HP Photosmart 720
Hier stelle ich eine digitale Kamera vor, die möglicherweise nicht von HP gebaut wurde, sondern nur (mit-)entwickelt und vertrieben. Boris hat diese Modell hier bereits vorgestellt. Ralf Jannke hat den ersten Praxisbericht zur HP 720 bereits 2015/2017 veröffentlicht.
Spezifikationen:
- Die im Sommer 2002 vorgestellte Hewlett Packard Photosmart 720 ist 118 x 75 x 53 mm groß und wiegt mit Akkus und Speicherkarte 345 g.
- Der 1/1,8“ CCD-Sensor (7,2 x 5,3 mm) mit Pixelpitch 3,5 µm löst maximal 2.048 x 1.536 Pixel auf (3,3 Megapixel). Die Sensorempfindlichkeit kann automatisch oder manuell von 100 bis 400 ASA eingestellt werden. Videos sind mit Tonaufzeichnung möglich. Bilder werden als JPEG auf SD-Karten (max. 512 MB) oder den internen 16MB-Flashspeicher gesichert.
- Das Motiv wird über einen abschaltbaren 1,6“ TFT LCD Monitorangezeigt, zusätzlich ist ein optischer Sucher vorhanden. Außerdem ist ein SW-Status-Schulterdisplay eingebaut.
- Das Objektiv ist ein 1:2,6-4,5/7-21mm (34-102mm @KB) Dreifachzoom (7 Elemente)
- automatische Entfernungseinstellung durch Kontrasterkennung auf dem Bildsensor, minimale Distanz im Makromodus 0,2m
- Belichtungssteuerung Vollautomatik, Belichtungszeiten 2 bis 1/1000 sek. Selbstauslöser mit 10 s Vorlaufzeit
- eingebauter Blitz mit ca. Leitzahl 8
- Weißabgleich automatisch oder manuell
- keine Bildstabilisierung
- Energieversorgung über 4 Mignonzellen
Besonderheiten
Von etwa 1997 bis 2007 vertrieb HP digitale Kameras, die sie sich zu Anfang von Konica bauen ließen, spätere Modelle scheinen von HP selbst (mit-)entwickelt worden zu sein, sind aber wahrscheinlich als Auftragsfertigung von einem anderen Hersteller gebaut worden. So ist z.B. die HP C912 eine Pentax El-2000. In wie weit die Photosmart 720 von HP entwickelt und gebaut wurde oder ob es eine reine OEM-Produktion eines fernöstlichen Auftragsfertiger ist, kann heute nicht mehr ermittelt werden. Die Kamera ist „made in China“.
Photosmart hießen alle HP-Digitalkameras, die allererste noch ohne Zahl dahinter, die späteren bekamen auch einen Buchstaben und eine dreistellige Zahl als Typbezeichnung.
Die Photosmart 720 ist eine recht einfach ausgestattete Kamera, sie bietet nur sehr wenige Einstellmöglichkeiten und verläßt sich größtenteils auf Automatikfunktionen. Der Benutzer kann lediglich die Kompression der Aufnahmen in drei Stufen einstellen sowie den Selbstauslöser und die Blitzzuschaltung umschalten sowie eine Belichtungskorrektur verstellen und die Empfindlichkeit automatisch wählen lassen oder manuell von 100 bis 400 ASA vorgeben.
Auf der Oberseite ist ein SW-LCD-Display eingebaut, auf ihm werden die wenigen verstellbaren Bildparameter angezeigt sowie die verbleibenden möglichen Aufnahmen auf der Speicherkarte.
Zur Motivsuche dient entweder der sehr dunkle und grob gerasterte Monitor, der keine Schärfenbeurteilung zuläßt oder ein Durchsichtsucher, der wie üblich weniger anzeigt, als auf den Bildern aufgenommen wird, weil er aufgrund der Parallaxe zwischen Objektiv und Sucheraustritt auf der Kameravorderseite das Bild nicht genau anzeigen kann.
Das Kameramenü ist sehr aufgeräumt, die Speicherkarte kann formatiert werden, Datum und Uhrzeit kann eingestellt werden sowie der USB-Modus festgelegt werden. Bildaufnahmeparameter-Einstellungen gibt es im Menu nur sehr wenige.
Für die anderen Einstellmöglichkeiten hat die Kamera jeweils eine eigene Taste (Blitz, Selbstauslöser, Bildqualität). Außerdem sind noch eine Zoomwippe, eine Displaytaste, eine aus „Vor, Zurück, OK“ bestehende Verstellgruppe und eine Taste zur Bildanzeige vorhanden.
Für die Aufzeichnung von Videos ist eine eigene Taste neben dem Auslöse eingebaut, gegen versehentliche Betätigung ist sie etwas versenkt montiert. Die photosmart 720 dürfte eine der ersten digitalen Kompaktkameras mit einer dedizierten Start-Stopp-Taste für Filmaufzeichnungen gewesen sein, allgemein üblich wurde eine solche Taste erst viel später. Die kurzen Videosequenzen sind nicht stumm, sondern werden dank eines eingebauten Mikrofons mit Ton aufgenommen.
Die Stromversorgung erfolgt mit vier fast überall erhältlichen Migonzellen. Wie bei vielen Kameras der damaligen Zeit, die Rundzellen benutzen, sind die Haltenasen der Batteriefachklappe zu klein dimensioniert. Da im Laufe der Jahre durch Alterung der Kunststoff spröder wird, brechen sie unter dem Druck der Batterieandruckfedern. Darum der bei solchen Kameras übliche Rat, das Batteriefach durch Unterschrauben einer Blitzschiene zu entlasten oder mit Panzertape zuzukleben.
Das Objektiv fährt im ausgeschalteten Zustand komplett ein, der Objektivschutz besteht aus zwei automatisch geöffneten und geschlossenen Lamellen.
Für die Schnittstellen sind teilweise Spezialkabel erforderlich. Video und Stromversorgung benutzen übliche Standard-Buchsen, USB ist eine HP-Spezialbuchse.
An der Unterseite ist ein (möglicherweise immer offenliegender, möglicherweise durch einen inzwischen verschwundenen Gummideckel geschlossener gewesener) Anschluß für eine Dockingstation angebracht. Diese hat sowohl einen Stromanschluß, ein Stativgewinde (eventuell um die Kamera als Webcam zu verwenden) und zwei USB-Buchsen (in üblicher Ausführung für Normkabel). Ist die Kamera in der Dockingstation eingesteckt, können die Akkus in der Kamera aufgeladen werden. Die beiden USB-Buchsen der Dockingstation dienen zum Anschluß der Kamera an einen Drucker oder einen Computer, es ist jeweils immer nur eine Buchse nutzbar, die jeweils andere wird auch einen Schober verschlossen.
Als Speichermedium verwendet die photosmart 720 SD-Karten bis maximal 512MB. Sowohl die älteren MMC-Karten als auch SD-Karten mit Kapazität 1 bzw. 2 GB passen zwar mechanisch in den Kartenschacht, werden aber von der Kamera nicht erkannt. Die Vorgängerkamera photosmart 715 aus dem Jahr 2001 nutzte die wesentlich größeren CompactFlash-Karten.
Der Gehäuseblitz ist fest eingebaut. Die Blitzbelichtung erfolgt mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht TTL durch das Objektiv, sondern mittels einer klassischen Blitzmessung mit eigener Meßzelle.
Die Kamera schreibt keine Angaben in die MakerNotes der EXIFs jedes aufgenommenen Bildes. An den genormten Stellen der EXIFs finden sich nur wenige Angaben zu den Aufnahmeparametern, darunter die wahre (ungerundete) Belichtungszeit. Die Firmware scheint aus der zeitgleich erschienen photosmart 320 abgeleitet zu sein, die photosmart 720 schreibt in jede Aufnahme eine völlig falsche und immer gleichbleibende Brennweite 5mm. Somit mußte ich die Angaben in den Fotos aus meiner Erinnerung bzw. dem Motiv ermitteln, ebenso ist die Angabe der Blende nur erraten, auf die Angaben im Bild konnte ich mich nicht verlassen. Lediglich die Belichtungszeit in den Bildinformationen scheint glaubhaft.
Die UVP der Photosmart 720 betrug etwa 400 Euro. Das war 2002 relativ teuer für eine einfache Digitalkamera mit 3 Megapixeln, ich kaufte damals z. B. eine wesentlich besser ausgestattete Olympus Camedia C40 mit 4 Megapixeln für etwa 550 Euro.
Ich bekam das gezeigte Exemplar 2024 vom Editor dieser Zeilen geschenkt, der Zeitwert liegt bei ca. 1 bis 5 Euro. Mein Exemplar hat sicherlich nur wenige Aufnahmen „auf dem Zähler“, der Zustand ist praktisch ladenneu, der Vorbesitzer hat nicht einmal den Werbeaufkleber entfernt bzw. ihn lediglich von der Vorderseite auf die Seite umgeklebt.
Beispielfotos
Alle Beispielaufnahmen entstanden bei 100 ASA, gespeichert als JPEG, bearbeitet mit Photoshop CS4. Die Größe wurde auf 1500 Pixel bikubisch heruntergerechnet. Schärfe, Verzeichnung, Vignettierung, Gradationskurve usw. wurde nicht bearbeitet, es sind also fast unveränderte Bilder „Out of the Cam“. Ein 100%-Bildausschnitt ist in jedes Bildbeispiel einmontiert.
Qualitäts- und sonstiger Eindruck
Das Gehäuse der Photosmart 720 besteht aus Plastikteilen, macht aber einen recht wertigen Eindruck und sieht ziemlich „gelungen“ aus, das Design wirkt auch nach 20 Jahren nicht langweilig. Alles, was metallisch schimmert, ist lediglich silber lackierter grauer, weißer oder schwarzer Kunststoff. Viele Teile sind gummiartig „beledert“, das verwendete Material ist langzeitstabil, auch nach über 20 Jahren „klebt“ nichts, wie bei vielen anderen Kameras, deren TPU-Beschichtung sich nach Jahrzehnten zersetzt und unansehnlich wird. Dank der Beschichtung liegt die Kamera gut in der Hand, man hat nicht wie bei anderen Modellen mit glatter Oberfläche das Gefühl, die „Knipse“ rutsche gleich aus der Hand.
Das Objektiv ist ein Dreifach-Zoom, seine optische Qualität erreicht die für die 3,3 Megapixel benötigte Bildgüte. Der Sensor ist etwas größer als bei Kompaktkameras üblich, trotzdem sieht man z. B. in den Himmelsstellen leichtes Farbrauschen. Der Sensor „brennt“ nur relativ wenig aus, allerdings ist der Kontrastumfang aufgrund des Sensordesigns von 2002 erheblich geringer als bei aktuellen Kameras, im Vergleich zum Marktumfeld von damals schlägt er sich aber relativ gut.
Die Verzeichnung des Objektivs ist sehr gering, die nur leicht tonnenförmige Wölbung bei 34mm fällt in der Praxis kaum auf.
Fazit: eine digitalkamerahistorisch nicht uninteressante Kamera (weil ansprechendes Design), heutzutage zum ernsthaften Bildermachen aufgrund der geringen Auflösung und des geringen Kontrastumfangs ungeeignet.
Christian Zahn, Juni 2024
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Autor: | Christian Zahn |
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Erstellt: | 26.06.2024 |
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