RAYXAR E50/0.75
Er ist jetzt schon 8 Jahre alt, der Blogbeitrag: "Das zweitlichtstärkste Objektiv der Welt" Und später gab es noch den Beitrag "Faszination Superlichtstärke"
Aber was bedeutet schon eine Lichtstärke von f/1,2 (50/55/58 mm Nikon-Objektiv) f/1,0 (50 mm Canon USM L) oder f/0,95 (50 mm Leitz Noctilux)
Den Rekord hält das 0,7/50 mm Carl Zeiss Planar. Das Objektiv wurde speziell für das NASA Apollo Mondprogramm 1966 konstruiert, um die der Erde abgewandte, dunkle (!) Seite ("Dark/Far Side of the Moon") fotografieren zu können. Dazu ist es angeblich aber nie gekommen …
Der amerikanische Filmproduzent und -regisseur Stanley Kubrick benutzte das 0,7/50 mm Planar, um Szenen seines Film Barry Lyndon bei Kerzenlicht drehen zu können.
Wir beginnen erstmal mit dem Carl Zeiss Planar 0.7/50mm
Das (wahrscheinlich) berühmteste Objektiv der Welt kommt nach Hause
Leider widersetzt sich die italienische Seite einer Google Translate-Übersetzung, aber dort fand ich den ersten Hinweis auf das, was das ZEISS Planar 0.7/50mm nicht konnte: Das 24x36 mm Kleinbildformat füllen. Da war zu lesen: 50 mm Brennweite, Bildwinkel 30 Grad. Ein 50 mm Objektiv fürs Kleinbildformat hat einen Bildwinkel von 46 Grad.
Die Bestätigung dann auf der trotz des englischen Titels deutschen Internetseite: History of fast 35mm and small format film lenses
Dort der optische Aufbau 8 Linsen/Elemente in 6 Gruppen, Durchmesser der Frontlinse 76mm, Gewicht 1850 g. Hintere Schnittweite (Distanz Hinterlinse zum Film) 5,27mm, Bildwinkel 30°. Auszeichnung ist etwa die Hälfte von 24x36mm (ausreichend für 35mm Movie film)
Letzteres passt zum Einsatz dieses Objektivs in der Spielfilmproduktion. Eine Filmkamera, die auf perforierten 35 mm Film aufnimmt, belichtet Einzelbild für Einzelbild in 18x24 mm Größe. Und dann passt(e) das Carl Zeiss Planar 0.7/50mm.
Das Planar 0.7/50mm müsste also rechnerisch den größeren 19x27 mm APS-H Sensor und ziemlich sicher einen 15x23 mm APS-C Halbformatsensor füllen. Und ganz sicher 13x17 mm microFourThirds, für das es neben videofähigen DSLMs auch spezielle Digital-Videokameras gibt.
Außer bei Stanley Kubrick besteht die "Gefahr" des Einsatz' dieses phantastischen Objektivs aber nicht.
In einer Leitz PHOTOGRAPHICA AUCTION wechselte ein Carl Zeiss Planar 0.7/50mm zum Start- und Schätzpreis von 50.000/100.120.000 Euro schließlich für 180.000 Euro den Besitzer …
Das einzig Interessante an dieser Versteigerung war für mich das gezeigte 0,7/50 mm auf einer unverwechselbar als Nikon zu erkennenden, modifizierten Nikon F, der letztlich die komplette Spiegelmechanik entfernt werden musste um mit dem 0,7/50 mm dicht genug — 5,67 mm — an den Verschluss bzw. Film zu kommen. Möglicherweise wurde auch der Nikon F-Verschluss ausgebaut. Zumal der nicht benötigt wird, denn das 0,7/50 bringt seinen eigenen Zentralverschluss mit.
Ein Foto mit dem phantastischen Carl Zeiss Planar 0.7/50mm werden wir aber mit großer Sicherheit nie zu sehen bekommen. Ein Sammler fotografiert doch nicht ;-)
Das werden wir aber nachholen! Natürlich nicht mit dem Carl Zeiss Planar, sondern einer weiteren, ultralichtstarken Spezialität, dem Hauptgegenstand dieses Beitrags: dem in Holland von DE OUDE DELFT hergestellten RAYXAR E50/0,75.
Spezifikation

- Abmessungen/Gewicht Ø 85 mm, Länge 80 mm, kein Filtergewinde, 1067 g (mit Leica M-/Nikon Z-Helicoid)
- Optischer Aufbau 7 Linsen in 4 Gruppen
- Keine Blende
- Nahdistanz meiner Adaption im Vollformat unmodifiziert ca. 30 cm, modifiziert ca. 1 m
Der niederländische Journalist, Fotograf und Nikon Experte Nico van Dijk hatte uns seinerzeit ein Foto geschickt, wo ein RAYXAR E50/0.75 auf eine Nikon D1 DSLR adaptiert war. Dieses gewaltige Objektiv wurde für Röntgen-Systeme entwickelt, und ist nicht so schwer zu finden.
Aber erstens
Weil dieses Objektiv für Röntgenzwecke eingesetzt wurde, hat es keine Fokussierung und keine Blende. Ich muss IMMER mit Offenblende f/0,75 fotografieren, und die fest eingestellte Entfernung soll ca. 2 m entsprechen. Was sich schnell als falsch erwiesen hat. Sinnvoll – sofern man überhaupt davon sprechen kann – ist das eigentlich nur auf einer Digitalkamera mit Liveview einzusetzen. Heute selbstverständlich keine DSLR, sondern auch aus Abstandsgründen — die Distanz Hinterlinse/Bildsensor — eine spiegellose Systemkamera!
Geschichte der Adaption
Während die Montage des modifizierten RAYXAR E50/0.75 am Ende eine Sache von Sekunden war, zogen sich die Recherchen, was mit dem Objektiv überhaupt geht, über Tage hin.
Die wichtigsten Erkenntnisse
Es ist nach Entfernen des roten Kunststoffringes möglich, die hintere Linsengruppe auszubauen, um so das ausschließlich für den Entfernungs-Zentimeterbereich in der Röntgenfotografie vorgesehene Objektiv auf Unendlich fokussieren zu können. Was sich in Bezug auf Unendlich schnell als falsch rausstellte. Eine simple Foto-Anleitung zum Ausbau der Hinterlinsengruppe war im internet nicht zu finden. Was es gab, erinnerte schwer an "Sie müssen nur den Nippel durch die Lasche zieh'n" ;-) Es war am Ende total simpel, aber dazu kommen wir später.
Wobei das Entfernen der Linsengruppe gleichbedeutend mit dem Verlust der Ultralichtstärke sein soll. Und es gibt eine andere Brennweite – welche? Das war aber zunächst gar nicht meine Intension!
Eine großartige, hochprofessionelle Umbauarbeit wird auf einer ungarischen Seite gezeigt
"DURCH DAS SIEB SEHEN: ANPASSUNG UND PRÜFUNG DER RAYXAR 0.75/50-RÖNTGENOPTIK"
Nach Studium des exzellenten Berichts war sofort klar: Vergiss es :-(
Es ist ohne Werkstatt mit hochwertiger CNC-Drehbank, Fräsbank und weiteren Spezialitäten vollkommen aussichtslos dieses Objektiv mit Bordmitteln komplett für konventionelle Fotografie herrichten zu wollen. Mit konventioneller Fotografie ist ganz abgesehen von der fehlenden Irisblende gemeint, in Entfernungsbereichen von nah — sagen wir 0,5 m — bis unendlich zu fotografieren.
Dazu müsste Hinterlinse des RAYXAR E50/0,75 den Sensor fast berühren! Heißt der Verschluss ist im Weg. Das ließe sich zwar durch Umstellung des mechanischen auf elektronischen Verschluss umgehen, wenn die Kamera das bietet. Aber die Gefahr von "Kleinholz", wenn auf einmal der versehentlich aktivierte mechanische Verschluss beim Auslösen auf die Hinterlinse, den Tubus des RAYXARs knallt, würde sehr teuer bis hin zum Totalschaden der Kamera werden.
Immerhin war nach dem Studium des ungarischen Beitrags klar, dass die Hinterlinse so dicht wie möglich, aber gefahrlos vor den Bildsensor muss.
Das war die erste Denk-/Vorgehensweise
Was dort oben abgebildet ist, hat sich aber fast alles als untauglich erwiesen …
Gelegentlich war die Rede von einem 5 cm Aufnahmeabstand von der RAYXAR Frontlinse zum Motiv. Der hätte sich tatsächlich ergeben, wenn ich zur Adaption ein Nikon F-Bajonett ins RAYXAR montiert hätte. Ich hatte meine Nikon D300 auf Liveview geschaltet, und der Spiegel war oben und verriegelt. Um dann das RAYXAR probeweise und lose ins F-Bajonett zu legen und auf den Monitor zu schauen. Um die gefühlt viel zu kurzen 5 cm zu haben. Ohnehin keine Arbeitsweise, da bei der D300 der Spiegel beim Auslösen runter- und wieder raufklappt … Was ich natürlich ohne das RAYXAR im Spiegekasten der D300 probiert habe. Bei der Nikon Z würde natürlich nichts passieren. Aber der dicke Nikon F-/Nikon Z-Adapter, wirkt dann wie ein starker Zwischenring für Nahaufnahmen. Motiventfernung: Größenordnung kaum brauchbare 5 cm …
Ein Leica M/M39-Adapter wurde mit einem Zweikomponenten-Epoxidharzkleber so genau wie möglich nach Augenmaß zentriert auf die Fläche um den Hinterlinsentubus des RAYXARs geklebt. Bei einer Endfestigkeit von 1300 N/cm2 (130 kg/cm2) dürfte keine große Gefahr bestehen, dass sich diese Verbindung löst.
Das war schon alles! Das RAYXAR wird dann einfach in den jeweiligen Leica M-/DSLM-Helicoid eingerastet und auf die jeweilige Kamera montiert. Zur Auswahl standen die Nikon Z6/7, Sony NEX-6 und Olympus PEN Mini E-PM1. Da der microFourThirds-Helicoid ewig auf sich warten ließ, wurde zunächst nur mit der Nikon und Sony experimentiert. Wobei sich die Nikon schnell als Sieger herausstellte. Grund: Die viel bessere und präzisere manuelle Fokussiermöglichkeit des E-Suchers.
Und die Abdeckung des 24 x 36 mm Vollformats?
Die ohnehin in totaler Unschärfe liegende Vignettierung ist so gering, dass sie nicht stört, bzw. durch einen winzigen Beschnitt leicht entfernt werden kann.
Entfernungseinstellung, Fokussieren und Abbildungsqualität
Am praktikabelsten hat sich das Fokussieren aus freier Hand herausgestellt. Mit Kamera und Objektiv aufs Motiv zu und zurück. Dazu Serienauslösung mit höchster Bildfrequenz, da es um Bruchteile von Millimetern geht. Die Montage auf Stativ und Einsatz des oben gezeigten Novoflex-Einstellschlittens hat sich als so fummelig und mühsam herausgestellt, dass diese Arbeitsweise schnell verworfen wurde. Auch wenn so ein Fokus-Stacking möglich wäre.
Abbildungsschärfe bei Blende f/0.75 ist durchaus vorhanden, aber extrem weich. Um das zu verbessern, habe ich nicht gezögert Topaz Photo AI zum Einsatz zu bringen. Dessen Schärfungstools verbessern die Schärfe enorm und helfen auch, schnell entstehende kleine Fokussierfehler bei der riesigen Lichtstärke und winzigen Schärfentiefe durch die künstliche Intelligenz auszugleichen. Das ist natürlich auch eine Geschmackssache.
Ein Schärfentieferechner gibt für Motiventfernung 30 cm und Blende f/1,4 299 bis 301 Millimeter Schärfebereich an, also 2 mm. Bei Blende f/1 wären es 299,1 - 300,9 Millimeter = 1,8 mm. Eine Formel für Blende f/0,75 konnte ich nicht finden … Da dürfte sich die Schärfentiefe 1 mm nähern oder gar unterschreiten.
Was die fehlende Irisblende/Schärfentiefe betrifft: Eine einfache Scheiben-/Lochblende vor die Frontlinse montiert, soll die Schärfentiefe zunehmen. Ich würde dabei aber eher an die Hinterlinse denken! Um der eine Scheibe mit Loch-/Blende zu verpassen. Das muss ich später vielleicht mal ausprobieren. Wobei das ja dann den Charme der gigantischen Lichtstärke wegnehmen würde …
Bevor es an die ersten Fotos mit dem RAYXAR E50/0,75 noch eine sehr schöne japanisch/englische Dokumentation zum RAYXAR E50/0,75.
Videos, die etwas zum/vom RAYXAR zeigen, fanden sich bei Youtube nicht. Ich dachte an Details zum Umbau und Porträts, Makros oder dergleichen. Was zu finden war, war für mich eine Qual für die Augen, Mülleimer
Brauchbares gab es nur zum vergleichbaren Canon 50mm f0.75 und CANON LENS XI 65mm 1:0.75
- Canon 50mm f0.75 - One of the fastest lenses ever made? Hinter den Adaptertechnik-Details – bitte auf die Laufminute des Videos achten – kommen auch einige Porträts, die mir wirklich gefallen!
- Matthieu Stern: Shooting a video with an Xray Lens at F0.75 (CANON LENS XI 65mm 1:0.75)
- Und noch ein Video zum in Bezug auf die Brennweite noch lichtstärkeren Zeiss R-Biotar 100mm f/0.7, das auch aus der Röntgentechnik stammt. Bei soviel brennenden Kerzen im Video, hat der Autor ganz klar in Stanley Kubricks Film Barry Lyndon geschaut, der bei Kerzenlicht mit dem Zeiss Planar 50mm F0.7 gedreht wurde!
- Markus Hofstätter: Ein außergewöhnliches Objektiv: ein 1.0/140 mm
Bei diesem ersten Foto konnte ich meine Neugier nicht mehr zügeln. Für das Foto wurde einfach der Leica M-/Sony-NEX-Helicoid in die NEX-6 montiert und das RAYXAR lose in die Öffnung der Sony NEX-6 positioniert. Den Leica M/M39-Adapter hatte ich da noch nicht ins RAYXAR geklebt. Und dann das Ganze so vorsichtig wie möglich zu halten und die Blüte "irgendwie" zu fokussieren.
Links jeweils das Original mit der Lightroom-Standardschärfung 40 Prozent, rechts Topaz Photo AI Schärfung. Sicher auch eine Geschmacksfrage! Topaz hat jetzt ja nicht extrem unnatürlich geschärft …
Es hatte mitunter den Anschein, als solle das "Geheimnis" der Modifizierung eins bleiben. Anstatt im Internet Klartext zu schreiben, dass man nur die (bei mir rote) Kappe abschrauben muss, um das rückseitige Linsenelement das RAYXARs einfach rauszuziehen.
Dasselbe Drama bei Brennweite und Lichtstärke nach der Modifizierung. Da war die Rede von "die Brennweite und Lichtstärke ändert sich mit/nach der Modifikation". Wie viel? Nichts, keine Zahlen. Die gibt es jetzt!
Zur Demonstration und Vergleichsmöglichkeit des erfassten Bildfelds aus ca. 1 m Entfernung wurden einfach vier gelbe PET-Wasserflaschen Verschlüsse platziert.
Nach problemlosem Entfernen der hinteren RAYXAR-Linsengruppe verdoppelt sich die Brennweite von 50 auf ca. 100 mm, und die Lichtstärke halbiert sich von f/0,75 auf f/1,4-1,2. Im Verschlusszeiten-/Lichtstärken-Vergleich zum 50 mm Nikkor. Beim 105 mm Soligor hatte ich mich mit der Blende vertan, die war auf f/5,6 oder f/8 geschlossen. Spielte aber keine Rolle, wenn man die Brennweite vom Solgor und dem modifizierten RAYXAR vergleicht: fast identisch!
An der liegenden BEAUTY LIGHTMATIC SP wurde nichts nachbearbeitet. Die (verkleinerte) Abbildung ist 1:1! Der Rest ist nach Geschmack gecropped und mit Lightroom und Topaz Photo AI bearbeitet.
Qualitäts- und sonstiger Eindruck
Abbildungsqualität? Ja, aber aufgrund der winzigen Schärfentiefe extrem schwierige "Jagd". Für einen Spottpreis von rund 55 Euro aber Experimentierfreude, Experimentalfotografie pur! Angesichts des Handlings habe ich darauf verzichtet die gut passende 8 Euro Objektiv-Schelle aus dem Baumarkt einzusetzen. Es ist vom Stativ einfach zu mühselig mit dem RAYXAR E50/0,75 zu arbeiten. Also weiter aus freier Hand.
Gewinner bleibt die Vollformat Nikon Z6/7, weil sie mir die präziseste manuelle Fokussierung bietet. Ich werde das RAYXAR überwiegend modifiziert – ohne de hintere Linsengruppe – einsetzen. Weil ich dann von der Motiventfernung mehr Spielraum habe. Im Originalzustand habe ich mit meinem Setup ca. 30 cm Motivabstand, ohne die hintere Linsengruppe wird es rund 1 m!
Ralf Jannke, Juli/August 2025
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Autor: | Ralf Jannke |
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Erstellt: | 2.08.2025 |
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