Agfa ActionCam

Hier stelle ich eine der ersten digitalen Spiegelreflexkameras vor. Leider war mein Exemplar defekt und ist inzwischen nicht mehr in meinem Besitz. Ralf Jannke hat eine funktionsfähige baugleiche Minolta RD-175, er zeigt Beispielbilder und beschreibt den Aufwand, um der Kamera heutzutage Bilder zu „entlocken“.

Spezifikationen:

  • Die 1995 vorgestellte Agfa Action Cam bzw. Minolta RD-175 ist 161 x 145 x 128 mm groß und wiegt 1,2 kg.
  • über Strahlenteiler drei 1/2“ CCD-Sensoren (4,8x6,4mm) mit je 768x494 Pixeln werden extern zu 1528x1146 Pixel großen Bildern interpoliert. 800 ASA feste Empfindlichkeit. Videos bzw. Live-View sind nicht möglich. Bilder werden als RAW-Daten (*.MCD) auf PCMCIA-Speicherkarten abgelegt.
  • Das Bajonett ist das Minolta-AF-Bajonett, die scheinbare Brennweitenverlängerung beträgt Faktor 2,5.
  • Das Motiv wird über einen Spiegelreflexsucher anvisiert, ein Display für die Bildwiedergabe ist nicht eingebaut.
  • Autofokus durch Phasenerkennungssensoren, per teildurchlässigem Hauptspiegel und Hilfsspiegel abgegriffen
  • Belichtungssteuerung durch Zeit-, Blenden- oder Programm-Automatik sowie manueller Modus, Belichtungszeiten ca. 1/1s bis 1/2000 sek., Selbstauslöser mit ca. 10 sek. Vorlaufzeit
  • Weißabgleich automatisch durch im Gehäuse angebrachten Farbsensor
  • keine Bildstabilisierung im Gehäuse, Objektive mit eingebautem Stabilisator werden unterstützt
  • Energieversorgung durch Lithium-Akku für den Digitalteil, Lithiumbatterie für den Kamerateil und Lithium-Pufferbatterie für die Uhr

Besonderheiten

Die Kamera wurde von Minolta in Zusammenarbeit mit der Agfa AG entwickelt, die ActionCam bzw. die RD-175 sind baugleich, auch die jeweilige Software unterscheidet sich lediglich durch die Hersteller-Logos in der Benutzeroberfläche.

Die Kamera basiert auf einem Amateur-Spiegelreflexmodell von Minolta, der ebenfalls 1995 erschienenen Dinax 500si super (Link:http://www.optiksammlung.de/Minolta/MinoltaDynax500si.html). Da die Digitaltechnik dem analogen Gehäuse einfach wie ein Digitalrückteil angeflanscht wurde (allerdings nicht abnehmbar), benötigt die Kombination drei verschiedene Spannungsversorgungen: für den Digitalteil ein Sony NP-F330 Lithium-Akku aus der Videotechnik, für das Kameragehäuse eine Lithium-Einwegbatterie 2CR5 und für die Echtzeituhr eine kleine Lithium-Knopfzelle CR2025.

Der Blitzschuh ist der „umgedrehte“ iISO-Minolta-Schuh, auf den übliche Blitzgeräte nur mit Adapter passen. Die Kamera arbeitet bereits (wie heutige dSLRS) mit Vorblitzen, die bei heruntergeklapptem Spiegel ausgewertet werden, nicht mit Messung des Blitzlichts während der Aufnahme.

Der originale Sucher wurde optisch nach hinten „verlängert“, damit die recht dicke digitale Rückwand Platz hat. Allerdings ist im Inneren der Kamera recht viel „Luft“ verbaut werden, jedoch war die Optik und Elektronik noch nicht auf dem Stand der Miniaturisierung der späteren digitalen Kameras angekommen. Die eigentliche Spiegelreflexkamera ist recht vollständig eingebaut worden, sogar die Filmpatronenkammer und die Filmaufwickelspule sind vorhanden, aber ohne jegliche Funktion.

Die verwendete Digitaltechnik ist recht exotisch, da es 1995 vermutlich keinen bezahlbaren Sensor mit ca. 1,5-2 Megapixel gab, behalf man sich mit drei Sensoren aus der Videokameratechnik, die über einen komplexen Strahlenteiler belichtet werden. Zwei Sensoren sind nur für Grün empfindlich, der dritte in einem Schachbrettmuster für Blau und Rot.

Die notwendige Relais-Optik hat bei Nachteile: Der Cropfaktor beträgt 2,5, aus einem 50mm-Normalobjektiv wird also ein „125mm-Objektiv“. Und die kleinstmögliche Blende ist 1:6,7, d. H. aus dem 1,7/50er wird ein 6,7/125er! Um den Lichtverlust etwas auszugleichen, haben die Sensoren 800 ASA.

Möglicherweise stammt die gesamte Strahlenteiler-Optik mit den drei  drei Bildsensoren gar nicht von Minolta, sondern wurde einer professionellen Videokamera, z. B. von Sony, entnommen. Bei Proficamcordern war die 3-CCD-Technik damals weit verbreitet.

Der Name der RD-175 weist übrigens auf die Bildgröße hin: Interpoliert durch die Software beträgt sie exakt 1,75 Megapixel.

Die Kamera zeichnet immer nur die Rohdaten auf, sie „entwickelt“ sie nicht, da sie gar kein Display für Bildwiedergabe hat. Erst die Software am Computer bzw. ein Photoshop-PlugIn wandelt die Rohdaten um. Aktuelle professionelle RAW-Konverter können mit den Bilddaten nichts mehr anfangen, mir ist der Graphic-Converter von Lemkesoft für MacOS bekannt, um die Bilder heutzutage auf aktueller Rechentechnik zu betrachten. Vielleicht ist es auch mit freien Konvertern wie DarkTable oder DCRaw möglich, die RAW-Files zu konvertieren. Die originalen Programme laufen nur auf historischer Rechentechnik, maximal Windows 2000 bzw. MacOS 9 kann benutzt werden, außerdem wird zum Anschluß der Kamera direkt an den Rechner ein SCSI-Interface und ein schon damals recht exotisches Kabel benötigt.

Auch beim Speicher ist die ActionCam recht eigenwillig: sie akzeptiert nur in ihrem eigenen Format vorliegende PCMCIA-Speicherkarten bzw. CompactFlash-Karten in einem Adapter, wenn sie im speziellen Minoltaformat vorliegen. (Das „Geheimnis“ liegt in einer unsichtbaren Datei im Wurzelverzeichnis der Speicherkarte, ohne diese Datei akzeptiert die Kamera die Karte nicht.) Mit Hilfe der originalen Kamerasoftware lassen sich die Karten formatieren, wenn die Kamera am Rechner angeschlossen ist, aber nur, sofern die eingelegte Karte nicht zu viel Kapazität hat, viel mehr als 128 MB bis 256 MB sind nicht möglich.

Der Neupreis der Agfa ActionCam / Minolta RD-175 betrug ca. 16.000 DM, also den Gegenwert eines Kleinwagens! Ich erwarb das gezeigte Exemplar (allerdings defekt und ohne Speicherkarte) um 2001 für ca. 50 DM und schenkte es einem ehemaligem Agfa-Mitarbeiter für seine Agfa-Sammlung zu einem „runden“ Geburtstag.

Qualitäts- und sonstiger Eindruck

Das Gehäuse der ActionCam ist wie erwähnt ein Zwitter aus der Amateur-SLR Dynax500si super und dem Digitalteil, trotz des enormen Verkaufspreises besteht fast alles nur aus Kunststoff, wiegt aber aufgrund der eingebauten Zusatzoptik betriebsbereit satte 1,2 kg!

Warum sich Minolta trotz des hohen Verkaufspreises für die billige Dynax 500si als Basis entschied und nicht eine besser ausgestattete Kamera verwendete, z. B. die professionelle Dynax 9xi, entzieht sich meiner Kenntnis, aber der langsame Autofokus der RD-175 mit nur einem AF-Sensor hätte von den schnelleren vier AF-Sensoren der 9xi sicher profitiert und der Preisunterschied zwischen den beiden Analogkameras wäre kaum relevant gewesen. Aber vielleicht liegt es daran, daß Minolta die 500si möglicherweise so entwickelte, daß der digitale Aufsatz problemlos anbaubar war.

Die Bildqualität der ActionCam kann ich nicht aufgrund von eigenen Aufnahmen beurteilen, aber mir vorliegende nachbearbeitete Bildbeispiele zeigen für das Jahr 1995 und 1,75 Megapixel eine durchaus respektable Qualität.

Bildbeispiele aus 2005 und 2015 liegen hier

Fazit: eine digitalkamerahistorisch sehr wichtige frühe digitale Spiegelreflexkamera, zum ernsthaften Fotografieren heutzutage jedoch völlig ungeeignet.

Christian Zahn

 

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