Olympus Kompaktkamera mju-1
Hier stelle ich eine analoge Kompaktkamera von Olympus vor. Die mju war längere Zeit die kleinste 35mm-Kamera, bis Olympus die mju-II als Nachfolgerin präsentierte, die nochmals kleiner gebaut werden konnte. Ihr Grunddesign zitierte Olympus später in etlichen digitalen Kompaktkameras, auch ihr Name tauchte als Typenbezeichnung wieder auf.
Es gab auch etliche mju-Kameras mit Zoom-Objektiv, auf diese gehe ich hier nicht ein, diese werden in einem eigenen Bericht abgehandelt.
Spezifikationen
- Die 1991 vorgestellte Olympus mju ist 117 mm x 63 mm x 37 mm groß und wiegt 170 Gramm.
- Aufnahmemedium Kleinbildpatrone, Bildformat 24x36mm, DX-Film-Empfindlichkeitsabtastung für 50-3200 ASA-Filme (nicht codierte Filme werden mit 100 ASA belichtet)
- Das Objektiv ist eine 1:3,5/35 mm Festbrennweite mit 3 Elementen in 3 Gruppen
- Das Motiv wird über einen Realbildsucher mit Parallaxmarken und AF-Fadenkreuz anvisiert.
- Entfernungseinstellung automatisch, Entfernungsmessung über aktives Infrarot-System
- Belichtungssteuerung durch Programmautomatik und mittenbetont integrale Belichtungsmessung. Belichtungszeiten 1/15 bis 1/500 sek., Selbstauslöser mit 12 s Vorlaufzeit
- eingebauter Blitz mit Leitzahl 11
- keine Bildstabilisierung
- Energieversorgung durch Lithiumbatterie CR123A 3 Volt
Besonderheiten
Olympus war seit langem mit Spiegelreflexkameras am Markt vertreten, seit 1972 gab es die OM-Serie, die längere Zeit das kleinste und leichteste Spiegelreflexkamerasystem des Weltmarktes war. So lag es nahe, daß Olympus auch eine kleine Kompaktkamera entwickelte, die die Abmaße der Rollei 35 bzw. der Minox 35 unterbieten konnte. Die XA erschien 1979, sie ist in der Größe mit einer normalen Zigarettenschachtel (für 20 Glimmstängel) vergleichbar. 1991 lief die XA-Kameralinie aus und wurde durch die hier gezeigte mju-1 mit Autofokus ersetzt. Der Nachfolger des berühmten Olympus-Chefentwicklers Yoshihisa Maitani (von dem unter Anderem die OM-Kameras oder die XA entworfen wurde) war Tatsuya Suzuki, er setzte das revolutionäre Kameradesign seines Vorgängers fort. Eleganz, Kompaktheit, Funktion und modernste Fototechnik bilden in der mju eine Kombination, die die Kamera auch noch 30 Jahre nach Markteinführung als modern erscheinen lassen.
Die Kamera heißt in Europa mju, in anderen Ländern wurde sie auch als Stylus verkauft. Der Name wird ungewöhnlich geschrieben: µ [mju:] steht für den griechischen Buchstaben my, in der Wissenschaft steht es als Synonym für „Klein“, so ist ein µm z. B. ein Millionstel Meter oder ein Tausendstel Millimeter. Ein Mikroskop ist ein Gerät, mit dem man „Mikros“ = „Kleines“ „Skopein“ = „Betrachten“ kann.
Die mju ist die erste Olympus-Kamera mit Autofokus und Schieber (gleichzeitig Kamera-Hauptschalter), der seitlich geöffnet wird und das darunterlegende Objektiv schützt, so daß die Kamera einfach in die Jackentasche gesteckt werden kann, ohne in eine weitere Hülle bzw. Tasche gepackt werden zu müssen. Das Gehäuse ist zwar fast komplett aus Kunststoff, aber recht stabil. Jedoch ist es nicht kratzfest, so daß längere Zeit benutzte Exemplare deutliche Gebrauchsspuren aufweisen.
Aufnahmemedium ist die handelsübliche Kleinbildpatrone mit 12 bis 40 Aufnahmen, die Filmempfindlichkeit wird durch den auf der Filmpatrone vorhandenen DX-Code ermittelt. Da die Kamera sehr klein ist, muß zu Anfang weniger „blind verschossen“ werden, um den belichteten Filmanfang wegzutransportieren. Man erhält je nach Film ein bis zwei Bilder mehr, als die offizielle Angabe aussagt, ein 36er-Film hat also durchaus 38 nutzbare Aufnahmen zu bieten.
Weil die Kamera so klein ist, gibt es keinen Schnellspannhebel, sondern der Filmtransport erfolgt motorisch, auch das Rückspulen. Leider mußte aufgrund der Kompaktheit das legendär scharfzeichnende Objektiv der XA (2,8/35mm mit 6 Elemente in 5 Gruppen) gegen ein wesentlich einfacheres 3,5/35 mit nur 3 Elementen in 3 Gruppen getauscht werden, auch verbleibt es nicht in der Kamera, sondern beim Fokussieren bewegt es sich mehr oder weniger aus dem Gehäuse heraus.
Die Fokussierung erfolgt automatisch durch einen aktiven Infrarot-Lichtstrahl, dessen Reflektion vom anvisierten Objekt aufgefangen wird. Aus der Laufzeit des kurzen Lichtimpulses kann die Entfernung auf wenige Zentimeter genau ermittelt werden. Der Vorteil ist, daß dieses Meßsystem auch in der Dämmerung oder in absoluter Dunkelheit funktioniert, der Nachteil des Systems ist beim Fotografieren durch Glasscheiben zu erkennen: scharfgestellt wird immer auf das erste reflektierende Objekt, also die Scheibe und nicht auf das dahinterliegende eigentliche Motiv.
Der Blitz ist eingebaut, seine Leitzahl wird mit 11 angegeben, dieser Wert gilt aber vermutlich nicht wie üblich für 100 ASA / 21 DIN - Filme, sondern wohl eher bei 400 ASA, denn die Blitzröhre ist recht klein und im Inneren der Kamera ist auch gar kein Platz für einem Kondensator mit der für echte Leitzahl 11 benötigten Kapazität.
Der elektronische Verschluss arbeitet erschütterungsfrei, er stellt auch gleichzeitig die Blende ein (sogenannter Blendenverschluß), in dem er mehr oder minder weit geöffnet wird. Der Platz für eine zusätzliche Blende mit ihrer Antriebsmechanik kann somit entfallen.
Die Kamera hat nicht viele Bedienelemente, es gibt den Auslöser, eine Taste zur Blitzmodus-Umschaltung und eine weitere für den Selbstauslöser. Auf die Belichtungsmessung kann der Fotograf nicht einwirken, er muß sich immer auf die Automatik verlassen. Darum sollte man nur mit Negativfilm arbeiten, der Fehlbelichtungen besser ausgleicht, Diafilme sind in der mju nur schlecht korrekt zu belichten. Auf der Kameraoberseite gibt es ein kleines LCD-Feld mit der Zahl der gemachten Aufnahmen und dem Status von Blitz, Selbstauslöser und Batteriezustand.
Im Sucher wird nicht viel angezeigt, es gibt lediglich eine grüne LED, die bei ermittelter Motiventfernung leuchtet bzw. bei nicht meßbarem Motiv blinkt und eine rote LED, die bei geladenem Blitz aufleuchtet bzw. beim Aufladen des Blitzelkos blinkt.
Zur Stromversorgung dient eine der damals noch sündhaft teuren 3 Volt-Lithiumbatterien CR123A.
Der genaue UVP der mju-1 ist mir nicht bekannt, er betrug vermutlich um die 200-300 DM (entsprechend ca. 100 bis 150 Euro) mit Trageschlaufe.
Ich erwarb mein erstes Exemplar um 2000 im Gebrauchthandel für etwa 75 DM. Das abgebildete Exemplar erhielt ich 2017. Heutzutage ist die mju-1 erstaunlicherweise wieder sehr beliebt, sie kostet meist um die 75-100 Euro je nach Zustand und Lieferumfang.
mju Limited
Weil die mju-1 innerhalb kürzester Zeit ein enormer Verkaufserfolg war, erschien ein halbes Jahr nach Markteinführung ein auf 50.000 Exemplare limitiertes Sondermodell, die mju-1 Limited. Technisch war sie völlig baugleich, lediglich die äußere Hülle war nicht in simplem Schwarz gehalten, sondern dunkelsilber verchromt. Sie ist ein reines Sammlermodell, für die Benutzung ist sie eigentlich nicht zu gebrauchen, da die Verchromung schnell verkratzt und jeder Fingerabdruck auf der spiegelnden Oberfläche sofort störend auffällt.
Ecru
Ebenfalls 1991 baut Olympus die Technik der mju-1 in ein völlig anders aussehendes Gehäuse ein. In einem schneeweißen Karton verpackt wurde die ebenfalls hellweiße Ecrù auf weltweit 20.000 Exemplare limitierte Kamera zusammen mit einem Echtlederbeutel und einem Echtledertragegurt verkauft. Der Name kommt aus dem Französischen, dort bedeutet „Ecrù“ ungebleicht oder unbehandelt und meint die naturnahe Rohseide bzw. deren Farbton.
Daß die Ecrù der mju-1 technisch entspricht, erkennt man z. B. an der Anordnung des Suchers, der AF-Fensterchen und des Objektivs, der Hauptschalter der Kamera ist das Teil, das bei der mju-1 vom Schutzschieber betätigt wird, bei der Ecrù muß der Fotograf erst den Hochglanzdeckel abnehmen und den Schalter von Hand um etwa 30° verdrehen.
LT-1
1994 baut Olympus die Technik der mju-1 in eine weitere Kamera ein. Die LT-1 hat ein lederartig genarbtes Kunststoffgehäuse mit einer Echtlederlasche als Objektivschutz. „LT“ steht für „Leather Mold Technology“ und meint, daß in die Spritzgußform eine spezielle Struktur eingearbeitet wurde, so daß die Oberfläche der Kamera ähnlich wie echtes Leder genarbt ist und sich auch fast so anfühlt.
Auch die LT-1 benötigt keine Schutztasche, sondern bringt ist ihr eigenes „Hardcase“ mit. Neben dem gezeigten Braun gab es die Kamera auch in anderen, seltener verkauften Farben, z. B. grün und rot. Allerdings ist lediglich die Frontseite und die Schutzlasche bunt, die gesamte restliche Kamera besteht immer aus schwarzem Kunststoff, was den hochwertigen Eindruck der Frontseite je nach Betrachtungswinkel mehr oder minder deutlich eintrübt.
Daß die LT-1 der mju-1 technisch entspricht, erkennt man z. B. an der Anordnung des Suchers, der AF-Fensterchen und des Objektivs, der Hauptschalter der Kamera ist das Teil, das bei der mju-1 vom Schutzschieber betätigt wird, bei der LT-1 muß der Fotograf erst die magnetisch an der Rückseite gehaltene Lederlasche nach vorn klappen und den Schalter von Hand um etwa 30° verdrehen.
Qualitäts- und sonstiger Eindruck
Das Gehäuse der mju-1 ist größtenteils aus Kunststoff gefertigt, auch das Stativgewinde ist nur ein Spritzgußteil aus Plastik. Wie erwähnt benötigt die Kamera keine schützende Tasche, sondern sie hat ihr „Hardcase“ quasi eingebaut, da der Schieber das Objektiv staubdicht (nicht wasserdicht!) verschließt. Der Kunststoff ist leider nicht nicht kratzfest, so daß deutlich benutzte Kameras-Exemplare inzwischen ziemlich unansehnlich sind.
Der elektronische Verschluss sind relativ langzeithaltbar, die meisten Exemplare dürften noch funktionsfähig sein.
Die Kamera gehört zur Klasse der Kompaktkameras mit automatischer Fokus-Einstellung und Programmautomatik.
Das üblicherweise bei japanischen Kameras auftretende Problem, daß sich die Lichtdichtung der Rückwand im Laufe der Jahrzehnte in eine schmierige Masse verwandelt, die das Licht nicht mehr vom Film zurückhalten kann, ist bislang bei keinem meiner Exemplare aufgetreten, vermutlich wurde in den 1990er Jahren ein besseres Material als noch in den 1970er bis 1980er Jahren verwendet.
Die Bildqualität entspricht dem, was von einer damaligen Kompaktkamera mit 35mm-Weitwinkel erwartet werden konnte. Das Objektiv ist ein recht einfaches und leistungsschwaches Objektiv. Es verzeichnet tonnenförmig und bei Verwendung von Diafilm erkennt man die Vignettierung bei Offenblende. Bei Negativfilmen bzw. kleineren Blenden fällt die Vignettierung wesentlich weniger störend auf.
Auch im Jahre 2021 ist die mju-1 recht beliebt, die durchschnittlichen Verkaufspreise für eine 30 Jahre alte Kompaktkamera sprechen eine deutliche Sprache.
Fazit: eine kamerahistorisch interessante Kamera (weil erste AF-Kompaktkamera mit eingebautem Schutzgehäuse), heutzutage zum ernsthaften Bildermachen immer noch geeignet, sofern man auf Film fotografieren möchte und keine allzu hohen Ansprüche an die Bilder stellt. Wer AF und gute Bildqualität möchte, sollte zum Nachfolger mju-II mit einem wesentlich besseren Objektiv greifen.
Christian Zahn
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Autor: | Christian Zahn |
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Erstellt: | 30.01.2023 |
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