Verkaufe ich die Kamera vorsichtshalber als defekt…

Avatar of Ralf JannkeRalf Jannke - 17. Juni 2018 - Wissen

Unsitten

Nach der wirklich hanebüchenen Behauptung: "vom Verkäufer generalüberholt" (mittlerweile auch bei Privatanbietern!) schleichen sich in die Anzeigentexte weitere Unsitten ein…

Der Zusatz "Sensor professionell gereinigt" soll wohl besonders verkaufsfördernd wirken…

… bloß weil der Privatanbieter den Sensor selbst mit einem Speckgrabber bearbeitet hat. Dann schreib doch einfach Klartext, lieber Privatanbieter! "Der Sensor wurde von mir nach bestem Wissen gereinigt, und das Reinigungsbemühen per Testaufnahme mit kleiner Blende auf eine neutrale Fläche überprüft.…“

Grenzwertig wird es,

einem wirklich guten Sofortpreis, der zu einem schnellen und unbedachten Klick verführen könnte, einen unverfänglichen und vor allen Dingen unvollständigen Anzeigentext folgen zu lassen: "Canikolypentony X,Y MP Digitalkamera" steht ganz oben. Um nach einigem Rollen erst ganz weit unten auf der Seite die Katze aus dem Sack zu lassen: „(…) Da ich keinen Akku für die Kamera habe und sie daher nicht überprüfen kann, verkaufe ich sie (…) ausdrücklich als "defekt". 

Die Eigenschaft "defekt" gehört mit in den Anzeigentext!

Was den interessanten Sofortpreis natürlich relativiert. Wird dann versuchsweise ein Preisvorschlag zum halbem Sofortpreis abgegeben, wird ohne Gegenvorschlag sofort abgelehnt. Lieber Verkäufer: Zum halben Sofortpreis erworben und dann tatsächlich defekt, ist es schlicht und einfach völlig überteuerter Elektronikschrott… Seriös wäre: "Wenn sich die Kamera tatsächlich als defekt erweist, nehme ich sie zurück…" Diesen Hinweis sucht man allerdings vergebens.

Oder in einer anderen Variante: „Hat bis zuletzt funktioniert…“

Immerhin steht der Hinweis gleich unter der Anzeigenüberschrift. Aber: Aus Unkenntnis (?) wird nicht die volle Kamerabezeichnung genannt, und was bedeutet „bis zuletzt funktioniert“? Hat gestern, vor einem Monat, vor einem Jahr noch funktioniert? 

Und dann – wieder ganz unten – „Kamera läßt sich einschalten aber nicht auslösen weil kein Speichermedium vorhanden ist.“ Ein kleines „Speichermedium“ nur zum Testen kostet inkl. Porto keine 5 Euro! Und weiter: „Das Ladegerät funktioniert. Habe den Akku geladen.“ Ja wie denn nun? Wenn zum verständlichen Zusatz „Keine Gewährleistung nach EU Recht“ noch die Passage „Bei einer berechtigten Reklamation nehme ich die Kamera zurück und erstatte die Kosten“ folgen würde, wäre das Ganze seriös. Für 20 bis 50 Euro kann man das Risiko eingehen. Aber mehr?

Mit diesem Zusatz in einer anderen Anzeige: "Sie verzichten durch Abgabe eines Gebotes auch ausdrücklich auf Ihr Rückgaberecht. Unklarheiten können gerne vorher, per Nachricht geklärt werden.", disqualifiziere ich mich als Anbieter gleich selbst. Was ist "vorher", wenn die viel zu teure Kamera "nachher" defekt ist? Ganz einfach: Finger weg!

Wann lernen die Anbieter, dass defekte Konsumerknipsen für 1 Euro Startgebot, höherwertige Prosumer-/Bridgekameras für 5 bis 10 Euro und defekte DSLRs für maximal 20 Euro Startpreis angeboten werden müssen, um als "Bastlerware/Ersatzteilspender" erfolgreich verkauft zu werden. Und wenn da die Angst mitschwingt, etwas zu verschenken, wird nicht mal in vier AA-Batterien vom Discounter investiert oder das mitunter noch vorhandene Netzteil angeschlossen. Um festzustellen, ob die Kamera vielleicht noch Leben hat… Und mit jedem Monat, der gewartet wird – worauf eigentlich (?) – macht das allgegenwärtige Smartphone den Verkauf der (defekten) Altware immer schwieriger bis unwahrscheinlicher, ja unmöglich.

Die Kommentarfunktion ist für diesen Artikel deaktiviert.

0 Kommentare