HP Photosmart 612 Kurzbericht

Hier stelle ich eine digitale Kamera vor, die möglicherweise nicht von HP gebaut wurde, sondern nur (mit-)entwickelt und vertrieben. In Deutschland gab es sie bei Aldi zu kaufen. Boris Jakubaschk hat dieses Exemplar hier bereits kurz vorgestellt.

Spezifikationen

  • Die Herbst 2001 vorgestellte Hewlett Packard Photosmart 612 ist 127 x 53 x 69 mm groß und wiegt ohne Akkus und Speicherkarte 227 g.
  • Der 1/2,5“ CCD-Sensor (5,8 x 4,3 mm) mit Pixelpitch 3,3 µm löst maximal 1.792 x 1.200 Pixel  auf (2,31 Megapixel Rohdaten). Die Sensorempfindlichkeit ist mir nicht bekannt (möglicherweise ca. 50 ASA?). Videos sind mit 320x240 Pixeln möglich. Bilder werden als JPEG auf CompactFlash-Karten (max. ca. 256 MB) gespeichert.
  • Das Motiv wird über einen abschaltbaren 1,75“ TFT LCD Monitor mit 61.600 Sub-Pixeln (280x220 Farbtripel) angezeigt, zusätzlich ist ein optischer Sucher vorhanden.
  • Das Objektiv ist ein 1:3,5-5,8/5,8-10,9mm (34-68mm @KB) Zweifachzoom
  • automatische Entfernungseinstellung durch Kontrasterkennung auf dem Bildsensor
  • Belichtungssteuerung Vollautomatik, Belichtungszeiten 1/4 bis 1/500 sek.. Selbstauslöser mit 10 s Vorlaufzeit
  • eingebauter Blitz mit ca. Leitzahl 9
  • Weißabgleich automatisch oder manuell
  • keine Bildstabilisierung
  • Energieversorgung über 4 Mignonzellen

Besonderheiten

Hewlett Packard wurde bereits 1939 in einer Garage im heutigen Silicon Valley in Palo Alto, Kalifornien, USA, gegründet. William Hewlett und David Packard bauten als erstes Produkt einen Tonfrequenzgenerator, zu den ersten Kunden zählte Walt Disney. Später baute HP elektronische Messgeräte, 1972 den ersten wissenschaftlichen Taschenrechner mit umgekehrter polnischer Notation HP35. Diese ist für den Menschen ungewöhnlich (statt „33 + 44 =„ tippt man an einem HP-Taschenrechner „33 (Enter) 44 (Enter) +“ und bekommt sofort das Ergebnis angezeigt.

Von etwa 1997 bis 2007 vertrieb HP auch digitale Kameras, die sie sich zu Anfang von Konica bauen ließen, spätere Modelle scheinen von HP selbst (mit-)entwickelt worden zu sein, aber möglicherweise als Auftragsfertigung von einem anderen Hersteller gebaut worden. So ist z.B. die HP C912 eine Pentax El-2000.

Photosmart hießen alle HP-Digitalkameras, die allererste noch ohne Zahl dahinter, die späteren bekamen auch einen Buchstaben und eine dreistellige Zahl als Typbezeichnung. Die Photosmart 612 wurde in Deutschland beim Discounter ALDI vertrieben, in wie weit die Kamera von HP entwickelt und gebaut wurde oder ob es eine reine OEM-Produktion eines fernöstlichen Auftragsfertiger ist, kann heute nicht mehr ermittelt werden. Später verkaufte ALDI nur noch Digitalkameras der Essener Vertriebsgesellschaft „Medion“, z. B. die hier vorgestellte MD 86240 (Link:https://www.digicammuseum.de/gechichten/erfahrungsberichte/medion-md-86240-c-zahn/).

Die Photosmart 612 ist eine recht einfache Kamera, sie bietet nur sehr wenige Einstellmöglichkeiten und verläßt sich weitgehend auf Automatikfunktionen.

Die Stromversorgung erfolgt mit vier fast überall erhältlichen Migonzellen.

Das Objektiv liegt frei, somit ist keine Streulichtblende erforderlich bzw. möglich, ein mechanischer Objektivschutz ist ebenfalls nicht vorhanden, mit der Kamera wurde ein Gummi-Stülpdeckel geliefert, der von Hand aufgesteckt bzw. abgenommen werde muß und nur allzuleicht verloren wurde.

Das abschaltbare Display ist sehr klein und nicht sehr hochauflösend, es reicht nur zur Bildausschnitts-Wahl, aber nicht zur Schärfebeurteilung. Zusätzlich ist ein optischer Durchsichtsucher vorhanden, der wie allgemein üblich weniger zeigt, als auf den Aufnahmen zu sehen sein wird.

Für die Schnittstellen sind keine Spezialkabel erforderlich.

Als Speichermedium dienen CompactFlash-Karten bis ca. 256 MB. Die Kamera „versteht“ nur das Dateisystem FAT 16, das laut Spezifikation nur bis maximal 2 GB großen Speicherkarten nutzbar ist. In der Praxis werden jedoch Karten mit Kapazität größer als ca. 256 MB ab Werk mit FAT 32 ausgeliefert bzw. von heutigen Computersystemen formatiert, so daß es schwierig geworden ist, passende Speicherkarten zu finden bzw. für die Photosmart vorzubereiten. Es kann helfen, eine nicht funktionierende Karte in der Kamera zu formatieren, danach sollte sie trotzdem am Computer noch lesbar sein, da heutige Kartenleser und Betriebssysteme FAT16 noch lesen und schreiben können sollten, auch wenn sie dieses Dateisystem nicht mehr erzeugen.

Ein kleiner Tipp: Macs können FAT16 nicht mehr über das „Festplattendienstprogramm“ mit Mausunterstützung formatieren, aber im Kommandozeilen-basiertem „Terminal“ dank Unix-Unterbau erzeugen. Das ist allerdings recht komplex, eine Anleitung findet sich z. B. im Apfeltakl-Forum. (Link:https://www.apfeltalk.de/community/threads/cf-am-mac-in-fat16-formatieren.110849/)

Der Gehäuseblitz ist fest eingebaut. Die Blitzbelichtung erfolgt mit ziemlicher Sicherheit nicht TTL, sondern durch eine klassische Blitzmessung mit eigener Meßzelle oder vielleicht völlig ohne Belichtungsmessung mit immer „Vollast“ abfeuernder Blitzleuchte.

Die Kamera schreibt einige interessante Angaben in die EXIFs jedes aufgenommenen Bildes. Allerdings benutzt sie dafür nicht den üblichen „MakerNotes“-Teil, sondern einen Abschnitt „PictureInfo“. Dort finden sich Angaben zu vielen Aufnahmeparametern, darunter die wahre (ungerundete) Belichtungszeit, die wirkliche Blende, viele Parameter des Bildprozessors und Angaben der Fokusentfernung inkl. Ansteuerungswerten des AF-Motors.

Die UVP der Photosmart 612 betrug 598 DM bei Aldi (300 Euro). Die Speicherkarte mußte extra gekauft werden, eine 64MB-Karte kostete 80 DM (40 Euro). Einen passenden Fotodrucker HP P1000 gab es für weitere 359 DM (180 Euro), jeweils 25 Blatt Fotopapier für diesen Drucker kosteten 9,98 DM (5 Euro). Eine komplette Ausrüstung ergab somit eine Kassenquittung von über 1000 DM!

Ich bekam das gezeigte Exemplar 2011 geschenkt und gab es im Zuge einer Tauschaktion 2015 an den Betreiber dieses virtuellen Museums weiter.

Beispielfotos

Alle Aufnahmen entstanden bei 39 ASA, gespeichert als JPEG, bearbeitet mit Photoshop CS4. Die Größe wurde auf 1500 Pixel seitlich beschnitten. Schärfe, Verzeichnung, Vignettierung, Gradationskurve usw. wurde nicht bearbeitet, es sind also fast unveränderte Bilder „Out of the Cam“. Die Belichtungsangaben in den EXIFs scheinen nicht zu stimmen, weder sind Blendenwerte von 45 realistisch noch die Zahl 2,8, die Herstellerteil angegeben wird. Auch die Blende 11, die Photoshop ausgibt, ist möglicherweise falsch, ebenso die angegebene Empfindlichkeit von 39 ASA.

Qualitäts- und sonstiger Eindruck

Das Gehäuse der Photosmart 320 besteht aus billigen Plastikteilen. Alles, was metallisch schimmert, ist lediglich silber lackierter grauer oder schwarzer Kunststoff. Das Objektiv ist ein einfaches Zweifach-Zoom, seine optische Qualität erreicht nicht einmal die für 2 Megapixel benötigte Bildgüte. Um das auszugleichen, überschärft der Bildprozessor die Aufnahmen, was zu Artefakten an Motivdetails führt. Bei schlechten Lichtverhältnissen rauscht der Sensor sehr stark.

Zum Herstellzeitpunkt gab es Kameras, die mit größeren Bildsensoren erheblich bessere 2-Magipixel-Aufnahmen machen konnten, sie waren allerdings meist deutlich teuerer als die HP Photosmart 612.

Fazit: eine digitalkamerahistorisch uninteressante Kamera (weil Dutzendware), heutzutage zum ernsthaften Bildermachen ungeeignet.

Christian Zahn

 

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