Fuji FinePix S602 Zoom Erfahrungsbericht von Christian Zahn

Hier stelle ich eine sehr frühe Bridgekamera mit der Fuji-Sensorspezialität Super CCD vor. Ralf Jannke hat dieses Modell bereits ausführlich beschrieben, hier nun meine Anmerkungen zu dieser Kamera. Im Gegensatz zu seinem Exemplar hat meine eine einwandfreie Frontlinse, wurde aber intensiv benutzt, so daß von den meisten hinteren Tasten die Beschriftung abgerieben ist.

Spezifikationen

  • Die 2002 vorgestellte Fuji Finepix S602 Zoom ist 121 x 82 x 97 mm groß und wiegt ohne Akkus und Speicherkarte 500 g.
  • Der 1/1,7“ CCD-Sensor (7,6 x 5,7 mm) löst maximal 2.832 x 2.128 Pixel  = 6 Megapixel auf (3,1 Megapixel Rohdaten). Der Pixelpitch beträgt 3,7µm. Manuell sind 160 bis 1600 ASA einstellbar. AVI-Videos sind mit 640x480 Pixeln möglich. Bilder werden als JPEG oder TIFF auf SmartMedia-Karten (max. 128 MB) oder CompactFlash-Karten (max. 2 GB) gespeichert.
  • Das Motiv wird über einen Videosucher (0,2“, 180.000 Subpixel mit Dioptrienkorrektur) angezeigt. Zur Bildkontrolle ist ein 1,8“ TFT LCD Monitor mit 200.000 Subpixeln vorhanden, der auch die Menüsteuerung übernimmt.
  • Das Objektiv ist ein 7,8- 46,8 mm/1:2,8-3,1 (35-210 mm @KB) 6-fach Zoom
  • Entfernungseinstellung Einzel-Autofokus (AF-S) oder manueller Fokus, Ermittlung durch Kontrasterkennung des Bildsensors und zusätzlichem non-TTL passivem Phasenerkennung-Sensor oberhalb des Objektivs, zusätzlich manuelle Scharfstellung mit Fokusunterstützung mittels um das Objektiv angeordneten Encoderring
  • Belichtungssteuerung durch Programmautomatik, Zeitautomatik, Blendenautomatik oder manuellen Modus sowie diverse Motivprogrammen. 256-Zonen-Matrixmessung. Belichtungszeiten 30 s bis 1/4000 sek. Selbstauslöser mit 10 s Vorlaufzeit
  • manuell ausklappbarer Blitz mit ca. Leitzahl 8, zusätzlich Norm-Blitzschuh mit Mittenkontakt
  • Weißabgleich automatisch oder manuell mit diversen Vorwahlen wie Sonne, Wolken, Glühlampenlicht usw.
  • keine Bildstabilisierung
  • Energieversorgung über handelsübliche 4 Mignonzellen (Batterien oder Akkus)

Besonderheiten

Die Kamera hat ein damals durchaus bemerkenswertes Zoom-Objektiv, das KB-äquivalent von 35 bis 210 mm reicht. Allerdings gab es bereits Kameras mit größerem Zoombereich (z. B. die Minolta Dimage 7 mit 28-200-Zoom und manueller Zoomverstellung)

Das Objektiv wird wie bei Kompaktkameras üblich mit einer Zoomwippe elektrisch verstellt, für die manuelle Fokussierung ist ein elektrischer Encoderring um das Objektiv angeordnet. „Der Schriftzug „Super EBC“ auf der Objektiv-Umfassung steht für „Electro Beam Coating“, was auf die Mehrschichtvergütung der Linsen hinweist.

Die Streulichtblende mußte extra erworben werden, für ihre Benutzung ist ein Filteradapterring AR-FX9 erforderlich. Er ermöglicht die Benutzung von 55mm Einschraubfiltern, dem Weitwinkel-Konverter WL-FX9 (für 28mm) und dem Telekonverter TL-FX9 (für maximal 315mm Brennweiten-Äquivalenz).

Die Kamera wurde im Fuji-Kamerawerk in Japan produziert, der recht hohe Verkaufspreis deckte die Herstellkosten im „Heimatland“.

Die Stromversorgung erfolgt mit vier überall erhältlichen Mignonzellen. Akkus oder Alkali-Batterien können verwendet werden. Laut Hersteller reicht ein Satz Batterien für etwa 200 Aufnahmen. Meine Erfahrung ist, daß ein Satz Mignon-Akkus (2000 mAh) nur bei Benutzung des Videosuchers für etwa 200 Aufnahmen reicht, bei Benutzung des Displays sinkt die Zahl deutlich. Aber evtl. ist durch Alterung der Elektronik der „Kriechstrom“ bei meinem Exemplar angestiegen und die Lebensdauer war früher besser.

Die Kamera hat sowohl ein rückseitiges Display als auch einen Videosucher. Beide lösen für den Vorstellzeitpunkt recht fein auf, heutzutage locken die ca. 200.000 Subpixel jedoch „keinen Hund hinterm Ofen hervor“. Eine Schärfenbeurteilung ist kaum möglich, es reicht nur zur Wahl des Bildausschnitts. Beim Videosucher sieht man deutlich, daß man mit einer Lupe auf einen kleinen LCD-Monitor guckt, die „Tunnelwände“ sind klar erkennbar.

Das Medienkonzept ist gewöhnungsbedürftig und erschließt sich ohne Bedienungsanleitung nicht vollständig. Um den Auslöser ist der Hauptschalter mit den Stellungen „Aufnahme“ und „Bildwiedergabe“ sowie „Off“ angeordnet, da er deutlich gerastet ist, schaltet man beim vermeintlichen Zoomen die Kamera nicht jedesmal ungewollt aus.

Es gibt etliche Direkt-Tasten, z. B. für den Makromodus, die Belichtungskorrektur, den Serienbildmodus, die Umschaltung zwischen Monitor und Videosucher, das Fokusfeld usw., aber etliche andere Funktionen erfordern das Drücken einer „Shift“-Taste in Verbindung mit einer weiteren Taste. Netterweise kann man die Stifttaste länger drücken, dann werden die möglichen Kombinationen auf dem Monitor angezeigt.

Weiterhin gibt es ein Modusrad (das Systemmenü verbirgt sich unter dessen Stellung „SET“), ein Daumenrad zur Parameterverstellung. und ein Steuerkreuz mit zentraler OK-Taste.

Der Kameragurt wird an zwei Ösen befestigt, die Finepix S602 Zoom baumelt also nicht wie eine Kompaktkamera am Handgelenk herum, sondern wird bequem um den Hals getragen.

Für die Schnittstellen sind teilweise Spezialkabel erforderlich, so nutzt z. B. die Netzteilbuchse einen übliche Hohlsteckerbuchse, diese liegt aber sehr vertieft, so daß manche Fremdkabel nicht hineinpassen. Die USB-Buchse ist eine Spezialausführung, nur die Videobuchse ist eine übliche Klinkenbuchse.

Als Speichermedium dienen CompactFlash-Karten bis 2 GB oder SmartMedia-Karten bis 128MB. Diese Flash-Speicherkarten hat Toshiba 1996 entwickelt, als einzige Kamerahersteller haben Olympus und Fuji SmartMedia-Karten eingesetzt (und somit auch die vorgestellte Leica). Smart-Media-Karten haben keinen eigenen Speichercontroller, dieser sitzt in der Kamera.

Da bei den SmartMedia-Karten die elektrischen Kontakte recht groß und vor allem ungeschützt sind, ist eine SM-Karte recht anfällig für Verschmutzung der Kontakte und statische Aufladung. Während ersteres sich vom Anwender beheben läßt, kann letzteres die Speicherbausteine in der Karte zerstören. Schon alleine ein Reinigen der Kontakte mit einem ungeeigneten Tuch kann diesen Fehler hervorrufen. Außerdem sind die Karten extrem dünn, ein Verbiegen der Karte kann bereits zur Ablösung der außenliegenden Kontakte von den darunterliegenden Bauteilen führen, die Karte ist dann ebenfalls defekt.

CompactFlash- und Startmedia-Karten können gleichzeitig eingesteckt werden, per Menu wird festgelegt, auf welche Karte die Kamera schreiben soll. Der CF-Slot entspricht der CF-II-Norm, somit passen auch IBM Microdrive oder Adapter SD-auf-CF.

Der Gehäuseblitz klappt nur durch manuelle Betätigung einer Taste aus. Die Blitzbelichtung erfolgt nicht TTL, sondern durch eine klassische Blitzmessung mit eigener Meßzelle. Zusätzlich ist ein Norm-Blitzschuh vorhanden, der allerdings nur mitgezündet wird, eine Blitzbelichtungsmessung erfolgt nicht durch die Kamera, sondern muß vom Blitzgerät selbst durchgeführt werden.

Die Farbmatrix des Sensors ist kein klassisches Bayer-Pattern, sondern es kommt die Fuji-Spezialität „SuperCCD“ zur Anwendung. Näheres zu dieser Technik findet sich in Ralf Jannkes Beitrag zur Fuji Finepix E550. Hier nur kurz: Der Sensor hat 3 Millionen farbempfindliche und 3 Millionen helligkeitsempfindliche Pixel. Sie sind nicht wie allgemein üblich quadratisch und schachbrettartig angeordnet, sondern die sechseckigen Pixel sind wie Bienenwaben angeordnet, d. h. in jeder zweiten Zeile um jeweils eine halbe Zeile versetzt. Daraus interpoliert die Kamera die maximalen 6 Megapixel, allerdings nur bis maximal 400 ASA. Bei 800 und 1600 ASA werden mehrere Pixel zu einem „größeren virtuellen Pixel“ zusammengefaßt, die Bildgröße sinkt dann auf magere 1280x960 Pixel.

Achtung: Nach Anwahl der 800 bzw. 1600 ASA schaltet die Kamera selbsttätig auf die niedrigere Auflösung. Wechselt der Fotograf dann wieder auf 400 ASA oder niedriger, muß er selbst die Auflösung wieder heraufsetzten, weil die Kamera das nicht macht!

Die Kamera schreibt einige interessante Dinge in die MakerNotes der EXIFs, darunter: die gerundete Belichtungszeit, die „krumme“ wahre Belichtungszeit, die wahre Blendenzahl, die Bildqualität, den Status der Belichtungs-, Fokus- und Verwackelungswarnung uvm.

Die UVP der Finepix S602 Zoom betrug ca. 1000 Euro. Ich bekam mein Exemplar Anfang 2020 geschenkt.

Beispielfotos

Alle Aufnahmen entstanden bei 160-200 ASA, gespeichert als JPG bzw. TIFF, bearbeitet mit Photoshop CS6. Bildausschnitt, Helligkeit, Farben, Lichter / Schatten sowie Schärfe wurden bei den TIFF-Aufnahmen korrigiert, bei den JPG-Aufnahmen nicht, die Größe wurde auf 1500 Pixel bikubisch verkleinert. In alle Aufnahmen sind 100%-Ausschnitte vergrößert einmontiert.

Qualitäts- und sonstiger Eindruck

Das Gehäuse der Finepix S602 Zoom ist trotz des hohen Verkaufspreises eigentlich ein preiswertes Einsteigermodell, es besteht komplett aus Kunststoff, nur  das Stativgewinde und die Gurtösen sind aus Metall. Der Handgriff ist teilweise rutschfest überzogen. Die verwendeten Materialen sind jedoch nach über 15 Jahren gut erhalten, der berüchtigte „Gummiauflagenschwund“ oder das „Verkleistern“ aufgespritzter Gummierungen anderer Kamerahersteller ist (zumindest bei meinem Exemplar) bislang nicht aufgetreten.

Die Kamera gehört zur Klasse der „Bridgekameras“, die eine Brücke schlagen sollen zwischen der einfachen Kompaktkamera und der anspruchsvolleren System- bzw. Spiegelreflexkamera. Aufgrund des Alters ist die gesamte Kamera inkl. der Scharfstellung recht behäbig, aber der Autofokus ist bei statischen Motiven dank Hybrid-Technik ziemlich treffgenau.

Das Zoomen ist durch die Zoomwippe leider nicht präzise durchführbar, zumal die Kamera den Tastenbefehlen etwas „nachhinkt“. Oft muß man nach Loslassen einer der beiden Tasten kurz in die Gegenrichtung zurücktippen. Die manuelle Scharfstellung erfolgt motorisch durch einen Encoderring um das Objektiv. Da der Videosucher und der Monitor sehr grobpixelig sind und keine Lupenfunktion bieten, ist man froh, daß eine Schärfenkontrolle der AF-Elektronik eingeblendet wird (besteht aus zwei Pfeilen und einem Bestätigungspunkt).

Die Verzeichnung des Objektivs ist bei 35 mm gering, bei den meisten Bildern dürfte sie nicht stören.

Die Bildqualität ist aufgrund des „Zwergensensors“ und des Superzooms heutzutage nicht als gut zu bezeichnen, bei höheren ASA-Zahlen rauscht es in den TIFFs bzw. die JPEGs der Kamera verlieren durch den Entrausch-Algorithmus deutlich an Zeichnung. Der Super-CCD mit 2x3 Megapixeln kann die 6 Megapixel nur hoch-interpolieren, die kameraintern erzeugten 3-Megapixel-Bilder sind sichtlich schärfer. Test von diversen Fotozeitschriften bescheinigten der Kamera eine Bildqualität, die in etwa den Ergebnissen aus anderen 4-Megapixel-Kameras entsprach, beim Vergleich mit anderen 6-Megapixel-Kameras unterlag sie meistens.

Fazit: eine digitalkamerahistorisch interessante Kamera (weil frühe Super-CCD-Kamera), heutzutage zum ernsthaften Bildermachen mit Beschränkung auf 160-320 ASA und statische Motive durchaus noch geeignet.

Christian Zahn, Frühjahr 2021

Museum für alte Kameras sowie Fotogalerie:
http://www.ChrZahn.de
Dort auch Tipps zum Entwickeln von Farb- und SW-Dias

 

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