Leica Apo-Telyt-R 180mm an Nikon Z5, Christian Zahn

In diesem Erfahrungsbericht geht es um ein etwa 45 Jahre altes Manuellfokusobjektiv adaptiert an die spiegellose 24-Megapixel-Systemkamera Nikon Z5 mit Vollformatsensor. Das Apo Telyt gilt als eines der schärfsten und besten Teleobjektive aus der analogen Zeit.

Das Objektiv hat das Leitz/Leica-Bajonett mit 3-CAM Steuerkurven, wobei die erste Kurve die eingestellte Blende an die originale Leicaflex überträgt, die zweite Kurve an die Leicaflex SL mit Lichtmessung durch das Objektiv und die dritte Kurve an die Leica R3 bis R7, die eine Kooperation von Leica und Minolta waren. Mein Telyt-Exemplar ist somit an praktisch allen Leica-R-Kameras einsetzbar, auch an der R8 und der R9. Diese beiden wieder komplett von Leica erworfenen Kameras haben elektrische Kontakte zur Übertragung der Brennweite vom Objektiv zur Kamera, benötigen diese aber nur für die motorische Verstellung des aufgesetzten Blitzgerätes.

Das Objektiv entstand ab ca. 1970, die letzten Exemplare wurden 1998 produziert, dann wurde es durch das etwas lichtstärkere Apo Telyt 1:2,8/180 ersetzt. Entwickelt wurde das 3,4/180 von Elcan (Ernst Leitz Canada) und war eine Entwicklung, die vom US-amerikanischem und kanadischem Militär für die Fernaufklärung initiiert worden war und von Dr. Walter Mandler gerechnet und ursprünglich nicht an einer Leitzkamera verwendet wurde.

Erst 1975 wurde es mit Bajonett für Leitz-Spiegelreflexkameras für die Öffentlichkeit hergestellt, in verschiedenen Baulosen sollen insgesamt ungefähr 17.000 Exemplare gefertigt worden sein, wobei die ersten Exemplare bis ca. 1976 (bis Seriennummer #29477024, ca. 2000 Stück) mit einem Serie-7-Filtergewinde versehen waren, ab etwa 1977 wurde auf M60-Filtergewinde umgestellt. Im Lauf der Produktion wurde die Vergütung schrittweise verbessert. Anhand der Seriennummer kann der Produktionszeitraum meines Exemplars auf das Jahr 1979 festgelegt werden, es ist also ein relativ frühes.

Das Telyt ist ein apchromatisch korrigiertes Objektiv, d. h., durch geeignete Wahl der einzelnen Linsen treffen sich die Lichtstrahlen der drei Grundfarben Rot, Grün und Blau in einem Punkt in der Bildebene. Nicht korrigierte Objektive haben für die drei Lichtwellenlängen leicht unterschiedliche Brennweiten, also treffen die drei Farben eines Bildpunkt nicht genau in der Bildebene zusammen, sonder teilweise davor und teilweise dahinter, was zu Bildunschärfe vor allem bei Offenblende führt. Je größer die Brennweite, desto stärker ist die Abweichung, deshalb sind vor allem Teleobjektive apochromatisch korrigiert. Apo-Teles sind meist ab Offenblende uneingeschränkt für die Fotografie nutzbar, Abblenden steigert bei ihnen fast nur die Tiefenschärfe und nicht die Auflösung.

Das 1:3,4/180 Apo-Telyt ist aufwendig aus 7 Elementen in 4 Gruppen konstruiert, drei Gruppen bestehen aus je 2 miteinander verkitteten Linsen. Es ist ein echtes Teleobjektiv, d. h., seine Baulänge ist kürzer als seine Brennweite.

Der geriffelte Entfernungsring läuft seidenweich mit der perfekten Friktion. Der Einstellweg ist mit etwa ca. 220° recht lang. Die Naheinstellgrenze ist mit 2,5m als noch gut zu bezeichnen. Der Blendenwahlring rastet teilweise halb-, teilweise sogar drittelstufig; es sind 8 Lamellen eingebaut. Die ausziehbare Streulichtblende ist fest eingebaut, das Filtergewinde beträgt 60 mm. Je nach Alter und Benutzungsgrad „klappert“ die Streulichtblende, ursprünglich blieb sie dort, wo man sie positioniert hatte (eingezogen oder ausgezogen). Vermutlich ist die Festhaltung der Blende mit samtartigem Material realisiert worden und die Samthärchen sind im Lauf der Jahre „plattgedrückt“ wurden, sie bieten somit kaum noch Widerstand gegen das Verschieben der Blende. Die Reparatur ist aufwendig und es gibt keine Originalersatzteile mehr.

Das Objektiv hat einen Durchmesser von 67 mm, eine Baulänge ab Bajonett von 135 mm und wiegt 755 Gramm. Beim Fokussieren auf die Nahgrenze wird es ca. 16 mm länger. An der Entfernungs-Skala sind Tiefenschärfemarkierungen vorhanden, ein Index für die Infrarotfotografie fehlt, weil er dank apochromatischer Korrektur ggf. gar nicht erforderlich ist.

Die Verzeichnung soll nur 0,4% betragen, was sehr gering ist. Es ist uneingeschränkt offenblenddtauglich, der Schärfenabfall von der Bildmitte zum Rand ist gering, ab etwa Blende 4 ist sie kaum noch sichtbar. Abblenden über 1:5,6 sorgt nur noch für mehr Tiefenschärfe, die absolute Schärfeleistung sinkt aber ab 1:8 durch die Beugung wieder. 1:16 und 1:22 sind durch die allgemeine Bildunschärfe bei 24 Megapixel nur durch heutige Schärfe-Software in der 100%-Ansicht ansehnlich zu bekommen. Die ideale Arbeitsblende ist zwischen 1:5,6 bis 1:8 anzusetzen (passend auch zu der alten Regel: Hochleistungsobjektive nur zwei Blendenstufen schließen).

Das Objektiv ist heutzutage für ein Leica-APO-Objektiv teilweise recht günstig zu bekommen. Lag es 2015 noch bei durchschnittlich 800-1300 Euro, ist es 2025 deutlich preiswerter geworden (möglicherweise durch die ungezählten neuen fernöstlichen manuellen Objektive, die den Markt quasi „fluten“). Die aktuelle Preisspanne des Leitz Telyts ist groß, je nach Zustand und Lieferumfang kann man es für 250 bis 800 Euro bekommen.

Ich erhielt es im Frühjahr 2025 geschenkt, hier nochmals herzlichen Dank an den Spender!

Beispielaufnahmen

Alle Aufnahmen entstanden freihand bei ASA-Automatik, Zeitautomatik, mit eingeschaltetem Bildstabilisator und bei Blende 8, gespeichert als NEF, gewandelt mit Nikon Capture NX-D und bearbeitet mit Photoshop CS6. Bildausschnitt, Helligkeit, Farben, Lichter / Schatten sowie Schärfe wurden korrigiert, die Größe wurde auf 1500 Pixel bikubisch verkleinert. In alle Aufnahmen sind 100%-Ausschnitte vergrößert einmontiert.

Fazit

Das Leitz / Leica Apo Telyt 3,4/180 ist ein erstklassiges Teleobjektiv in der 200mm-Klasse, es schlägt bei Offenblende alle meine anderen Objektive dieser Brennweite in meinem Fundus. Bei Arbeitsblende 1:8 sieht das etwas anders aus, dann habe ich etliche Objektive, die dem Teilt recht nah kommen, aber erheblich leichter sind. Beispielsweise ist mein 1:5/200mm Olympus Zuiko bei 1:8 nur unwesentlich schlechter, wiegt aber nur ungefähr die Hälfte und ist etwas kürzer, was die Fototasche somit erleichtert und dadurch für lange Wanderungen „rückenfreundlicher“ ist. Für schnelle Motive und kurze Belichtungszeiten im Freihandbetrieb ist das Leitz-Objektiv trotz des Gewichts hingegen die perfekte Wahl, da muß man halt „leiden und schleppen“.

Christian Zahn, Juli 2025

 

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