Canon EOS 50D Pentacon Prakticar 29mm
In diesem Erfahrungsbericht geht es um ein etwa 40 Jahre altes Manuellfokusobjektive adaptiert an die digitale Spiegelreflexkamera mit 15 Megapixeln, die Canon EOS 50D.
Das universelle M42-Objektivgewinde wurde im Lauf der Jahrzehnte von etlichen Kamera- und Objektivherstellern verwendet, bis es durch Objektivbajonette verdrängt wurde. Entwickelt wurde es 1938 von Carl Zeiss als Nachfolger für das Leica-M39-Gewinde, um ein größeres Auflagemaß und einen größeren Licht-Durchlass zu ermöglichen. Die ersten Kameras mit diesem Gewinde waren 1946 die Contax S (später aus markenrechtlichen Gründen als Pentacon F bezeichnet), 1949 die Praktica und ca. 1953/54 die Wirgin Edixa Reflex.
Die meisten Kamerahersteller wandten sich im Lauf der Zeit vom M42-Gewinde ab und entwickelten Objektivbajonette, die allerdings nicht herstellerübergreifend nutzbar waren. Darum sind die meisten M42-Objektive älteren Typs, die letzten neuen Objektive stellte Cosina 2003 bis 2007 für die Bessaflex TM her, ca. 20 Jahre, nachdem M42 allgemein ausgelaufen war.
Benutzung der Canon EOS 50D mit manuell zu fokussierenden alten M42-Objektiven
Die Kamera unterstützt die Verwendung von alten Manuellfokusobjektiven fast überhaupt nicht. Setzt man ein Objektiv ohne CPU an, kann der Verschluss ausgelöst und die Belichtung gemessen werden (die Kamera schaltet dabei automatisch von Programmautomatik auf Zeitautomatik um), aber eine Unterstützung der Fokussierung durch Aufleuchten der AF-Punkte im Sucher gibt es nicht. Da die superhelle Mattscheibe aufgrund des Cropfaktors von 1,6 gegenüber Kleinbild auch noch sehr klein ist, kann mit ihr nicht sicher manuell fokussiert werden.
Die Zubehörindustrie hat das Problem erkannt und recht schnell eine Lösung gefunden: Ab etwa 2005 gab es Adapter zu kaufen, in die ein kleiner Mikrocontroller eingebaut wurde, dieser „Fake-Chip“ gaukelt der Kamera das Vorhandensein eines AF-Objektivs vor, das auf manuellen Fokus gestellt ist. Meist wird ein 1,4/50mm - Objektiv simuliert, diese Daten stehen dann auch in den EXIFs. Je nach Chiphersteller wird die Blende auch als nicht veränderbar emuliert, so daß die Kamera auch in Programmautomatik nicht abblenden möchte.
Mein handwerklich und elektrisch sehr gut gefertigter Adapter hat das exakte Maß zum Ausgleich des Auflagemaßes zwischen M42 und Canon EOS, somit bleibt die Unendlichkeitseinstellung der Objektive korrekt am entsprechenden Anschlag des Entfernungseinstellrings erhalten. Deshalb muß für die Motive bei Unendlich nicht fokussiert werden, sondern das Objektiv nur an den Anschlag gedreht werden.
Im Gegensatz zu spiegellosen Systemkameras ist es aber notwendig, das Objektiv bei fast jedem Fokusvorgang auf Offenblende zu stellen, da abgeblendet nicht nur der Sucher abdunkelt, sondern auch der AF-Sensor der Kamera zu wenig Licht für korrekte Funktion erhält. Bei eingestellter Blende bis 5,6 zeigt die EOS 50D die AF-Bestätigung an, allerdings zuverlässig nur beim hochempfindlichen zentralen AF-Sensor, alle anderen Sensoren sind unempfindlicher und erfordern das Öffnen der Blende für die AF-Kontrolle.
Die Fokuskontrolle im Sucher der 50D erfolgt durch zwei Hilfsmittel: zum einen leuchtet der aktive AF-Punkt auf der Mattscheibe beim Erreichen des Schärfenpunkts kurz auf, zum zweiten leuchtet die AF-Bestätigungs-Leuchte im Datenfeld unterhalb des Suchers dauerhaft auf. Allerdings haben beide Anzeigen eine gewisse Hysterese, d. h., sie leuchten nicht nur beim Erreichen der exakten Schärfenebene, sondern auch ein wenig davor und dahinter. Ähnlich wie bei alten Digitalkameras mit langsamem Kontrast-AF dreht der Fotograf dann am Entfernungsring des Objektivs mehrfach vor und zurück, bis er die Stelle in der Mitte der Fokuszone gefunden hat. Sicherheitshalber sollte dann auf mindestens 5,6 abgeblendet werden.
Außerdem bietet die 50D Live-View, so daß direkt auf dem Sensor scharfgestellt werden kann. Es gibt aber leider kein „Fokus-Peaking“, also das Hervorheben von scharfen Motivkanten in einer Farbe, wie es heutzutage fast alle spiegellosen Systemkameras können, dafür ist die Canon leider zu alt. Somit kann der Live-View nur auf einem Stativ sinnvoll eingesetzt werden, da man recht lange benötigt, bis die korrekte Schärfe eingestellt ist.
Pentacon auto 2,8/29 Multi Coating
Das Objektiv wurde von 1976 bis 1990 gebaut, die Gravur lautet „German Democratic Republic“. Vertrieben wurde es vom Kombinat VEB Pentacon Dresden, hergestellt wurde es möglicherweise im ehemaligen Meyer-Optikwerk Görlitz. „Auto“ steht für die automatische Springblendenfunktion, alle Linsen sind mehrschichtvergütet, es hat 7 Elemente in 7 Gruppen. Es ist leicht verbessertes Meyer Orestogon 29mm von 1963, statt einfacher Vergütung hat es eine stark bildverbessernde Mehrschichtvergütung bekommen, der weitere optische Aufbau blieb unverändert.
Die Brennweite 29mm erscheint „krumm“, da üblicherweise 28mm-Objektive verkauft wurden und werden. Aber oftmals haben diese Objektive gar keine wahren 28mm, sondern sie weichen mehr oder minder stark von der Nennbrennweite ab.
Neben der gezeigten normalen Version existiert auch eine Variante für die elektrische Übertragung der Blendenringposition an die Kamera, diese Exemplare tragen zusätzlich das Wort „Electric“ in der Gravur und haben drei gefederte Kontaktstifte im Bajonett. Optisch sind sie gleichwertig.
Der geriffelte Entfernungsring läuft inzwischen etwas schwergängig, vermutlich aufgrund der Schmiermittelalterung. Der Einstellweg ist mit etwa 90° recht kurz. Die Naheinstellgrenze ist mit 0,25 Metern erfreulich kurz. Die Blende rastet halbstufig, es sind nur 5 Lamellen eingebaut, die sehr grob gefertigt aussehen, da sie gerade statt gerundete Kanten haben. Die Blendenansteuerung kann zwischen automatischer Springblendenbetätigung durch die Kamera und dauerhaft geschlossener Blende umgeschaltet werden. Die Streulichtblende wird in das nicht mitdrehende Filtergewinde 55mm eingeschraubt.
Das Objektiv hat einen Durchmesser von 63 mm, eine Baulänge ab Bajonett von 45 mm und wiegt 205 Gramm. Beim Fokussieren auf die Nahgrenze wird es ca. 5 mm langer.
Das gesamte Objektiv macht einen relativ wertigen Eindruck, es ist vollständig aus Metall hergestellt. An der Entfernungs-Skala sind sowohl Tiefenschärfemarkierungen als auch ein Index für die Infrarotfotografie vorhanden. Die Blendenbetätigung kann zwischen „A“ automatischer Springblende oder „M“ dauerhaft geschlossener Blende umgeschaltet werden.
Das Objektiv verzeichnet relativ deutlich, bei den meisten Motiven dürfte es jedoch nicht stören.
Das Objektiv ist am 1,6-Crop-Sensor der 50D und Offenblende vor allem in den Ecken unscharf, Abblenden auf 5,6-8 steigert die Schärfe der Bildmitte, danach kommt es bereits zu Beugungseffekten. Die bei Offenblende vorhandenen chromatischen Aberrationen verschwinden ab ca. Blende 5,6 größtenteils, sie lassen sich im RAW-Konverter gut eliminieren (in den Beispielen sind sie bereits entfernt). In einem Test der Zeitschrift „Fotomagazin“ wurde dem Objektiv 1992 beschieden, eine „nicht mehr ganz frische Konstruktion“ zu sein und eine Abbildungsleistung „nicht so ganz auf der Höhe der Zeit“. Möglicherweise ist auch die Serienstreuung recht hoch, da die Montage der sieben einzelnen Linsen hohe Präzision erforderte und die Fertigung ab Mitte der 1980er Jahre teilweise nicht mehr im Werk Görlitz, sondern kostengünstiger in Rumänien bei IOR Bukarest erfolgte.
Das Objektiv kostete 1994 laut einer Anzeige in der damaligen Fotopresse etwa 130 DM und ist heutzutage teilweise nicht mehr preiswert zu bekommen, je nach Zustand und Lieferumfang liegt es zwischen 20 und 80 Euro.
Alle Aufnahmen entstanden freihand bei ISO-Automatik, Zeitautomatik und bei Blende 5,6, gespeichert als CR2, gewandelt mit Adobe Camera RAW und bearbeitet mit Photoshop CS6. Bildausschnitt, Helligkeit, Farben, chromatische Aberrationen, Lichter / Schatten sowie Schärfe wurden korrigiert, die Größe wurde auf 1500 Pixel bikubisch verkleinert. In alle Aufnahmen sind 100%-Ausschnitte vergrößert einmontiert.
Fazit
Das 29er Pentacon hatte ich bereits am Vollformatsensor der Nikon Z5 getestet, es überzeugte mich in den Bildecken nicht. Ich hatte die Hoffnung, daß am recht kleinen Sensor der 50D die Bildecken besser abschneiden würden, leider ist dem nicht so. Darum werde ich das Objektiv nur noch auf SW-Film an M42-Kameras benutzen, jedoch auf mindestens 8 abgeblendet, auf Film sind dann die Bildeckenprobleme dieses Objektivs wesentlich weniger ausgeprägt. Einen Versuch mit der mFT-Kamera Olympus Pen F (mit noch kleinerem Sensor) könnte ich noch machen, aber dann wird aus dem 29mm-Weitwinkel ein „zahmes“ Normalobjektiv mit 58mm äquivalentem Bildwinkel.
Christian Zahn
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Autor: | Christian Zahn |
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Erstellt: | 30.01.2023 |
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