Analoge Fotografie 2023, speziell Mittelformat (Rollfilm)

In einem Museum für die Geschichte der Digitalkamera? Na klar, denn bei allem Analog geht es am Ende eben doch nicht ohne Digital, wenn man seine Fotos im Internet zeigen will. Und dann wird es sogar geschichtsträchtig, wenn zur Digitalisierung ein 20 Jahre alter Rechner benötigt wird …

Der Reihe nach

Nach dem für mich wettermäßig überraschend guten Sommer war klar, dass ich mich mit Kleinbildkameras nur noch insofern abgebe, wenn es ein geschichtlich interessantes Gerät ist, wie beispielsweise eine RICOH SINGLEX. Ausgestattet mit Nikon F-Bajonett und der ungleiche Zwilling der NIKKOREX F.

Womit ich mich NICHT mehr befassen werde, das ist die Fotografie auf Kleinbildfilm. Auch wenn ich SW-Negativfilm problemlos selbst verarbeiten und digitalisieren kann. Es lohnt sich (für mich) einfach nicht – auch von den mittlerweile unverschämt gewordenen Filmkosten.

Zwei Beispiele von zahlreichen Praxisberichten zum Thema analoge Kleinbildfotografie hier im Museum

Digital ist da einfach um Lichtjahre davongezogen. Was die KB-Fotografie betrifft, gilt das natürlich nur für die Kameras. Denn die Objektive der zahlreichen Hersteller haben durch die problemlosen Adaptionsmöglichkeiten auf moderne, spiegellose Systemkameras – DSLMs – ein zweites Leben bekommen. Hier leicht nachzulesen, was Christian Zahn und ich in den letzten Jahren an spannenden wie erstklassigen Objektiven für Kleinbildkameras auf unterschiedlichste DSLMs adaptiert haben.

Eine ganz andere Klasse ist die ehemalige Königsklasse der „beweglichen“ Fotografie mit so genannten Mittelformatkameras

Die im Unterschied zum 35 mm breiten Kleinbildfilm mit 6 cm breitem Rollfilm geladen werden, um darauf je nach Kamera 4,5x6, 6x6, 6x7, 6x8 oder 6x9 cm Filmfläche zu belichten. „Beweglich“, weil diese Mittelformatkameras anders als noch größere Kameras, die Formate von 9x12, 10x15 und mehr Zentimeter belichten, mobil bleiben. Die ganz großen Formate/Kameras wurden überwiegend vom Stativ aus eingesetzt. Zum Beispiel im Studio.

Mittelformat

Ich habe diesen Sommer von der primitiven 6x9 cm Boxkamera, über eine bessere 6x9 cm Balgenklappkamera bis hin zur zweiäugigen 6x6 cm Spiegelreflexkamera reichlich SW-Rollfilm belichtet, selbst entwickelt und digitalisiert. Es ist der Charakter, Charme, Stil der uralten Rollfilmkameras, der mich fasziniert! Meine Voigtländer Bessa ist fast 100 Jahre alt! Dazu liegen die festen Brennweiten der eingesetzten Rollfilm-Kameras immer im Bereich des "langweiligen" 50 mm Normalobjektivs fürs Kleinbildformat! Langweilig? Kein bisschen! Das zwingt zum genauen Hinsehen und Einsatz des "Turnschuh-Zooms" mit der eben nur einen, festen Brennweite. Kein 10 Bilder-pro-Sekunde-Ratatatat wie mit der Digitalkamera, nach 12 bis 8 Fotos ist der Mittelformat-Rollfilm voll. Kein Autofokus, keine Belichtungsmessung/-automatik, totale Entschleunigung! Nachzulesen in: „PictoScanner 6x6, Update Sommer 2023“

Qualität?

Die alte Analogtechnik hat selbst mit ihrer 6x9 cm Filmfläche und qualitativ besserer Scannertechnik meiner Meinung keine Chance gegen Digital. Mag sein, dass ein Trommelscanner im 5-stelligen Eurobereich ein Spitzenergebnis digitalisieren würde. Aber darum geht es ja gar nicht! Ich wiederhole gerne nochmal: Charakter, Stil, Spaß, Entschleunigung!

Aber wissen wollte ich schon, was denn mit bezahlbaren oder meinen vorhandenen Bordmitteln zur Digitalisierung der Rollfilme geht. Der PictoScanner 6x6 wurde mehrfach gewürdigt. Da er auf das quadratische 6x6 cm Format beschränkt ist, habe ich noch einen Blick auf die lange vorhandene Möglichkeit „pixl-latr“ geworfen.

„Pixl-latr“?

Das steht etwa für „(FILM NOW) PIXL(E)-LAT(E)R“, etwa: „Fotografier jetzt auf Film, pixele (digitalisiere) später“. Farb- wie SW-Negative bis 4x5 Inch Planfilm-Größe werden in den „pixl-latr“ montiert und einfach mit der Digitalkamera oder dem Smartphone abfotografiert. Nachzulesen im Beitrag: „pixl-latr: Digitalisierung von Rollfilmen, Erst- und Schnelltest Sommer 2023“

Aber geht qualitativ noch mehr?

Ja, und das ist der Gegenstand dieses Beitrags. Denn neben dem PictoScanner 6x6 aus Pappe und der pfiffigen pixl-latr Digitalisierungsmöglichkeit, kann ich doch noch auf den lange nicht mehr benutzten CanoScan 9950F Flachbett-Scanner mit Durchlichteinheit für Kleinbild-. Mittelformat- und große Planfilme zurückgreifen. Mehr dazu weiter unten.

Vergleich PictoScanner 6x6 gegen Digitalisierung mit dem CanoScan 9950F

Erste Reihe: PictoScanner 6x6 von links nach rechts: 3.000 x 3.000, 2.400 x 2.400, 1.800 x 1.800 Pixel

Zweite Reihe: Scans mit dem CanoScan 9950F: 3.000 x 3.000, 2.400 x 2.400, 1.800 x 1.800 Pixel

Sobald auf die Fotos geklickt wird, das sie 1:1 angezeigt werden, ist der Vorsprung des CanoScan 9950F unübersehbar. Unübersehbar sind aber auch die so genannten Newtonschen oder kurz Newton-Ringe. Ich merke, wie lange ich nicht mehr mit dem CanoScan 9950F digitalisiert habe. Vergessenes Problem: Laut Beschreibung/Anzeige sollen die Filmvorlagen mit der so genannten und vergleichsweise rauhen Schichtseite nach oben eingelegt werden. Ein Fehler. Denn durch diese Montage berühren sich die glatte Filmoberfläche und die Glasfläche des Sanners. Dabei kommt es zu den extrem störenden Newtonschen oder Newtonringen. Da es mir in diesem Fall um die reine Scan-Qualität ging, habe ich das Ganze nicht wiederholt. Weiß aber beim nächsten Mal, dass der Film "falsch" herum eingelegt werden muss … Dann ist zwar alles seitenverkehrt, aber das Spiegeln ist für Photoshop kein Problem!

Zweites Beispiel mit gleichem Ergebnis – obere Reihe PictoScanner 6x6, zweite Reihe CanoScan 9950F

Ich habe der Staubvermeidung auch keine große Bedeutung geschenkt. Heißt Reinigung der Scanner-Glasscheibe und Abblasen der Negative musste reichen. Die vom CanoScan 9950F angebotene Staub- und Kratzerentfernung funktioniert nur bei der Digitalisierung von Color-Negativfilmen. Ob sich das System überlisten lässt habe ich (noch) nicht probiert. Sprich den SW-Film einfach zum Colorfilm zu deklarieren ;-)

Weitere Vergleiche PictoScanner 6x6 gegen CanoScan 9950F

Obere Reihe PictoScanner 6x6, zweite Reihe CanoScan 9950F

Wenn sich jemand über die unterschiedliche Darstellung wundert

In den Ferien hatte ich meinem Spieltrieb freien Lauf gelassen, um die SW-Fotos per Tonung und ggf. "Rahmung" künstlich zu altern ;-) Auch sind die Kontraste unterschiedlich, was über Photoshop ja weitgehend steuerbar ist.

Auch wenn das Verfahren Flachbettscanner plus Durchlichteinheit nicht an die Qualität eines echten Filmscanners rankommt, er bringt auf jeden Fall mehr Qualität als mein Pappscanner und der pixl-latr-Filmhalter/-positionierer. Im Praxisbericht "pixl-latr: Digitalisierung von Rollfilmen, Erst- und Schnelltest Sommer 2023" wurde er bereits erwähnt, mein CanoScan 9950F, den ich fast abgeschrieben hätte.

Denn es gibt keine aktuellen Canon Mac OX-Treiber mehr, und auch die Universal Scan-Software VueScan versagt am CanoScan 9950F. Was sehr schade ist, denn der 9950F digitalisiert(e) eben nicht nur Fotovorlagen, sondern per Durchlichtaufsatz von Kleinbild- über Mittelformat- bis hin zu Großformatfilmen alles. Er kommt durch das Verfahren (Durchlicht) zwar nicht an echte Filmscanner ran, die enden aber gewöhnlich beim 24 x 36 mm Kleinbildformat. Sobald 6x6, 6x9 gewünscht ist, wird es teuer! Der Filmscanner Plustek Optik Film 120 lag bei Größenordnung 2000 Euro Neupreis. Denn er ist seit 2019 nicht mehr im Programm. In diesem Fall bleibt nur der Griff zum Epson Perfection V600 Photo, der bei ca. 350 Euro liegt. Der bessere Epson Perfection V850 Pro liegt bei ca. 1000 Euro Neupreis. Übrigens auch Flachbettscanner mit Durchlichtaufsatz für Filme.

Was Scanner angeht, muss unbedingt die Internetseite ScanDig genannt werden. Ein riesiges Füllhorn an Informationen zu allem, was mit Scannen zu tun hat!

Also nehmen was da ist und quasi nichts mehr kostet – den CanoScan 9950F …

Mal "eben" einen älteren Scanner installieren ;-) Auf 20 Jahre alter Apple Mac-Technik

Die siehen doch gut aus, die Screenshots

Aber bis dahin war ein steiniger Weg. Seit Anfang August weiß ich, warum ich es nie übers Herz gebracht habe meinen 20 Euro eMac – nicht iMac! – aus dem Sozialkaufhaus zu entsorgen! Denn dieses Monstrum mit Röhrenmonitor wiegt an die 20 Kilogramm. Den hatte ich vor langer Zeit neu aufgesetzt. Und gleich Photoshop 7 installiert. Einfach so … Mit Mac OS 10.4. Die eMac Festplatte hat eine Größe von 32 Gigabyte …

Und für Mac OS 10.4 gibt es noch den Canon Treiber. Und erfreulicherweise erkennt der 9950F automatisch 6x6 oder 6x9 und scannt im Batchverfahren. Denn das Digitalisieren dauert Ewigkeiten. Ich habe es bei 2.400 dpi Scanauflösung bewenden lassen. Es sind auch 4.800 dpi möglich, die aber laut Theorie nur das Filmkorn stärker akzentuieren, aber keine weiteren Details aus dem Negativ holen. Und noch länger dauern würden. Auch wenn man dabei den Scanner über Nacht arbeiten lassen kann ;-)

Bei der Gelegenheit: Der Versuch den Scanner über die etwas schnellere Firewire-Schnittstelle am eMac und Scanner laufen zu lassen, funktionierte nicht. Ob es am Kabel lag? Ich habe das nicht weiter verfolgt. Und gleich noch gegoogelt, wie sich die Glasscheibe des CanoScan 9950F gefahrlos ausbauen und reinigen lässt – VON INNEN! Denn da fand ich ein merkwürdiges Gebilde, das der Entfernung bedurfte.

Hier ist ausführlich beschrieben, wie man die Glasscheibe zur Rinigung entfernt: "How to remove the glass from a Canon 9950F scanner for cleaning" – "Wie man das Glas vom Canon 9950F zur Reinigung entfernt"

Was fehlt jetzt noch?

Vier Scans mit absichtlich verkehrt montiertem Film, 4.800 dpi Scanauflösung und der Vorgabe Color-Negativfilm zur Staub-/Kratzerentfernung. Die 4.800 dpi sind illusorisch, würde die Digitalisierung von sechs 6x6 Negativen dann mehrere Stunden dauern. Eine Nacht reicht dafür vermutlich nicht aus. Abgesehen davon werden 300 Megabyte Monster-Dateien erzeugt, was sicher auch an der Farbtiefe 24 bit liegt. Bei 8 bit Graustufen wären die Dateien kleiner. Dennoch wollte ich das Maximum zeigen.Die Canon-Software war aber nicht dazu zu bewegen, in 16 bit Grautiefe oder 48 bit Farbtiefe zu digitalisieren. Möglicherweise limitiert durch die nur 1 GB Speicher des 20 Jahre alten eMacs.

Zum Schluss die Fleißarbeit: Beispielfotos 4.800 dpi gescannt, auf 4.000 x 4.000, 3.000 x 3.000, 2.400 x 2.400, 1,800 x 1.800 Bildpunkte reduziert

Qualitäts- und sonstiger Eindruck

Ganz abgesehen von der Scanzeit: Bei 4.800 dpi kann ich keinen echten Qualitätsvorsprung erkennen. 1.200 dpi habe ich nicht probiert, 2.400 dpi erscheinen als goldene Mitte und fürs Mittelformat ausreichend. Tatsächlich werden diese Auflösungen durch das Durchlichtverfahren in der Praxis aber gar nicht erreicht. Für den Vorgänger CanoScan 9900F ermittelte die Internetseite filmscanner.info 1.600 dpi, wenn mit 3.200 dpi digitalisiert wird. Das wäre dann bei Halbierung für den 9950F bei aktivierten 2400 dpi echte 1200 dpi. Egal, was mir der 9950F nun tatsächlich liefert, es reicht für meine Bedürfnisse mehr als aus!

Unsinnig, ja kontraproduktiv ist allerdings die erzwungene Staub- und Kratzerreduzierung. Indem der Software vorgegaukelt wird, du digitalisierst gerade einen Farbnegativfilm. Obwohl SchwarzWeiss gescannt wird. Abgesehen davon, dass die Staubreduzierung wirkungslos ist – zumindest bei SW-Film – bringt die Kratzerentfernung unübersehbare Störungen ins Foto (rote Kreise), die den Scan wertlos machen! Also: Finger weg davon! Ob die 24bit Farbe jetzt einen Qualitätsgewinn bringen, werde ich nicht mehr untersuchen. Ein absoluter Gewinn ist die verkehrte Montage des Films: Schichtseite zur Glasplatte des Scanners! Nicht umgekehrt, wie vom Filmhalter angezeigt. Die Newtonringe sind weg und die seitenverkehrten Scans sind später zügig gespiegelt.

Nachdem ich mit dem Digitalisieren endlich fertig war, habe ich den CanoScan nach Anweisung problemlos geöffnet, um die von innen mit einem Belag versehene Glasplatte zu reinigen und dabei auch die merkwürdige Spur zu entfernen. Und einmal dran, wurde die Durchlichteinheit auch gleich mit gereinigt.

Und jetzt?

Letztlich wollte ich sehen, was ich mit meinen Mitteln aus den Rollfilmen holen kann, wenn da mal ein richtiger "Sonntags-Schuss" gelingen sollte. Fürs Internet/Fratzenbuch reicht der PictoScanner 6x6 vollkommen. Zumal da keine 2.400 x 2.400 Pixel Größe erforderlich sind. Aber man sieht ganz klar den Unterschied zum ausprobierten CanoScan 9950F. Denkt man sich die beschriebenen Newtonringe weg, gefällt mir die mittlere 2.400 x 2.400 Pixel Abbildung am besten. Der Scan mit 2.400 dpi reicht also vollkommen aus. Bei der ganz rechten 2.400 x 2.400 Pixel Abbildung kann ich keinen Vorteil durch den zeitaufwändigen 4.800 dpi Scan erkennen. Für meine zukünftigen Ferien-Spielereien mit 6x6 und 6x9 genügen der PictoScanner 6x6 und Pixl-Latr vollkommen. Die Geräte sind so kompakt, dass sie mit ins Urlaubsgepäck kommen. Bei Bedarf kann ja später richtig gescannt werden — siehe oben.

Filmkosten fürs Mittelformat

Ja, auch da wird mittlerweile richtig Geld verlangt. Da werden bei eBay aus Litauen 10er Packs ISO 100 Rollfilm russischer Produktion mit dem lockenden Stichwort "Lomographie" und Ablaufdatum 1983 präsentiert, die 15 Euro kosten sollen. PRO FILM!!! Das ist schlicht Wucher! Aktuell habe ich 5 KODAK Professional T-MAX 100 120 für ca. 50 Euro geordert. Auch reichlich Geld. Mit Ablaufdatum 06/2022 dafür vergleichsweise wenig überlagert. Es geht mit etwas Suche auch preiswerter: 10 Fomapan 100 classic 120 Rollfilm schwarz-weiß inkl. Porto 60 Euro. Um bei der weiteren Suche nach Rollfilm noch schnell gegoogelt zu haben, dass man Colornegativfilme auch einfach als SW-Film entwickeln kann! Denn abgelaufene Color Negativ Rollfilme habe ich noch etliche. Preiswert erworben in Zeiten, wo die Filme keiner mehr wollte … Damit habe ich lange Zeit genügend Material für die nächsten Experimente! Denn Mittelformat SW werde ich sicher weiter pflegen! Mit welchen Kameras? Das wird die Zukunft zeigen. Ganz sicher wieder mit der "China-Rollei", eventuell mit der wertvollen AIRES Automat oder der OLYMPUS FLEX oder was immer für wenig Geld vom Flohmarkt noch dazu kommt …

Ralf Jannke, August 2023

 

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