Nikon Coolpix 885
Hier stelle ich eine recht frühe Digitalkamera von Nikon vor; Boris hat sie bereits gewürdigt. Zur sehr ähnlichen Nikon Coolpix 880 gibt es gut versteckt im Beitrag "Verdrehte Nikons ;-)" einen Bericht.
Spezifikationen:
- Die 2001 vorgestellte Nikon Coolpix 885 ist 95 x 69 x 52 mm groß und wiegt 225 Gramm.
- Der 1/1,8“ CCD-Sensor (7,2 x 5,3 mm) löst maximal 2048 x 1536 Pixel = 3,3 Megapixel auf, der Pixelpitch beträgt 3,4µm. Die Empfindlichkeit ist automatisch oder manuell von 100 bis 400 ASA einstellbar. Bilder werden als JPEG oder TIFF auf CompactFlash-Karten Typ I (max. 512 MB) gespeichert.
- Das Objektiv ist ein 8-24mm/1:2,8-4,9 3-fach Zoom mit 9 Elementen in 8 Gruppen, die kb-äquivalente Brennweite beträgt 38-114 mm.
- Das Motiv wird über einen abschaltbaren 1,5“ TFT LCD Monitor mit 110.000 Subpixeln angezeigt, zusätzlich ist ein optischer Realbildsucher vorhanden.
- Entfernungseinstellung Einzel-Autofokus (AF-S) oder AF-Nachführung (AF-C), Ermittlung durch Kontrasterkennung des Bildsensors, 5 AF-Felder automatisch oder manuell auswählbar
- Belichtungssteuerung durch Programmautomatik, manuellen Modus oder diverse Motivprogramme, 256-Zonen-Matrixmessung, mittenbetont integrale oder Spotbelichtungsmessung. Belichtungszeiten 8s bis 1/1000 sek., elektronischer Selbstauslöser mit 10 s Vorlaufzeit
- im Gehäuse integrierter Blitz mit ca. Leitzahl 10
- Weißabgleich automatisch oder manuell
- ohne Bildstabilisierung
- Energieversorgung durch Lithiumakku EN-EL1 oder Lithiumbatterie 2CR5
Besonderheiten
„Coolpix“ heißen bei Nikon fast alle alle Kompakt- bzw. Bridge-Digitalkameras.
Die Kamera ist eine „echte“ Nikon „Made in Japan“ und keine OEM-Auftragsfertigung. Sie ist eine deutlich „abgespeckte“ preiswertere Variante der etwas älteren Coolpix 995. Entfallen sind der Drehgelenksmechanismus, das Statusdisplay und das metallene Gehäuse. Außerdem hat die 885 lediglich ein Dreifachzoom (die 995 besitzt ein Vierfachzoom) und das Display ist von 1,8“ auf ziemlich winzige 1,5“ geschrumpft. Dafür hat die Coolpix 885 diverse Motivprogramme, die die 995 mit ihrem Profianspruch nicht eingebaut hat.
Die Stromversorgung erfolgt mit dem aus der Coolpix 995 her bekannten Lithium-Akku EN-EL1, der auch in anderen Kameras verwendet wurde (z. B. Coolpix 775, 880, 4300, 5000, 8700). Der Akku ist nicht Nikon-spezifisch, sondern paßt auch in die Konica Minolta DiMAGE A200 bzw. BC-900. Sollte der Akku leer sein, kann die Coolpix 885 auch mit einer Lithium-Einwegbatterie 2CR5 betrieben werden. In Amerika war der Akku und das Ladegerät nicht im Lieferumfang, sondern mußte extra zugekauft werden.
Zur Bildaufzeichnung dienen CompactFlash-Karten Typ I, die dickeren Karten Typ II passen nicht. Im Lieferumfang war eine 16 MB - Karte enthalten, Karten bis 512 MB funktionieren, obwohl solch große Karten zum Herstellzeitpunkt der Kamera nur spezifiziert, aber erst viel später verfügbar waren.
Die Karte ist durch eine Klappe geschützt. Allerdings dauert es je nach Kartengröße einige Sekunden, bis die Kamera die Karte erkannt hat. Also muß man nach Kartenwechsel solange warten, bis sich die Kamera mit der normalen Bildvorschau und der Zahl der möglichen Aufnahmen zurückmeldet oder die Warnung „Karte muß formatiert werden“ auf dem Display erscheint, wenn die Karte zu große Kapazität hat.
Gespeichert können sowohl unkomprimierte TIFFs als auch JPEGs in verschiedenen Kompressionsstufen und Auflösungen. Ein TIFF ist etwa 9 MB groß, der Speichervorgang kann je nach Speicherkarte bis zu einer Minute dauern. Ist die Bildgröße auf 320x240 Pixel reduziert, schafft die Kamera bis zu 30 Bildern pro Sekunde als JPEG Normal, allerdings nur etwa 70 Stück in Folge, dann muß sie die Serie erst einmal „wegschreiben“.
Ein nicht ohne Blick ins Handbuch verständlicher Modus ist „BSS“ = „Best Shot Selector“. Dabei nimmt die Kamera 10 Bilder nacheinander auf und entscheidet selbst, welches davon das beste = schärfste der Serie gewesen ist. Nur dieses wird gespeichert, die anderen 9 Aufnahmen werden „entsorgt“.
Die Coolpix 885 ist insgesamt sehr behäbig, der Einschaltvorgang dauert etliche Sekunden, wobei nach dem Betätigen des Hauptschalters zunächst einmal auf dem Display eine Sanduhr erscheint, dann bootet der Kameraprozessor und erst nach mehreren Sekunden bewegt sich das Objektiv aus der Ruhestellung. Auch dieser Vorgang läuft quasi in Zeitlupe ab, genauso wie der Fokussiervorgang. Ist die Kamera denn endlich soweit, daß nach Druck auf den Auslöser das Bild aufgenommen wird, ist ein interessantes Motiv häufig schon wieder weg…
Das Display ist sehr klein, aus Platzgründen war es sogar etwas kleiner als das in der Coolpix 995. Die Auflösung mit 110.000 Subpixeln ist aus heutiger Sicht grobgerastert, damals wurde es als gut bezeichnet. Das eigentliche Display sitzt hinter einer klaren Plastikscheibe. Wie üblich neigt diese zum Verkratzen und sollte durch eine Folie dafür geschützt werden.
Zusätzlich zum Display gibt es einen optischen Realbildsucher ohne Dioptrienkorrektur, der aber wie üblich etwas weniger zeigt, als später auf den Bilder zu sehen ist. Neben dem Sucher sind zwei LEDs vorhanden, sie dienen der Kontrolle von Autofokus und Blitz.
Die Bedienung ist allerdings noch lange nicht so bequem wie mit heutigen Kameras, vieles wird per Menu eingestellt. Die wichtigsten Funktionen wie Aufnahmemodus, Belichtungskorrektur, Fokus, Bildgröße sowie -Qualität, Empfindlichkeit oder Blitzparameter können durch Druck auf eine Taste und Drehen des Daumenrades verstellt werden. Der Hauptschalter ist um den Auslöser herum angebracht, das Moduswahlrad dahinter. Seine Symbole sind nicht unbedingt selbsterklärend. Während „Scene“, Kamerasymbol, Setup, ein Rechtspfeil für die Bildwiedergabe und grünes „Auto“-Kamerasymbol von etlichen anderen Kameras her bekannt sind, ist „CSM“ ohne Blick ins Handbuch nicht verständlich. Dahinter verbirgt sich die Programmautomatik, die per umständlichen Menüausflügen in einen vollmanuellen Modus umgeschaltet werden kann, in der Empfindlichkeit, Zeit und Blende frei eingestellt werden können. Die Abkürzung „CSM“ könnte für „Custom“ stehen.
Die Zoomwippe ist recht „hakelig“, ein präzises Zoomen ist schwierig, weil die Kamera zwar das Objektiv recht behäbig bewegt, aber auch auf den Druck auf die Wippe nur verzögert reagiert, deshalb hat man schnell „zu weit“ gezoomt.
Einen Blendenvorwahlmodus hat die Kamera nicht, er würde auch keinen Sinn machen, denn die Coolpix 885 kennt nur Offenblende und ca. zwei Stufen weiter geschlossene Blende, eine weitergehende Blendeneinstellung ist bei dem recht einfach aufgebauten Zentralverschluß (der auch als Blende dient) nicht möglich.
Die Taste „Transfer“ dient zum Drucken des angezeigtem Bildes ohne einen Ausflug ins Menu auf einem per USB angeschlossenem Epsondrucker. Allerdings mit einem heutzutage als „ausgestorben“ zu betrachtendem Protokoll, so daß diese Taste heutzutage keinen Sinn mehr hat.
Die Einstellung von Datum und Uhrzeit ist nicht selbsterklärend, der gesamte Vorgang muß durch Drücken der Cursor-Rechts - Taste sowie Einstellen des jeweiligen Feldes durchlaufen werden, als Abschluss muß unbedingt als letztes die Rechtstaste erneut betätigt werden. Verlassen des Eingabefensters mit der Menütaste bricht den Vorgang ab und die Zeit ist nicht eingestellt.
- Der Gehäuseblitz ist fest eingebaut, die Blitzbelichtungsmessung erfolgt nicht durch das Objektiv mittels Vorblitz, sondern durch eine im Blitzgehäuse befindliche Meßzelle.
Das Objektiv beginnt bei damals durchaus noch oft üblichem Weitwinkel von lediglich 38mm und reicht in den Telebereich von etwas über 110mm.
Das Filtergewinde ist recht klein, 37mm wurde von anderen Herstellern jedoch auch gerne verwendet. In das Gewinde werden auch die optionalen Brennweitenkonverter eingeschraubt. Der Objektivschutz ist ein Snap-Ondeckel mit Kordel gegen Verlieren. Wird der Deckel vor dem Einschalten nicht manuell abgenommen, fährt das Objektiv dagegen und die Kamera „meckert“ mit einer entsprechenden Fehlermeldung auf dem Display.
Die Fokussierung erfolgt durch 5 AF-Felder über Kontrastermittlung auf dem Haupt-Bildsensor, sie ist aus heutiger Sicht recht langsam. Wer sich wundert, daß die Kamera ununterbrochen vor sich hin „rattert“ und das Objektiv dauernd Geräusche macht: Im AF-C-Modus fokussiert die Kamera immer, solange die Belichtungsmessung aktiv ist, auch wenn der Finger den Auslöser nicht halb durchgedrückt hat! In diesem Modus ist die Auslöseverzögerung wesentlich geringer als im AF-S-Modus, in dem das Fokussieren mehrere Sekunden dauern kann, bis die grüne AF-Bestätigungs-LED neben dem Sucher aufleuchtet.
Die Kamera schreibt einige spezielle Angaben in den MakerNotes-Teil der EXIFs, darunter etliche Bildparameter wie ASA-Automatik, montierter Konverter, AF-Steuerung uvm. In den genormten Feldern der EXIFs trägt die Coolpix 995 die „wahren“ Belichtungswerte ein, nicht die üblichen gerundeten Zahlen. z. B. Blende 6,1 und Belichtungszeit 1/335 Sekunde statt 1:5,6 und 1/500 Sekunde.
Optional war ein Weitwinkel-, Tele- bzw. Fisheye-Brennweiten-Konverter erhältlich, letzterer ermöglicht je nach Objektivzoomstufe kreisrunde Aufnahmen mit 180° Bildwinkel oder rechteckige Aufnahmen, bei denen die 180° Bildwinkel nur in der Bilddiagonale erreicht werden. Ein „Diaduplikator“ zum Abfotografieren von Dias und Negativen war ebenfalls verfügbar. Die Konverter waren nicht billig, teilweise kosteten sie über 500 DM und erfordern oftmals einen Adapterring von 37 auf 28 mm, weil sie eigentlich für die „Drehgelenk“-Nikons gedacht waren. Im Kameramenü müssen sie der Kamera mitgeteilt werden, dann paßt sie die in die EXIFs eingetragenen resultierenden Brennweiten ein.
Als Schnittstellen stehen zur Verfügung: Video, Netzteil und USB zum Auslesen der Bilder aus der Kamera bzw. zum Anschluß eines Druckers. USB nutzt eine Nikon-eigene Spezialbuchse, Normkabel passen deshalb nicht. Die Buchse für Video ist eine übliche Klinkenbuchse, sie liegt völlig frei. Die Dauerstromversorgung verwendet eine normale Hohlsteckerbuchse. USB und Netzteil liegen hinter einer Gummiabdeckung.
Der UVP der Coolpix 995 betrug etwa 1650 DM (umgerechnet ca. 800 Euro). Ich erwarb mein Exemplar im Sommer 2024 für 2 Euro aus der „Grabbelkiste ohne Garantie“ eines Fotohändlers. Sie war als defekt bezeichnet worden, was allerdings nur daran lag, daß der Akku der Kamera völlig „platt“ war und die Mitarbeiter des Händlers die Kamera deshalb nicht probieren konnten. Mit einem meiner zahlreichen EN-EL1-Akkus fuhr die Kamera zuhause sofort fehlerfrei hoch. Sofern der Vorbesitzer die Kamera nicht zwischendurch „zurückgesetzt“ hat, sind laut Dateiname lediglich etwa 1700 Aufnahmen mit ihr angefertigt worden. Allerdings ist für diese geringe Bildzahl das Gehäuse stark abgenutzt, so daß die wahre Zahl der angefertigten Bilder vermutlich höher liegen wird.
Alle Aufnahmen entstanden bei 100 ASA, gespeichert als JPEG Fine, bearbeitet mit Photoshop CS4. Die Größe wurde auf 1500 Pixel bikubisch verkleinert. Schärfe, Verzeichnung, Vignettierung, Gradationskurve usw. wurden nicht bearbeitet. 100%-Aussschnitte sowie die Aufnahmeparametern finden sich in jedem Bildbeispiel.
Qualitäts- und sonstiger Eindruck
Das Gehäuse der Coolpix 885 ist vollständig aus Kunststoff. Sie war im gezeigtem „Profischwarz“ und in „Konsumenten-Silber“ erhältlich. Der Akku sitzt in einem recht weit vorspringendem „Handgriff“, der es ermöglicht, die Kamera sicher mit nur einer Hand zu halten und auszulösen. Für über das Zoomen hinausgehende Einstellungen muß jedoch die zweite Hand mitbenutzt werden.
Die Abdeckung des Akkufachs hat das eigentlich nur von Batteriefachklappen her bekannte Problem, daß die winzigen Halteklammern inzwischen gebrochen sind. Aber der EN-EL1 wird durch eine starke Feder aus dem Fach herausgedrückt, so daß auf den Haltenasen enorme Kräfte wirken. Da der Weichmacher inzwischen aus dem Kunststoff herausdiffundiert ist, ist er so spröde geworden, daß die Klämmerchen sofort nach Schließen des Faches mit eingelegtem Akku abbrechen. Wie üblich: eine untergeschraubte Blitzschiene entlastet des Deckel, so daß die Kamera benutzt werden kann.
Die Kamera gehört zur Klasse der relativ frühen Digitalkameras. Ihre Leistung (Auflösung, Bedienbarkeit, Einschaltzeit, Bildspeicherdauer usw.) bewegte sich im damals gerade noch üblichen Rahmen, heutzutage kommt sie uns extrem langsam vor. Das Einschalten dauert z. B. etwa 7 Sekunden, das Abspeichern eines JPEGS Fine je nach Kartengeschwindigkeit ebenfalls. Die Coolpix 885 gehörte aufgrund ihres Preises zum Vorstellzeitpunkt zur gehobenen Mittelklasse.
Die Bildqualität ist aufgrund der Sensorgröße und des geringen Pixelpitchs zum Vorstellungszeitpunkt als gut bis sehr gut zu bezeichnen gewesen, jedoch ist die Auflösung des Objektivs im Telebereich geringer als in der Weitwinkelstellung. Leider zeigen die Aufnahmen deutliche chromatische Aberrationen, rote bzw. grüne „Geisterfarben“ an starken Hell-Dunkelübergängen sind bei 1:1-Ansicht je nach Motiv deutlich störend sichtbar. Die Verzeichnung im Weitwinkelbereich ist recht gering und tritt bei vielen Motiven nicht störend hervor. Der Sensor neigt zum „Ausbrennen“ der hellen Bilddetails, dagegen muß der Fotograf mit einer manuellen Belichtungskorrektur gegensteuern.
Bei höheren ASA-Zahlen verlieren die JPEGs der Kamera durch den Entrausch-Algorithmus deutlich an Zeichnung, sind aber noch recht erträglich.
Das gezeigte Exemplar hat einen „Hotpixel“, in jedem aufgenommenem Bild ist dieser Bereich als roter Punkt sichtbar.
Fazit: eine digitalkamerahistorisch interessante Kamera (weil recht frühe Nikon Kompaktkamera), heutzutage zum ernsthaften Bildermachen aufgrund der recht geringen Geschwindigkeit und Auflösung nicht mehr geeignet.
Christian Zahn, Juli 2024
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Autor: | Christian Zahn |
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Erstellt: | 25.07.2024 |
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