Nikon Z5 mit Benoison 1,8/85mm Christian Zahn

In diesem Erfahrungsbericht geht es um ein etwa 1 bis 2 Jahre altes Manuellfokusobjektiv adaptiert an die spiegellose 24-Megapixel-Systemkamera Nikon Z5 mit Vollformatsensor. Das 1,8/85 wird als „Portraitobjektiv“ und mit dem Label „Aspherical“ vermarktet. Ob es ein solches ist oder alles nur Marketing-Geschwurbel? Jedenfalls war schon beim Auspacken klar, daß das Objektiv bislang durch mehrere Hände gegangen war: Der Erstkäufer hat es zurückgegeben, danach wurde es von Amazon Warehouse als Rückläufer nochmals verkauft, dann ging es an einen weiteren Händler, der es in Zahlung nahm und weiterverkaufte und ggf. gab es vor meinem Kauf noch eine Zwischenstation. Das spricht entweder dafür, daß die Kunden mit Manuellfokussierung an ihrer Kamera nicht klarkamen (was ich schon häufiger erlebt habe, denn man muß die Kamera richtig konfigurieren, damit Sucherlupe und Fokuspeaking gut funktionieren) oder das Exemplar ein schlecht montiertes Einzelstück ist.

Versuchen wir es herauszufinden!

Das Objektiv gibt es seit 2014 oder 2015, unter dem hier gezeigtem Vertriebsnamen seit 2024, aber auch etliche andere Marketplace-Händler tummeln sich auf den Verkaufsplattformen, teilweise vertreiben sie es unter eigenem Namen, teilweise mit irgendwelchen Fantasie-Aufdrucken auf dem Verpackungskarton. Auf dem eigentlichen Objektiv steht weder ein „Made in China“ (was es nun einmal ist) noch ein Hersteller oder Vertreiber. „Benoison“ ist eine kleine Firma in Shenzhen, die noch andere Manuellfokusobjektive „labeln“ läßt, beispielsweise ein Zoom mit 420-800mm und T2-Gewinde.

Der eigentliche Hersteller ist ein chinesisches Unternehmen für Industrieoptik namens Changchun Kaili Optronics Co, das das Objektiv anfangs unter dem eigenem Markennamen „Kelda“ verkauft haben, die ersten Tests im Internet stammen von 2014 bzw. 2015, seitdem hat sich am Objektivaufbau wohl nichts oder nur wenig geändert.

Ein mit „Aspherical“ bezeichnetes Objektiv hat mindestens eine oder gar mehrere nicht sphärische Linsenflächen, also solche, die keine Stücke einer Kugelschale sind, sondern eine sogenannte Freiformfläche haben, beispielsweise mit größerem Radius am Rand als in der Mitte. Asphären dienen zum Auskorrigieren der sphärischen Aberration der anderen im Objektiv verbauten Linsen, bei denen die Lichtstrahlen sich in der Brennebene vereinfacht ausgedrückt nicht in einem Punkt vereinigen, sondern in einem mehr oder minder kleinem Kreis auftreffen, was dadurch zu Unschärfe der Abbildung führt.

Zu Anfang waren ashärische Linsenflächen nur schwer und teuer herzustellen, inzwischen werden diese Linsen erheblich günstiger hergestellt, da die Glasrohlinge nicht mehr geschliffen und poliert werden, sondern durch Blankpressen ohne Nachbearbeitung erzeugt werden.

Das 1,8/85 Benoison ist aus 6 Elementen in 6 Gruppen aufgebaut und mehrschichtvergütet. Wieviele Asphären es hat und welches Objektivdesign es nutzt, habe ich nicht herausfinden können, einen Linsenschnitt fand ich bei keiner Verkaufsseite und in keinem Test. Es ist mit diversen Bajonettanschlüssen zu bekommen, neben dem hier gezeigten mit Canon-EF-Bajonett für Spiegelreflexkameras auch für aktuelle spiegellose Systemkameras, beispielsweise Sony-E oder Nikon-Z.

Das Objektiv ist fast vollständig aus Metall hergestellt, aufgrund des geringen Gewichts aber nicht aus Messing, sondern fast ausschließlich aus eloxiertem Aluminium, aus dem vermutlich auch die Fokussierschnecke besteht. Der angeschraubte Objektivadapter ist verchromt, was zwar schick aussieht, aber leider im Kamerainneren zu Streulicht führen kann. Außerdem ist er nach dem Drehen und Fräsen nicht entgratet worden, so daß man sich an den Anschraublöchern oder der Nut für die Objektivverriegelung durchaus verletzen könnte.

Der Blendenring ist ein Kunststoff-Spritzgußteil, die per Tampondruck angebrachten Blendenzahlen lassen sich recht leicht „abrubbeln“. An der Objektivfront ist eine Ringnut eingedreht, sie wurde mit roter Farbe ausgelegt, was an die teuren Canon „L“-Profiobjektive erinnern soll. Die vordere Objektivgruppe ist federnd gelagert, sie läßt sich bei Einstellung auf Unendlich nicht eindrücken, bei näherer Fokussierung etwa 2mm zum Bajonett hin drücken. Wenn man will, läßt sich die Linsengruppe auch „Tilten“, also nur einseitig drücken, so daß die Frontlinse wegkippt. Durch die Federung wird möglicherweise das Spiel des einfach gefertigten Schneckenganges ausgeglichen anstatt zwei präzise aufeinander abgestimmte Gewinde drehen zu müssen. Oder die Feder dient bei der Montage zum einfacherem Einstellen der korrekten Lage der Frontgruppe im Objektiv. Jedenfalls macht diese Konstruktion das Objektiv wacklig und „windig“. Faßt man das Objektiv beim Fotografieren an der Streulichtblende an, so kann die Linsengruppe ungewollt bewegt werden, was in teilweise unscharfen Aufnahmen endet.

Der mit geriffeltem Gummi überzogene Entfernungsring läuft etwas harsch und kratzt leicht, ob das normal ist oder nur bei meinem Exemplar, kann ich nicht sagen. Der Einstellweg ist mit ca. 90° viel zu kurz für präzises Fokussieren bei Offenblende. Die Naheinstellgrenze ist mit 0,85m gut. Die Entfernungsangaben auf dem Fokusring stimmen nicht, bei „unendlichen“ Motiven steht der Fokusring nicht am Anschlag, sondern deutlich daneben.

Der Blendenring rastet ganzstufig, die Blendenreihe ist äußerst eigenwillig und völlig ungewohnt. Weder entspricht sie der heute üblichen Abstufung noch der sogenannten „deutschen“ bzw. „alte“ Blendenreihe, die vor 1945 üblich war. Die Objektivabstufung lautet: 1,8 - 2,5 - 3 - 3,5 - 4,5 - 6 - 10 - 22 und die Abstände zwischen den Zahlen sind nicht gleich groß.

Es sind 6 Lamellen eingebaut. Die mitgelieferte Streulichtblende wird an ein Außengewinde geschraubt, das Filtergewinde beträgt 55 mm, die Blende hat zusätzlich 72mm, wobei die in ihr eingeschraubten Filter dann vor der Streulichtblende ungeschützt Reflexionen einfangen können. Der mitgelieferte Snap-In-Deckel hat 72mm, er kann somit ohne „Gefummel“ mit angebrachter Streulichtblende montiert und abgenommen werden.

Das Objektiv hat einen Durchmesser von 64 mm, eine Baulänge ab Bajonett von 55 mm (mit EF-Bajonett) und wiegt 300 Gramm. Beim Fokussieren auf die Nahgrenze wird es ca. 8 mm länger. An der Entfernungs-Skala sind Tiefenschärfemarkierungen vorhanden, ein Index für die Infrarotfotografie fehlt, weil er dank apochromatischer Korrektur ggf. gar nicht erforderlich ist.

Die Verzeichnung ist sehr gering. Die chromatischen Aberrationen ebenfalls. Aber: das Objektiv ist bei Offenblende überall „Weich“ bis unscharf und alles überstrahlt. Ab Blende 4,5 ist das Überstrahlen beseitigt, aber die Bildschärfe wird nur in der Bildmitte besser. Ab etwa Blende 6 hat der scharfe Abbildungskreis circa 20mm Durchmesser, ab Blende 10 ist der scharf abgebildete Bereich so hoch wie das Bild, also 24mm. Bei Blende 22 ist die Schärfe aufgrund der Beugung geringer geworden, aber insbesondere die linke Bildhälfte bleibt „matschig“. es sei denn, das dortliegende Detail befindet sich vor der in der Mitte eingestellten Schärfe-Ebene. Das deutet auf eine dezentrierte Montage einer oder mehrere Linsen hin. Oder aber die „windige“ Frontgruppenkonstruktion ist nicht parallel eingebaut, sondern etwas verkippt, so daß die Schärfenebene nicht parallel zum Kamerasensor ist, sondern links in die Nähe reicht und rechts in die Ferne. Ob nur mein Exemplar diesen Fehler hat oder das ein Serienproblem ist, kann ich nicht sagen. Ich kann mir vorstellen, daß aufgrund der geringen Herstellkosten keine Qualitätskontrolle mit Prüfung jedes gefertigten Objektivs gemacht wurde, sondern die zusammengebauten Objektive direkt in die Verpackung kamen.

Die Beispielaufnahmen in den Verkaufsportalen sind wunderschön „cremig“, haben also einen perfekten Verlauf von der scharf abgebildeten Person hin zu einem perfekt unscharfem Hintergrund. Ob die Aufnahmen aber wirklich mit einem dieser Objektive gemacht wurden oder zumindest mit einem perfekt montiertem Exemplar? Die Gestalter solcher Werbeabbildungen bedienen sich bekanntlich allzugern bei Stockfotos oder lassen eine KI generieren…

Ist das Benoison ein „Aspherical“ oder nicht? Im Linsenschnitt könnte man es herausfinden, aber weder der Hersteller noch die Händler veröffentlichen eine Grafik mit den einzelnen Linsenelementen. Somit bleibt nur Raten. Es könnte durchaus eine asphärische Linsenfläche verbaut sein, die die Unschärfe durch sphärische Aberrationen bei großen Blendenöffnungen beseitigt. Aber weil mein Exemplar fehlerhaft zusammengebaut ist, gibt es zu viel allgemeine Unschärfe, um das letztlich ermitteln zu können. Gestehen wir dem Hersteller also zu, daß mindestens eine Asphäre verbaut ist und die Werbung stimmt.

Das Objektiv kostete 2015 unter 100 Euro, heutzutage ist es je nach Händler für 99 bis 139 Euro zu bekommen. Es gibt etliche Gebrauchtangebote, sie liegen zwischen 20 und 75 Euro. Viele private Verkaufsangebote werden mit „Wie neu“ oder „nur wenige Bilder mit gemacht“ beschrieben. Warum? Nur weil der Fotograf nicht mit der manuellen Einstellung von Entfernung und Blende klarkam? Oder das Objektiv doch eine sehr große Serienstreuung hat?

Beispielfotos

Alle Aufnahmen entstanden freihand bei ASA-Automatik, Zeitautomatik, mit eingeschaltetem Bildstabilisator und bei Blende 1,8 bis 10, gespeichert als NEF, gewandelt mit Nikon Capture NX-D und bearbeitet mit Photoshop CS6. Bildausschnitt, Helligkeit, Farben, Lichter / Schatten sowie Schärfe wurden korrigiert, die Größe wurde auf 1500 Pixel bikubisch verkleinert. In alle Aufnahmen sind 100%-Ausschnitte vergrößert einmontiert.

Fazit

Mein Benoison 1,8/85 ist für die bildmäßige Fotografie unbrauchbar, es ist vermutlich nicht richtig zusammengebaut und deshalb mehr als einmal zurückgegeben bzw. weiterverkauft worden. Möglicherweise gibt es etliche bessere Exemplare, ob diese dann wenigstens eine ihrem Preis angemessene Abbildungsleistung haben, vermag ich nicht sagen. Auch ein Objektiv für etwa 100 Euro sollte wenigstens eine gleichmäßige Schärfe über das gesamte Bildfeld haben und keine Dezentierung und auch keine verdrehte Bildfeldebene. Bei der nächsten Sammelsendung geht es nach Bonn, eventuell kann Ralf Jannke damit mehr anfangen als ich.

Christian Zahn, Oktober/November 2025

 

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