Canon PowerShot Pro 90IS Kurzbericht

Die Canon PowerShot PowerShot Pro 90IS ist eine frühe digitale Bridgekamera mit optischem Bildstabilisator und recht ungewöhnlichem Design. Boris Jakubaschk hat sie hier auch schon gezeigt, auch Ralf Jannke hat einen Praxisbericht über die Pro 90IS verfasst.

Spezifikationen

  • Die 2001 vorgestellte Canon PowerShot Pro 90IS ist 127 x 84 x 139 mm groß und wiegt ohne Akkus und Speicherkarte 680 g.
  • Der 1/1,8“ CCD-Sensor (7,2 x 5,3mm) mit Pixelpitch 3,4µm löst maximal 1.826 x 1.392 Pixel  = 2,6 Megapixel auf (3,3 Megapixel Rohdaten). Mit der ISO-Automatik oder manuell sind 50 bis 400 ASA einstellbar. Videos sind mit 320x240 Pixeln möglich. Bilder werden als JPEG oder RAW auf CompactFlash-Karten (max. ca. 2 GB) gespeichert.
  • Das Objektiv ist ein 7-70mm/1:2,8-3,5 (37-370 mm @KB) 10-fach Zoom (13 Elemente in 10 Gruppen)
  • Das Motiv wird über einen Videosucher (180.000 Subpixel) mit Dioptrienkorrektur angezeigt, außerdem ist ein dreh- und schwenkbarer 1,8“ TFT LCD Monitor mit 113.000 Subpixeln vorhanden, der auch die Menüsteuerung übernimmt. Zusätzlich gibt es ein LCD-Schulterdisplay für die Restbildanzeige und etliche Kameraeinstellungen.
  • Entfernungseinstellung Einzel-Autofokus (AF-S), kontinuierlicher Autofokus (AF-C) oder manuelle Scharfstellung, Ermittlung durch Kontrasterkennung des Bildsensors,
  • Belichtungssteuerung durch Vollautomatik, Programmautomatik, Zeitautomatik, Blendenautomatik, manuellen Modus sowie diverse Motivprogramme. Mittenbetonte Integralmessung oder Spotmessung. Belichtungszeiten 8s bis 1/1000 sek., Selbstauslöser mit 10 s Vorlaufzeit
  • im Gehäuse integrierter Blitz mit Leitzahl 11, zusätzlich Norm-Blitzschuh mit Canon E-TTL-Zusatzkontakten
  • Weißabgleich automatisch oder manuell mit diversen Vorwahlen wie Sonne, Wolken, Glühlampenlicht usw.
  • optische Bildstabilisierung durch bewegliche Linsenelemente
  • Energieversorgung durch Lithiumakku

Besonderheiten

PowerShot heißen etliche digitale Kameras von Canon. Das „IS“ im Namen weist auf den eingebauten optischen „Image Stabilizer“ hin. „Pro“ bedeutet nicht, daß es eine professionelle Kamera ist, sondern eine sogenannte „Prosumer“-Kamera, die sich an (sehr) engagierte Amateure wendet. Immerhin kostete die Kamera damals weitaus mehr als das durchschnittliche Netto-Monatseinkommen.

Das Design ist damals und heute gewöhnungsbedürftig, statt in Profischwarz kommt das Gehäuse (trotz des Verkaufspreises von 3200 DM nur aus Kunststoff!) in einem dunklem Silberton daher, lediglich der Griffteil ist mit schwarzem gummiartigem Material überzogen (beim gezeigten Exemplar inzwischen entfernt, da im Lauf der Zeit unansehnlich und klebrig geworden). Aber die „inneren Werte“ waren beim Verkaufszeitpunkt teilweise durchaus ansehnlich, wenn auch verglichen zu den Mitbewerbern sehr hochpreisig. Und die Auflösung war eigentlich schon nicht mehr ganz zeitgemäß, die 3-Megapixel-Klasse hatte sich durchgesetzt und die ersten 4-Megapixel-Kameras waren angekündigt.

Das Objektiv ist ein 10-fach Zoom, es reicht von leichtem Weitwinkel 37mm bis zu enormen 370 mm Telebrennweite. Damit Teleaufnahmen verwackelungsfrei gelingen, ist ein abschaltbarer optischer Bildstabilisator durch Verschieben eines beweglich gelagerten Linsenelementes eingebaut. Die gesamte Optikbaugruppe wurde von Canon auch an andere Hersteller verkauft, so basiert die bereits im Jahr 2000 vorgestellte Olympus Camedia C-2100 auf dieser Baugruppe, interessanterweise war deren UVP circa 500 DM günstiger, zum Vorstellzeitpunkt der Canon war sie schon ca. 1000 DM billiger zu kaufen als die PowerShot IS90.

In das Filtergewinde 58mm wird entweder die Streulichtblende eingeschraubt (die der Fotograf extra kaufen mußte, weil sie nicht im Lieferumfang enthalten war) oder ein Weitwinkelkonverter mit Faktor 0,8 (resultierenden 29,6mm Brennweite bei KB, leider mit erheblichen geometrischen Verzerrungen).

Das Objektiv leuchtet nicht die gesamte Sensorfläche des eingebauten 1/8“-Sensors aus, so können von den vorhandenen 3,3 Megapixel Rohdaten nur 2,5 Megapixel genutzt werden. Die Elektronik und der Sensor wurden in weiten Teilen von der digitalen Sucherkamera Canon G1 übernommen (Sensor, Statusdisplay, Schwenkmonitor, uvm.). Da jedoch ein solch enormer Zoomfaktor nicht sinnvoll mit einem optischen Sucher funktioniert, wurde in die 90IS ein elektronischer Videosucher eingebaut.

Die Kamera kann sowohl JPEGS als auch die Sensor-Rohdaten als RAW-Datei ausgeben, weil dieses Datenformal damals noch recht selten war und die damaligen Computer-Betriebssysteme und -Programme mit dem RAW-Format zunächst nichts anfangen konnten, speichert die Kamera zu jedem RAW-Bild auch eine kleine Bildvoransicht als zweite Datei (ein sogenanntes Thumbnail = Daumennagel). Das Abspeichern währt pro Bild je nach Kartengeschwindigkeit sehr lang, es kann durchaus 7-10 Sekunden dauern, bis das nächste Bild aufgenommen werden kann!

Die maximal 320x240 Pixel „großen“ Videos werden nach 30 Sekunden gnadenlos abgebrochen, mehr paßt nicht in den kamerainternen Pufferspeicher.

Die Kamera hat ein CompactFlash-Kartenfach, sowohl Typ I als auch die etwas dickeren Karten vom Typ II können verwendet werden (z. B. Microdrive von IBM oder SD-auf-CF-Adapter). Obwohl Karten damals nur im Megabyte-Bereich verfügbar waren, kann die Kamera auch mit größeren Karten umgehen, bis 2 GB habe ich erfolgreich Karten nutzen können. Im Lieferumfang der Kamera war eine 16-MB-Karte, größere mußten extra gekauft werden.

Die Stromversorgung nutzt den auch in vielen anderen Canon-Kameras eingesetzen Lithiumakku BP-511. Dieser stammt eigentlich aus der Canon-Videoabteilung und wurde für Camcorder entwickelt, aufgrund der recht hohen Kapazität aber in den digitalen Canon-Kameras ebenfalls verwendet wurden.

Ein Zweitakku kostete 2001 stolze 190 DM. Canon lieferte mit der Kamera kein Ladegerät aus, mit dem der Akku außerhalb der Kamera aufgetankt werden konnte, sondern der Ladevorgang erfolgte in der Kamera. Beim Kauf des Zweitakkus mußte dann auch noch ein extra Ladegerät dazugekauft werden.

Immerhin kann mit dem mitgelieferten Netzteil die Kamera stationär für Langzeit-Aufnahmen oder lange Intervallaufnahme-Serien permanent mit Strom versorgt werden.

Der Gehäuseblitz klappt je nach Betriebsart auf Tastendruck oder automatisch aus, das Einklappen muß in jedem Fall von Hand durchgeführt werden. Die Blitzbelichtungsmessung erfolgt TTL mittels Vorblitz. Falls der interne Blitz zu schwach ist, kann in den Norm-Blitzschuh mit E-TTL-Zusatzkontakten ein Aufsteck-Blitzgerät gesteckt werden, diese Kontakte sind kompatibel zu den noch heute verkauften Blitzgeräten der digitalen Spiegelreflexkameras von Canon. Reine Mittenkontaktblitz, die sich an der Kamera nicht „anmelden“, zündet die Kamera leider nicht.

Die Kamera hat relativ viele Tasten und ein recht umfangreiches (und satt rastendes) Modusrad. Unter dem Modusrad ist ein Drehschalter mit vier Stellungen angebracht: Aus, Aufnahme, Wiedergabe und Datenübertragung zum Computer. Für viele Funktionen gibt es einen eigenen Knopf, so daß das Menu nur relativ selten benutzt werden muß. Der Zoom wird nicht wie allgemein üblich mit einem Hebel oder einer Wippe betätigt, sondern mit einem um die Frontlinse herum angebrachtem Ring, der jeweils etwas nach links bzw. nach recht gedreht werden kann und ein Motor die Brennweite des Zooobjektiv elektrisch verstellt. Das ist erst einmal ungewohnt, man gewöhnt sich aber relativ schnell daran. Auch der Bildstabilisator hat einen eigenen Schalter, mit dem er z. B. bei Stativeinsatz abgestellt werden kann.

Das aus heutiger Sicht winzige 1,8“-Display ist nicht hinter einer Kratzschutzscheibe montiert, es ist aber dreh- und schwenkbar montiert, so kann es auch mit der Bildseite zur Kamera gedreht werden und ist somit vor Beschädigungen gut geschützt. Es kann sogar in die damals noch nicht so bezeichnete „Selfie“-Position gedreht werden. Der Videosucher hat eine Dioptrienkorrektur, die Umschaltung zwischen beiden Anzeigearten erfolgt automatisch beim Ausklappen des Displays. Sowohl Display als auch der Videosucher lösen nur relativ grob auf, so daß nur der Bildausschnitt gewählt werden kann, die Beurteilung der Bildschärfe ist leider nicht möglich.

Die Aufnahmemodi sind sehr umfangreich, neben der „Knipser“-Vollautomatik gibt es Programmautomatik, Zeitautomatik, Blendenautomatik, Motivprogramme und sogar einen Modus, in dem Zeit und Blende frei eingestellt werden können, allerdings ohne Belichtungsmessung (keine Lichtwaagen-Anzeige im Display!).

Die Schnittstellen und der eingebaute Lautsprecher sind hinter einer Klappe verborgen, damit der Ton durch diese Klappe dringen kann, hat sie ebenfalls einen Lautsprecher-Durchlass. Alle Schnittstellen erfordern Spezialkabel, da sie keiner Norm entsprechen, sondern mit ganz speziellen Buchsen versehen wurden.

Die PowerShot Pro 90IS speichert einen recht ausführlichen Satz von MakerNotes in den Bild-EXIFs, so wie man es von z. B. der G-Serie oder den digitalen EOS-Spiegelreflexkameras her kennt. Besondere Angaben sind die Bildqualität, sämtliche Bildeinstellungen, Blitzdetails, Staus der Bildstabilisierung, die genutzten Sensorabmessungen in mm, der gemessenen Lichtwert und die Kamera-Firmware. Ob der „Kamerabesitzer“ per Canon-Software verändert werden kann, ist mir nicht bekannt, im Kameramenü kann er nicht eingegeben werden.

Die UVP der PowerShot SX210IS betrug ca. 3200 DM = 1600 Euro Euro. Im Preis enthalten war ein Netzteil, eine Lizenz für Adobe Photoshop LE 5, alle notwendigen Kabel, ein Objektivdeckel, ein Tragegurt, eine 16MB-CF-Karte und ein Infrarot-Fernauslöser.

Ich erhielt mein Exemplar im Frühjahr 2021 vom Betreiber dieser Website geschenkt.

Beispielfotos

Alle Aufnahmen entstanden bei 50 ASA, gespeichert als RAW, gewandelt mit Adobe Camera RAW, bearbeitet mit Photoshop CS6. Die Größe wurde auf 1500 Pixel bikubisch verkleinert. Schärfe, Verzeichnung, Vignettierung, Gradationskurve usw. wurde bearbeitet. In alle Beispiele sind 100%-Ausschnitte einmontiert.

Qualitäts- und sonstiger Eindruck

Das Gehäuse der PowerShot Pro 90 IS ist trotz des enormen Verkaufspreises größtenteils aus Kunststoff hergestellt. Lediglich das Stativgewinde, die Trageösen und einige Zierteile sind aus Metall.

Die Kamera gehört zur Klasse der Prosumer-Bridgekameras. Aus heutiger Sicht ist sie behäbig, das Ein- und Ausschalten, das Fokussieren, das Abspeichern der Fotos und die Bildwiedergabe dauern teilweise sehr lange, auch der Zoomring „hinkt“ den Betätigungen etwas nach.

Der Sensor neigt recht recht stark zum „Ausbrennen“ der hellen Stellen. Kritische Gegenlichtsituationen werden von der Belichtungsautomatik nicht gut gemeistert, man muß oft durch Belichtungskorrekter oder durch AE-Lock und nachträgliches Verschwenden gegensteuern. Bei ISO 50 ist bereits Farbrauschen erkennbar. Bei höheren ASA-Zahlen rauscht der Sensor noch mehr.

Die Objektivfehler werden durch den Kameraprozessor nicht weggerechnet, im Weitwinkelbereich gibt es eine sichtbare Verzeichnung, diese ist aber für den enormen Zoombereich relativ gering.

Die Bildqualität der Kamera ist heutzutage nicht mehr gut zu bezeichnen. 2,5 Megapixel sind heutzutage zu wenig Bildinformation, das Rauschen ist auch bei niedrigen ISO-Zahlen erkennbar und der Kontrastumfang des Sensors ist für heutige Ansprüche viel zu klein.

Fazit: eine digitalkamerahistorisch interessante Kamera (weil früher Bildstabilisator und eigenwilliges Design), heutzutage zum ernsthaften Bildermachen ungeeignet.

Christian Zahn

 

Kommentare (0)

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben