Canon PowerShot N, Gastbeitrag Volker Horstmann

Vor zehn Jahren (2013) stellte Canon seine PowerShot N vor. Ein 79 x 60 x 29 mm „großer“ 12 Megapixel Kamera-„Winzling“, der nur 195 g wiegt

Spezifikation

  • Der CMOS-Sensor hat eine Größe von 1/2,3" 6,2 x 4,6 mm. Cropfaktor 5,6, Pixelpitch 1,5 µm
  • Gespeichert wird als JPEG auf microSD-Karte
  • Videoauflösung 1.920 x 1.080 16:9, FullHD 24p, MPG4
  • Objektiv 3-5,9/28 bis 224 mm (35mm-äquivalent), Makrobereich 1 cm (Weitwinkel)
  • Einzel-Autofokus, kontinuierlicher Autofokus, Manuell, AF-Hilfslicht mit Gesichtserkennung
  • Monitor 2,8“ TFT LCD Monitor mit 461.000 Bildpunkten
  • Mittenbetonte Integralmessung, Spotmessung,
  • Belichtungszeiten 1/2.000 bis 1 s (Automatik)
  • Belichtungskorrektur +/- 2 EV in 1/3 EV Schritten
  • Lichtempfindlichkeit ISO 80 bis ISO 6.400
  • Bildeffekte : Fischauge, Miniatureffekt, Spielzeugkamera, Weichzeichnung, Monochrom Camera Effect, Monochrome, Soft Focus
  • Weißabgleich automatisch, manuell, Wolken, Sonne, Schatten, Leuchtstofflampe mit 2 Voreinstellungen, Glühlampenlicht mit 2 Voreinstellungen
  • 2,3 Bilder/s bei höchster Auflösung, Selbstauslöser
  • Eingebauter Blitz mit den üblichen Funktionen Ein/Aus, Automatik, Aufhellblitz, Langzeitsynchronisation, Rote-Augen-Reduktion
  • Stromversorgung Canon NB-9L Lithiumionen-Akku

Viele Kamerafreunde haben die "N" noch nie oder nur auf Bildern gesehen

Im Internet findet man Tests, in denen ihr bescheinigt wird: Die Bedienung sei unterirdisch. Das fängt schon mit der Frage an, wie man sie anfassen soll, da das Klappdisplay die ganze Rückwand abdeckt. Einstellräder gibt es überhaupt nicht, fast alles muss per Touchdisplay erledigt werden. Offenbar wollte Canon damit die Handygeneration ansprechen. Eigentlich nichts für mich alten Analogiker. Die Handhabung ist wirklich ein Ding für sich. Ich mag die „N“ trotzdem! Nicht wegen etwaiger technischer Höhenflüge, sondern einfach weil sie anders und kompakter ist als die geschätzten hunderttausend Kameras mit ähnlich kleinem Sensor.  Die jüngeren Kameras mit gleich großem Sensor haben bis zu  20MP, was sich aber in der Bildqualität kaum auswirkt; sie brauchen vor allem mehr Speicherplatz.

Meine „N“ habe ich 2021 für 50 € per Ebay gekauft, ein Glücksfall, wie neu, in Originalverpackung mit allem Zubehör. Neu kostete sie 2013 um 300€, wahrscheinlich der Grund, warum sie keine weite Verbreitung fand; eine vergleichbare Canon Ixus im eher konservativen Look war wesentlich billiger.

Die „N“ reizte mich einfach. Und nun benutze ich sie tatsächlich, weil sie klein ist, ein zwar nicht sehr lichtstarkes, aber scharfzeichnendes stabilisiertes Objektiv hat und reaktionsschnell ist. Mit rund 200g Gewicht strahlt sie Qualität aus. Das Gehäuse ist aus Metall, das Finish ist exzellent. Sie versteckt die Schräubchen nicht, die es zusammenhalten; als Kind hätte ich wohl die Chance genutzt zu schauen, wie es drinnen aussieht, aber heute weiß ich: Außer einer verkapselten Objektiv-Sensor-Einheit, Kabeln und Platine ist da nichts zu sehen.   

Besonderheiten 

Sie hat keinen Auslöseknopf und nur vier über die Zargen verteilte Minischalter. Kein Moduswahlrad, kein Daumenrad! Wo soll man denn hier bitte die Blende einstellen und die Belichtungszeit und den ISO-Wert?? Und wo ist überhaupt der Auslöser, wo ist die Zoombetätigung? Nun, ich habe mich mittlerweile an sowas gewöhnt. Also: Die Blende kann man gar nicht einstellen, weil die Kamera grundsätzlich mit Offenblende arbeitet, was bei so kleinen Sensoren sinnvoll ist (Stichwort „Beugungsunschärfe“).  Aber man kann die ISO-Einstellung vornehmen, was unkompliziert per Touchdisplay übers Menü geht. Einmal „FUNC“ berühren, dann erscheint eine sehr übersichtliche Auswahl der wichtigsten Parameter: ISO-Werte, Belichtungsmessmethode, Belichtungskorrektur, Weißabgleich, Selbstauslöser sowie Bildformat, Pixelzahl und „Blitz“, der hier nur aus einer LED besteht und von zweifelhaftem Nutzen ist. Unter „P“ verbergen sich die Sachen, die ich nicht brauche: Vollautomatik und verschiedene Bildeffekte.  Für Videoaufnahmen gibt es einen roten Punkt auf dem Touchdisplay, der gut reagiert. Der ISO-Bereich geht bis zu optimistischen 6400; bis 1600 ist die Bildqualität in Anbetracht des kleinen Sensors überraschend gut. Die Belichtungszeit regelt die Kamera automatisch.  Der Vollständigkeit halber sei gesagt, dass in den technischen Daten neben Blende 3 auch Blende 8 erwähnt wird, aber ob es eine richtige Blende ist, wird nicht verraten. Ich nehme eher an, dass es ein Graufilter ist, der nur dann automatisch zugeschaltet wird, wenn es allzu hell ist.

Die „N“ verfügt über WiFi-Konnektivität und eine Verbindungsmöglichkeit mit einem Smartphone, die ich aber nicht benutze. Die Videoqualität ist gut. Eine besondere Spielerei, für die es sogar einen eigenen Schalter am Gehäuse gibt: Es wird eine Aufnahmeserie in verschiedenen Ausschnitten und Farbverschiebungen offenbar willkürlich zu einer Kollage zusammengewürfelt. Die Geschmäcker sind eben verschieden.

Das Laden des Akkus geht mit dem mitgelieferten Netzadapter, einfacher ist es mit dem USB-Kabel  am Laptop, wobei man gleich die Bilder auf den Computer übertragen kann. Die Speicherkarte ist vom Mikro-SD Typ. Nicht jeder mag sie, aber er muss sie ja weder ansehen noch anfassen.

Das Display ist nach oben klappbar (bis 90°, das Nachfolgemodell bietet 180°), so dass man bequem etwa Makroaufnahmen in Bodennähe machen kann. Der Clou an der „N“ ist nun, dass man die ganze Kamera um 180 Grad drehen kann und dann über Kopf, etwa aus einer Menschenmenge heraus, fotografieren kann. Das Bild auf dem Display wird dafür automatisch umgedreht.

Nun erklärt sich auch die besondere Handhabung des Auslösers und des Zooms. Um das Objektiv herum winden sich zwei Ringe: einer zum Auslösen, der andere zum Zoomen. Das ist gewöhnungsbedürftig, aber irgendwie auch sinnvoll: Ganz egal, wie man die Kamera hält, beide Ringe lassen sich von beiden Seiten gleich gut (oder gleich schlecht, je nach dem, wie man's nimmt) bedienen, der Auslösering muss in radialer Richtung gegen die Mitte gedrückt werden. Wenn man den Auslöser halb drückt, zeigt das Display die Belichtungswerte an; da muss man schon etwas Fingerspitzengefühl haben, sonst löst man gleich aus, aber wen juckt's, kostet ja nichts. Die Kamera wendet sich also nicht nur an Leute, die von Fototechnik keine Ahnung haben. Man kann aber auch durch das Antippen des Displays auslösen, was besonders praktisch ist, da man dabei gleich den Schärfebereich wählen kann; wohin man tippt, wird es scharf. Und das funktioniert perfekt.

Zugegeben, der minimalistische Einschaltknopf in der Bodyzarge ist unhandlich. Und da man von der Displayseite aus gar nicht erkennt, wo oben und unten ist, muss man erst mal sicherstellen, dass man die Kamera richtig herum hält, sonst findet man den Knopf nicht. Und natürlich fehlt mir ein Sucher, wie bei den meisten Kompaktkameras, auf deren Display ich im Sonnenschein kaum etwas erkennen kann.

Beispielfotos, aufgenommen mit der Canon PowerShot N – 12 Megapixel

Bildqualität

In ihrer Kameraklasse sehr gut! Sie wird sogar von Testern gelobt, die für die Kamera ansonsten nichts übrig haben. Die JPGs sind so, wie man es von Canon gewohnt ist, realistisch, gefällig und eher etwas zu warm als zu kühl. Die Fotos sind in der Regel ohne Nacharbeit brauchbar. Und sie sind tatsächlich scharf. Wer auf seine Vollformat-Systemkamera schwört, kann hier ganz schnell erkennen, dass für manche Aufgaben die „N“ mit ihrem kleinen Sensor völlig ausreicht. Ich benutze Sie, wenn mir meine Systemkamera – obwohl ich schon die kleinste habe - zu groß ist. Die „N“ ist bei mir auch Scanner-Ersatz, denn sie ist ohne Umstellung extrem makrofähig. Sie ist klasse. Vor allem für Leute, denen „normal“ zu langweilig ist.

Wer nun Lust auf eine Canon Powershot N hat, kann im Internet leicht fündig werden, allerdings beginnen die geforderten Preise meist erst bei 100 Euro. Kameras mit ähnlichen technischen Daten und ähnlicher Qualität gibt es viele, darunter auch welche, die wohl ein bisschen besser in der Hand liegen (aber dafür nicht in jede Tasche passen). Aber keine ist wie die „N“.

Volker Horstmann, April 2023

 

  

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