Tokina RMC 2,8 / 28 an Nikon Z5

In diesem Bericht geht es um ein etwa 45 Jahre altes Manuellfokus-Weitwinkelobjektiv für das Minolta MD-System, adaptiert an die spiegellose 24-Megapixel-Systemkamera Nikon Z5. Das Objektiv wurde vom Hersteller auch mit anderen Bajonettanschlüssen verkauft. Minolta führte den zweiten „Tab“ am Blendenring 1977 ein, mit Hilfe dessen die damals neuen Kameras erkennen, daß das Objektiv auf kleine Blende geschlossen ist, um nur dann Programm- und Blendenautomatik zu erlauben. Für die Adaptierung auf spiegellose Systemkameras sind beide „Tabs“ nicht erforderlich.

Tokina wurde 1950 in Nagano, Japan, gegründet und produziert seitdem vor allem Objektive für fotografische Zwecke für Kameras der großen Hersteller unter eigenem Namen, teilweise auch als OEM-Hersteller (z. B. für Soligor oder Vivitar). Etwa im Jahr 1960-1970 entwickelte Tokina den T4-Anschluß, an den sich vom Benutzer Adapter für das gewünschte Kamerabajonett befestigen ließen, so mußte nach Kamera-Systemwechsel kein neues Tokina-Objektiv gekauft werden, sondern nur ein neuer Adapter. Ähnliches hat der Mitbewerber Tamron mit seinem weitaus bekannterem AdaptAll-System gemacht.

Seit 2011 ist Tokina mit Kenko fusioniert, außerdem gehört zum Konzern der Stativhersteller Slik und der ehemals französische Filterhersteller Cokin. Nachdem Pentax von Hoya übernommen wurde, wurden viele Pentax-Objektive von Tokina gerechnet und hergestellt, teilweise konnten sie als Tokina mit anderem als PK-AF-Bajonett erworben werden, mit PK-AF-Anschluß exklusiv von Pentax.

Das RMC 2.8/28 wurde etwa von 1979 bis 1985 hergestellt (sofern die ersten beiden Zahlen der Seriennummer für das Jahr stehen, wovon auszugehen ist). Es ist ein „Hidden Champion“, das wesentlich besser ist, als man anfangs glauben mag. Die Schärfe auf Film dürfte zu Zeiten von 100 und 400 ASA-Filmen mehr als ausreichend gewesen sein, bei heutigen Sensoren schwächelt es an den Bildecken. Das Ausmaß der Eckenunschärfe ist abhängig von der verwendeten Vollformatkamera bzw. der Dicke von deren Filterglas vor dem eigentlichem Sensor, die Randstrahlen älterer Weitwinkelobjektive treffen nicht senkrecht auf den Sensor, sondern mehr oder minder stark schräg. Dadurch kommt es zum „Corner Smearing“, also zum „Vermatschen“ der Bildecken. An der Z5 ist der Effekt sichtbar, aber durchaus noch erträglich. ich habe 28mm-Objektive im Fundus, die in den Ecken deutlich unschärfer sind.

Mein Contax Distagon 2,8/28 und mein Minolta MC 2,0/28 schneiden besser als das hier gezeigte Tokina RMC ab, kosteten neu aber jeweils deutlich mehr als das Tokina und sind auch heute als Gebrauchtobjektiv deutlich teurer.

Einen großen Nachteil hat das Tokina gegenüber den genannten Objektiven jedoch: es ist extrem streulichtempfindlich, nicht nur direkt auf die Frontlinse strahlende Sonne oder helle Lichtquellen „vagabundieren“ im Inneren des Objektivs herum, wodurch die Bilder flau werden. Auch seitlich auftreffendes Licht vom bedeckten Himmel kann bei dunklen Motiven bereits als unerwünschtes Streulicht das Bild wie mit einem Nebel überziehen. Ohne Streulicht ist das Bild sofort erheblich schärfer und kontrastreicher.

Mein Exemplar kam mit zwei Problemen: Der Entfernungsring ließ sich nur schwer und kratzend bewegen, die Blende hingegen war bei Offenblende fest. Nach Teil-Demontage war schnell klar: Das Fett des Schneckenganges ist gealtert und hat sich in mindestens in zwei Komponenten getrennt: eine flüssige Phase ist auf die Blendenlamellen gelaufen und hat diese verklebt, so daß der Springblendenmechanismus die Lamellen nicht mehr schließen konnte. Und einer der Vorbesitzer hat mit dem Objektiv einen Strandausflug o. Ä. gemacht, die Schmierung von Blenden- und Entfernungsring war mit feinstem Sand verunreinigt, eine gründliche Reinigung und teilweise Neu-Schmierung war nötig.

Das Objektiv läßt sich recht einfach zerlegen, die Optik besteht aus zwei festen Baugruppen, die vordere kann nach Abdrehen des Beschriftungsrings rech einfach demontiert werden, die hintere nach Abschrauben des Bajonettrings und Abnehmen des Blendenrings. Hinweis: es sind verstellbare Spezialwerkzeuge notwendig, mit haushaltsüblichen Schraubenziehern gelingt die Demontage nicht. Und es muß auf die winzige Kugel geachtet werden, die die Rastung des Blendenrings ermöglicht. Fällt diese heraus, dürfte sie vermutlich nicht mehr auffindbar sein, denn eine 2mm-Stahlkugel springt extrem weit und ist auf Tischdecken oder in Teppichen praktisch unsichtbar.

Sind alle Linsen ausgebaut, konnte der Blendenmechanismus mit Isopropanol gereinigt werden, das habe ich insgesamt viermal machen müssen, bis keine Ölreste aus dem Objektiv mehr austraten und die Lamellen erneut verklebten. Nun kann ich das Objektiv wieder an einer Film-SLR nutzen, die Springblende arbeitet so leichtgängig wie vor 45 Jahren.

„RMC“ in der Bezeichnung steht für die Tokina-Mehrschichtvergütung (Minolta Rainbow Coating).

Der mit geriffeltem Gummi überzogene Entfernungsring geht bei meinem Exemplar inzwischen ein wenig zu stramm, das dürfte auf Alterung des Schmiermittels zurückzuführen sein. Die Materialpaarung ist Aluminium-in-Aluminium, darum ist das Schmiermittel essentiell nötig, um die Friktion der Verstellung zu gewährleisten.

Der Entfernungs-Einstellweg ist mit ca. 240° sehr feinfühlig einstellbar, die Naheinstellgrenze von 0,3m ist gut. Die Blende rastet leider nur in ganzen Stufen. Das nicht mitdrehende Filtergewinde beträgt 52mm, das Objektiv hat einen Durchmesser von 64mm, eine Baulänge von 40mm ab Bajonett und wiegt 240 Gramm. Beim Fokussieren wird das Objektiv ca. 4mm länger. Es ist größtenteils aus Metall gebaut. Die originale Streulichtblende fehlt mir, wie üblich tut es eine preiswerte aus dem aktuellen Zubehörhandel. Allerdings sollte sie möglichst „eng“ sein oder sogar blütenförmig, denn wie erwähnt ist das Objektiv extrem streulichtempfänglich.

Der originale Deckel ist ein Aufstülptyp, er klemmt sich in das Filtergewinde. Da der Kunststoff des Deckels gealtert ist, hält er nicht mehr gut, er sollte zur Sicherheit durch einen preiswerten 52mm-Snap-In-Deckel aus der Zubehörindustrie ersetzt werden.

Die optische Leistung entspricht bis auf die Streulichtempfindlichkeit durchaus den Originalhersteller-Weitwinkel-Objektiven der 1980er Jahre, das Objektiv ist am Vollformat-Sensor der Z5 und Offenblende an den Bildrändern recht unscharf und vignettiert leicht, Abblenden auf 8 steigert die Schärfe und beseitigt die Vignettierung.

Das 2,8/28 RMC Tokina ist heutzutage oft preiswert zu bekommen, je nach Zustand, Bajonettanschluß und Lieferumfang liegt es zwischen 1 und 30 Euro, weil es recht oft angeboten wird.

Ich erhielt das gezeigte Exemplar im Spätsommer 2024 dankenswerterweise vom Editor dieser Zeilen geschenkt, er hatte es für „kleinen Euro“ auf einem Flohmarkt mitgenommen, weil die Blende defekt war.

Beispielfotos

Alle Beispielaufnahmen entstanden freihand bei ASA-Automatik und Blende 8, gespeichert als NEF, gewandelt mit Nikon Capture NX-D und bearbeitet mit Photoshop CS6. Bildausschnitt, Helligkeit, Farben, Lichter / Schatten sowie Schärfe wurden korrigiert, die Größe wurde auf 1500 Pixel bikubisch verkleinert. In alle Aufnahmen sind 100%-Ausschnitte vergrößert einmontiert.

Fazit

Wie erwähnt ist das Tokina RMC 2,8/28 ein „verborgener Diamant“, es ist besser, als sein Preis vermuten läßt. Allerdings schränkt seine extreme Streulichtempfindlichkeit die praktische Verwendbarkeit stark ein, nicht nur im Bild sichtbare Lichtquellen verflauen das Bild, auch außerhalb des Bildes auftretende helle Stellen legen sich wie ein Nebel über Teile des Motivs oder gar das gesamte Bild.

Christian Zahn, September 2024

 

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