteuert wird, erklärte sich auch ohne Bedienungsanleitung weitgehend selbst. Ohne den Photoshop-Zusatz kann die Lumina nicht betrieben werden, sie wird zur reinen (und für mich wertlosen) Vitrinen-Kamera degradiert.

Weitere ganz wichtige Zutat war/ist der SCSI-fähige Power Mac G3, der mit seinen PCI-Steckplätzen, die USB und eine bessere Grafikkarte beherbergen, die Brücke von der uralten in die moderne Computerwelt schlägt.

Zum Schluss noch ein paar Internet-Quellen zur Leaf Lumina

John Henshalls and Barnaby Cox’ (englischer) Bericht über die Leaf Lumina

Beschreibung und Detailaufnahmen der Lumina

Vorstellung von Kilpatrick Media dPhotoexpert (englisch)

Ralf Jannke

Kommentare (1)

  • Gerhard Schüßler
    Gerhard Schüßler
    am 05.01.2018
    Vielen Dank an Herrn Jannke für seine Hilfe,auch meine Leaf Lumina wieder zum Laufen zu bringen,das Photoshop-Plugin mir zuzusenden und danach beim installieren mit Tips behilflich war.Danke für diesen sehr ausführlichen Bericht zur fast historischen Leaf Lumina.
    Auf weitere Berichte über alte Digicams freue ich mich.
    Gerhard Schüßler

Neuen Kommentar schreiben