Nokia N95 Kurzbericht

Hier stelle ich ein Smartphone vor, das einige Neuerung in die Handy-Branche einführte, unter anderem war es das erste richtige Fotohandy mit ernstzunehmendem Kameramodul, das nicht nur Zwergen-Knipsbildchen anfertigen konnte, sondern durchaus brauchbare Aufnahmen. Außerdem war es das erste Smartphone mit eingebautem GPS-Empfänger und Navigations-Software.

Somit kann gesagt werden, daß das N95 das Ende der digitalen Kompaktkameras einläutete, auch wenn es noch mehr als 10 Jahre dauerte, bis dieses Kamerasegment vom Markt verschwand.

Spezifikationen

  • Das Anfang 2007 vorgestellte Nokia N95 ist 99 x 53 x 21 mm groß und wiegt 120 g.
  • Der CMOS-Sensor unbekannter Größe löst maximal 2592 x 1944 Pixel  = 5 Megapixel auf. Automatisch werden 100 bis 400 ASA eingestellt. Videos sind möglich. Bilder werden als JPEG im internen Flash-Speicher oder auf einer microSD-Karte (max. 2 GB) abgelegt.
  • Das Objektiv ist eine Festbrennweite 1:2,8/5,6mm (Carl Zeiss Tessar), die kb-äquivalente Brennweite beträgt ca. 35 mm
  • Das Motiv wird über einen 2,6“ Monitor mit 76.800 Subpixeln (320x240 Farbtripel) ausgewählt
  • Autofokus durch Kontrasterkennung auf dem Bildsensor
  • Belichtungssteuerung durch Vollautomatik mit ISO-Automatik, Belichtungszeiten  1/3s bis 1/1000 sek., Matrix-Belichtungsmessung, Selbstauslöser mit ca. 10 sek. Vorlaufzeit
  • im Gehäuse integrierte superhelle LED als Blitzersatz
  • Weißabgleich automatisch
  • rein elektronische Bildstabilisierung
  • Energieversorgung durch wechselbaren Lithium-Akku

Besonderheiten

Nokia wurde bereits 1865 im finnischen Tampere als Papierhersteller gegründet und zog 1968 nach der nahe gelegenen Stadt Nokia, nach drei die Nokia Aktiebolag ihren Namen bekam. Ab der Jahrhundertwende wurde aus Nokia ein Mischkonzern, der auch Artikel wie Gummistiefel oder Fahrrad- und Autoreifen produzierte. Das inzwischen eigenständige bzw. zu Bridgestone gehörende ehemalige Tochterunternehmen Nokia Tyres stellt auch im Jahr 2021 noch Reifen her.

1967 schloß sich Nokia mit drei weiteren großen finnischen Unternehmen zusammen und ist seitdem in der Papierindustrie, der Elektronik- und Komminaktionsindustrie, der Gummi-Industrie und der Kabelindustrie tätig gewesen. Durch weitere Zukäufe wie z. B. 1988 ITT (mit den Markennamen Graetz und Schaub Lorenz, darunter auch die TV-Produktion in Bochum-Riemke) wurde verstärkt auf Elektronik und Kommunikation gesetzt, seit 1991 wurden Mobiltelefone für das GSM-Netz gebaut (auch in Bochum), in dieser Sparte war Nokia 1998 bis 2011 Marktführer und entwickelte mit Psion zusammen das erste „Smartphone“-Betriebssystem, genannt Symbian. 2002 wurde das allererste Kamerahandy überhaupt, das Nokia 7650 vorgestellt.

Um 2005 herum verkaufte Nokia alle anderen Geschäftsfelder und konzentrierte sich danach auf den Mobilfunkmarkt mit der Handy- und Netzaustattersparte. Die Bedienung der Nokia - Smartphones mit Symbian war sehr tastendrucklastig, als Apple 2007 das iPhone mit Touch-Bedienung und ohne echte Tastatur vorstellte, begann der Stern von Nokia zu sinken. Als dann noch Google Smartphones mit dem Betriebssystem Android zeigte und dieses auch noch an andere Hersteller lizenzierte, war Nokia mit Symbian bald ins Hintertreffen geraten. So schloß Nokia 2008 das Werk in Bochum und verlagerte die Handyproduktion von dort nach Rumänien.

2011 zeigte Nokia das erste Telefon mit Microsoft Windows Mobile als neuem Betriebssystem, diese Kooperation endete aufgrund von weiter sinkendem Marktanteil 2014 im Verkauf der Nokia Mobiltelefonsparte an Microsoft, so daß etwa 2016 der Markenname kurzfristig vom Markt verschwand, weil Microsoft die „Reissleine“ zog und seinerseits die Mobiltelefonproduktion einstellte. In der Zeit danach erhielt Nokia das Recht zurück, Telefone unter seinem alten Markennamen anbieten zu können und lizensierte diesen an die von ehemaligen Nokia-Mitarbeitern im finnischen Espoo neu gegründete HMD Global, die seitdem Nokia-Telefone mit Android-Betriebssystem entwickeln und von Auftragsfertigern herstellen lassen.

Das vorgestellte Smartphone mit Symbian Betriebssystem ist vom „Slider“-Typ, d. h., die Vorderseite kann verschoben werden, darunter erscheinen dann entweder die normalen Telefontasten (mit SMS-Buchstaben-Eingabefunktion) oder Multimediatasten für das Abspielen von Musik-Dateien. Immer sichtbar sind lediglich Tasten für die Annahme und das Beenden von Gesprächen sowie das Tasten-Steuerkreuz.

Das Handy stammt aus der Nokia-N-Serie, die Multimedia-Smartphones umfaßt, also Geräte, die nicht nur Telefonieren können, sondern auch Musik abspielen oder Videos anzeigen. Das N95 war eines der Spitzenmodelle dieser Serie, es führte etliche heute selbstverständliche Dinge in den Smartphone-Markt ein, darunter: hochauflösendes Kameramodul, GPS-Antennen, Beschleunigungssensor, dynamische Navigation mit Sprachausgabe und grafischer Routenführung in Echtzeit, 3,5G HDSPA Internetverbindung, uvm.

Das N95 ist um das 5-Megapixel-Kameramodul mit von Carl Zeiss gerechnetem Objektiv, 5 Megapixel-Sensor, Autofokus-Antrieb, mechanischem Verschluss und Blendensteuerung herum konstruiert, da das von Micron Technologies gebaute Modul im Geräteinneren neben dem Lithium-Akku das größte Bauteil ist.

Zur Fotoaufnahme wird eine vorinstallierte „App“ gestartet, sobald mit Hilfe eines Schiebers die Schutzlamellen vor dem Objektiv zur Seite bewegt wurden. Diese App ist recht träge, da die gesamte Kamerasteuerung inkl. Speicherung der Aufnahmen als JPEGs nicht durch einen dedizierten Kameraprozessor erledigt wird, sondern größtenteils vom Telefon-Hauptprozessor. Somit dauert das Fokussieren recht lange, auch das Speichern ist relativ gemächlich und in allzurascher Folge sollte man den Auslöser nicht betätigen, denn dann „stürzt“ die Kamera-App und somit das gesamte Handy ab und muß einen minutenlangen Neustart durchlaufen. Außerdem hat die Kamera-Anwendung nur wenig Einstellmöglichkeiten.

Die Bildqualität ist für das Vorstelldatum des Handys recht beeindruckend. Da das N95 einen eingebauten GPS-Empfänger hat, werden die Bilder automatisch mit Standortdaten versehen, sofern der minutenlange dauernde Standortsuch-Prozeß erfolgreich abgeschlossen wurde. Als Auslöser dient eine seitliche dedizierte Kamerataste.

Das Display war im Vergleich zu denen in zeitgleichen Kompakt- bzw. Systemkameras nicht besonders scharf und hochauflösend, sondern nur unterdurchschnittlich. Es taugt nur zur Ausschnittswahl, Schärfenbeurteilung ist unmöglich.

Das Objektiv hat im Gegensatz zu heutigen Smartphones eine verstellbare Blende und einen mechanischen Verschluss. Die Kamerasteuerung nutzt als Belichtungssteuerung eine Kombination aus Voll- und ISO-Automatik.

Es ist kein echter Blitz eingebaut, zur Aufhellung dunkler Szenen dient eine weiße superhelle LED. Im Blitzmodus wird sie kurzzeitig mit erhöhter Spannung versorgt und leuchtei etwas heller als im Dauerlichtmodus.

Es gibt einen Digitalzoom, den man aber sinnvollerweise nicht benutzt, sondern besser am heimischen Rechner die gemachten Aufnahmen zuschneidet.

Für „Selfies“ bzw. Videokonferenzen ist auf der Displayseite eine zweite niedrigauflösende Kamera eingebaut, diese hat ein Fixfokus-Objektiv mit rein elektronischem Verschluss und nur mit Offenblende.

Es sind vier Schnittstellen eingebaut, eine 3,5mm-Stereoklinkenbuchse mit weiteren Sonderkontakten für Kopfhörer, Mikrophon und Fernbedienung sowie die USB-Buchse und die Nokia-typische Mini-Hohlsteckerbuchse zum Akkuladen. Der Akku ist nicht fest eingebaut, sondern wechselbar. Der micro-SD-Speicherkartenschacht sitzt unter einer seitlichen Klappe, allerdings muß zum Kartenentnehmen das Handy abgeschaltet werden. Nach dem Kartenwechseln muß das Handy minutenlang „booten“.

Auf die Bilder und die Speicherkarte kann per USB zugegriffen werden, allerdings muß dafür eine Nokia-Software installiert sein, da das Handy sich nicht als Massenspeicher oder per PTP-Protokoll am Rechner betreiben läßt. Diese Software diente auch zum Herunterladen der Navigationskarten, die auf die in das Handy eingelegte micro-SD-Karte installiert werden müssen. Laut Werbung gab es „lebenslange“ kostenlose Kartenaktualisierungen, jedoch sind inzwischen nach dem Ende der Nokia-Handsparte alle Server für die Daten abgeschaltet worden.

Der UVP des Nokia N95 betrug etwa 750 Euro (ohne Speicherkarte). Ich bekam mein Exemplar Ende 2010 geschenkt und nutze es bis Ende 2011, danach erwarb ich ein Nokia C6-00 Smartphone, weil mir das N95 nicht zu langsam und träge wurde (GPS-Standortfindung dauerte bis zu 15 Minuten!) und außerdem immer öfter abstürzte.

Beispielfotos

Alle Aufnahmen entstanden bei ASA- und Voll-Automatik und mit Hilfe der mitgelieferten Kamera-App, gespeichert als JPEG, bearbeitet mit Photoshop CS4. Die Größe ist bikubisch verkleinert. Schärfe, Verzeichnung, Vignettierung, Gradationskurve usw. wurde nicht korrigiert, es sind also fast unveränderte Bilder „Out of the Cam“. Belichtungszeiten- und Blenden-Angaben sowie 100%-Ausschnitte sind in die Bilder eingefügt.

Qualitäts- und sonstiger Eindruck

Das Gehäuse des N95 ist trotz des enormen Verkaufspreises nur aus Kunststoff. Das Handy war neben dem gezeigten Goldton auch in anderen Farben erhältlich. Die Akkufach-Abdeckung hält nur mit winzigen Plastikklammern. Mir ist diese Abdeckung beimFotografieren unerreichbar heruntergefallen, aus dem Zubehörmarkt erwarb ich eine farblich leider etwas abweichende andere Blende.

Die Bilder sind trotz nur 5 Megapixeln schon bei niedrigen ISO-Zahlen mit leichtem Farbrauschen überlagert, bei höheren ASA-Werten rauscht das Bild deutlich sichtbar, aber noch erträglich. Die Eigenheiten der Kamera-App wollen beachtet werden, da bei zu schnellem Aufnehmen mehrerer Bilder hintereinander das Handy abstürzt und neu gebotet werden muß. Außerdem dauert der Fokusvorgang sehr lang, da es keinen dedizierten Bildprozessor gibt, sondern der mit nur 332 MHz getakteten ARM-Prozessor den Sensor mehrfach auslesen und die Schärfe nachstellen muß. Je nach Motiv stellt das N95 nicht oder nicht perfekt scharf, man sollte tunlichst immer zwei Aufnahmen nacheinander machen, eine davon wird meist etwas schärfer sein als die andere. Außerdem trifft das N95 beim Farbabgleich öfters daneben, Himmelblau ist beispielsweise ab und zu etwas rotstichig.

Die Bilder werden leider etwas zu stark nachgeschärft, entsprechende Artefakte um deutliche Bildkanten sind die Folge davon.

Fazit: ein digitalkamerahistorisch wichtiges Smartphone (weil erstes Kameradandy mit brauchbaren Bildern), heutzutage zum Bildermachen bei Beschränkung auf „Schönwetterbilder“ gerade noch noch geeignet, sofern man nicht in zu schneller Folge zu viele Aufnahmen macht.

Christian Zahn

 

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