Canon Epoca Caption Kurzbericht

Diesmal zeige ich keine digitale Kamera, sondern eine Kamera aus der analogen Film-Ära

Die Canon Epoca Caption ist eine Bridgekamera für Kleinbildfilm, ihr recht ungewöhnliches Design kann sie als Vorläufer der viel später erschienenen Canon PowerShot 70 oder der Canon PowerShot Pro 90 IS gelten lassen!

Vorstellung von Boris Jakubaschk

Praxisbericht Ralf Jannke

Praxisbericht Christian Zahn

Spezifikationen

  • Die März 1992 vorgestellte Canon Epoca Caption ist 100 x 74 x 170 mm groß und wiegt 600 g.
  • Aufnahmemedium Kleinbildfilm in der allgemein üblichen Patrone Typ 135, Bildfenster 24x36mm
  • Das Objektiv ist ein 1:2,8-6,6/35-105 mm 3-fach Zoom.
  • Das Motiv wird über einen Realbildsucher mit Dioptrienkorrektur bestimmt. Per Schieber ist ein Einblick von Oben möglich.
  • Entfernungseinstellung Einzel-Autofokus (AF-S), Ermittlung durch aktiven Infrarot-Autofokus mit Sendediode und Empfänger (5 Infrarot-Strahlen und 3 AF-Punkte)
  • Belichtungssteuerung durch Vollautomatik. Belichtungszeiten 2s bis 1/350 sek., Selbstauslöser mit 10 s Vorlaufzeit, Infrarot-Empfänger für drahtlosen Fernauslöser
  • im Gehäuse integrierter Blitz mit Leitzahl 12-24
  • Energieversorgung durch Lithiumbatterie

Besonderheiten

Die Kamera erschien im Jahr 1992, als Autofokus-Sucherkameras bereits zu Hunderten von verschiedenen Herstellern am Markt vertreten waren. Die Epoca hebt sich aus dem „Einheitsbrei“ dieser Modellflut durch ungewöhnliches Design heraus. Eine zeitgenössische Fotomagazin-Ausgabe sprach von einem Aussehen wie ein Bierkrug, weil die Kamera hochkant betrachtet einem Bierkrug mit Griff und Klappdeckel sehr ähnlich sieht.

Die Formensprache mit langem rundem silberfarbigem Objektivtorso und schwarzem Griff haben viel später die Canon Digitalkameras Powershot Pro 70 und 90IS wieder aufgegriffen, benötigten aber jeweils noch einen angeflanschten Handgriff, um den Akku unterzubringen.

Die Epoca hatte mehrere Namen, als Mittel gegen Grauimporte hieß sie in Japan „Autoboy Jet“, in den USA Photura 135 und in Europa Epoca Caption.

„Autoboy“ hießen in Japan etliche Canon-AF-Sucherkameras, die in Amerika als „Photura“ verkauft wurden. „Epoca“ hieß in Europa nur dieses Modell. „Caption“ ist die Unterscheidung der Version mit Daten-Einbelichtung in das Bild, die Version ohne diese Funktion hieß nur Epoca.

Die Kamera hat drei Gurtösen, um entweder den gezeigten Handgriff oder einen eher üblichen Schultergurt aufnehmen zu können. Alle drei Ösen sind sehr speziell und erfordern für die Montage einen Spezialgurt, die allgemein üblichen Gurte haben viel zu kleine Querschnitte.

Die Kamera verwendet eine damals sehr teure Lithiumbatterie 2CR5 mit 6 Volt, für 4 Mignonzellen war im Gehäuse wohl nicht genug Platz.

Nicht nur das Design der Kamera ist außergewöhnlich, sie hat auch einige damals durchaus pfiffige Details zu bieten:

  • Der Objektivdeckel ist gleichzeitig der Kamera-Hauptschalter, so kann man weder vergessen, die Kamera abzuschalten noch kann man schwarze Bilder machen, weil man den Objektivdeckel nicht geöffnet hatte.
  • Der Deckel ist gleichzeitig der Träger für die Blitzröhre, die so relativ weit von der Objektivachse entfernt ist, was die gefürchteten „rote Augen“ beim Anblitzen von Personen reduziert. Vor der Blitzröhre ist eine zusammen mit der Frontgruppe des Objektivs bewegte Fresnellinse angebracht, so daß sich die Leitzahl beim Zoomen in die Telestellung verdoppelt, um die kleinere Objektivblende bei 105mm Brennweite auszugleichen. Das funktioniert zwar, sieht aber etwas „wild“ aus, weil die Scheibe ohne Abdeckung vor der Blitzröhre sitzt und man den Mechanismus frei einsehen kann.
  • Der Schalter für den Selbstauslöser ist gleichzeitig eine ein- und ausfahrbare Periskop-Optik, das Empfangsfenster muß jeweils in die Richtung des Infrarot-Handsenders gedreht werden, aber so sind Fernauslösungen aus jeder beliebigen Richtung möglich.
  • Der Sucher kann zwischen Einblick von Hinten (mit Dioprienkorrektur-Schieber) auf Einblick von Oben umgeschaltet werden. Allerdings gibt es eine gravierende Einschränkung: Das normale Sucherbild zeigt die Realität bereits verkleinert, aber der umgelenkte Einblick von Oben ist nicht einmal halb so groß wie die Wirklichkeit. Immerhin ist das Sucherbild seitenrichtig und aufrechtstehend zu sehen.
  • Die Filmführung ist nicht gerade, sondern mit einer Umlenkung um 180° versehen, dadurch konnte die Kamera wesentlich schmaler gebaut werden. Außerdem ist auf der Wickelspule der Film vor Lichteinfall weitgehend geschützt, falls der Fotograf die Filmkammer irrtümlich öffnet, bevor der Film in die Patrone zurückgespult wurde.
  • Das Batteriefach ist entweder zugänglich, wenn der Film gewechselt wird oder durch eine weitere Klappe in der Filmklappe auch jederzeit, ohne den Film entnehmen zu müssen.
  • Mit dem Handgriff kann die Kamera dank Daumenstütze und einstellbarer Handschlaufe sehr gut einhändig bedient werden, der Zeigefinger bedient die große Zoomwippe und den Auslöser, die anderen drei Finger ruhen auf der Schräge der Kameraseite. Leider ist das nur für Rechtshänder geeignet, Linkshänder kommen mit dem Konzept leider klar, wenn sie ihre rechte Hand benutzen.

Es gibt aber auch einige negative Punkte, die die Benutzung der Kamera erschweren:

  • Wie erwähnt, ist der Sucher recht klein ausgefallen. Das liegt daran, daß die Kamera entgegen dem ersten Eindruck keine Spiegelreflexkamera ist, man sieht also gar nicht durch das Objektiv, sondern durch einen eigenen Sucher, dessen Frontlinse hinter einem winzigen Loch in der Kamerafront sitzt. Die beiden großen Elemente, die man vorne sieht, dienen der automatischen Scharfstellung mit ausgesendeten Infrarotstrahlen.
  • Weil es keine Spiegelreflexkamera ist, weiß man nicht, worauf die Kamera scharfgestellt hat. Zwar zeigt sie den erfolgreichen Fokusvorgang durch eine grüne LED am Sucher an, aber ob sie das gewünschte Objekt getroffen hat oder etwas dahinterliegendes, weiß man erst, wenn die Bilder vom Entwickeln zurückgekommen sind.

Es gibt eine Taste mit einem Bergsymbol darauf, wird diese gedrückt, stellt die Kamera den Fokus auf Unendlich, das ist nötig, falls ein entferntes Objekt aufgenommen werden soll, das außerhalb der Reichweite der Infrarotstrahlen ist.

  • Die Kamera gibt kompaktkameratypisch keinerlei Informationen über die eingestellte Blende und Belichtungszeit. Lediglich das Aufleuchten der Blitz-LED kann als Verwackelungswarnung herangezogen werden. Immerhin ist ein Stativgewinde vorhanden und der Blitz kann per Tastendruck abgeschaltet werden.
  • Der Batterieverbrauch ist recht hoch, alle Kamerafunktionen inkl. dem Blitz „saugen“ Strom aus 6-Volt-Lithiumbatterie. Und 1992 kosteten diese Batterien pro Stück mehr als 20 DM! Ein teures Vergnügen!
  • Das Gehäuse ist lediglich silber lackierter schwarzer Kunststoff. Er ist extrem kratzempfindlich, jede Benutzung führt eigentlich fast unweigerlich zu Abnutzung.

Die Caption-Version mit der Einbelichtungsmöglichkeit in das Bild kann nicht nur die üblichen Daten in das Bild „einbrennen“, also nicht nur Jahr/Monat/Tag/Uhrzeit, sondern auch einen von fünf englischen Texten, darunter „Thank You“, „Happy Birthday“ oder „I love You“ mit zwei Herzsymbolen. Die einzelnen Buchstaben werden mit einer LED-Zeile während des Filmtransports nach dem Auslösen in das Bild geschrieben, somit wären eigentlich auch andere Sprachen möglich gewesen, aber es war dafür kein Platz im Speicher des kleinen Mikrocontrollers, der die gesamte Kamera steuert.

Die Texte sind wie erwähnt im Bild eingebrannt, sie können nachträglich nicht aus der Aufnahme herausgenommen werden! Man achte darauf, daß die entsprechende Funktion auch wirklich abgeschaltet ist, wenn man sie nicht benötigt.

Die Epoca kostete bei Einführung ca. 650 DM, im Lieferumfang war die Trageschlaufe, eine Batterie, der Infrarot-Fernauslöser und ein Nahset zum Aufstecken auf Blitz und Objektiv. Der Schultergurt und die Bereitschaftstasche mußten extra gekauft werden. Die Kamera war für die gebotene Leistung relativ teuer, hat sich aber wohl doch relativ gut verkauft, weil sie heutzutage kein extrem seltenes Sammlerobjekt ist. Der heutige Gebrauchtpreis liegt je nach Zustand und Lieferumfang bei ca. lediglich 10 bis 30 Euro.

Zur Neupreiseinschätzung:

  • 650 DM entsprechen inflationsbereinigt etwa 525 Euro im Jahre 2021.
  • 1990 kostete eine Nikon F-601 (gehobene Amateur-AF-Spiegelreflexkamera) mit Normalzoom 35-70mm ca. 700 DM.
  • 1990 kostete die Canon EOS 1000 (Einsteiger-AF-Spiegelreflexkamera) mit 35-80 Zoom und kleinem Zusatz-Blitzgerät 748 DM.

Qualitäts- und sonstiger Eindruck

Das Gehäuse der Epoca Caption ist trotz des hohen Verkaufspreises lediglich aus Kunststoff hergestellt. Alles, was metallisch schimmert, ist nur Lackfarbe.

Die Kamera gehört zur Klasse der Bridgekameras, die eine Brücke schlagen sollten zwischen den Sucherkameras und den Spiegelreflexkameras. Sie liegt recht gut in der Hand, die Einhandbedienung ist völlig problemlos möglich.

Fazit: eine digitalkamerahistorisch nicht uninteressante Kamera (weil Vorläufer der oben genannten Canon-PowerShot-Kameras und eigenwilliges Design), heutzutage zum ernsthaften Bildermachen durchaus noch geeignet, weil das Aufzeichnungsmedium Film auch heutzutage noch brauchbar ist. Allerdings müssen die Aufnahmen nach dem Entwickeln digitalisiert werden, um sie bearbeiten zu können.

Christian Zahn

 

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