Hier stelle ich eine Kompaktkamera von Ricoh vor. Im Gegensatz zu vielen anderen von mir gezeigten Kameras ist sie völlig in Ordnung und ich habe sie nicht gebraucht, sondern neu gekauft.
Ricoh hat schon sehr früh, bevor es die meisten anderen machten, auf Verpackung aus Karton ohne allzuviel Kunststoff gesetzt. Lediglich Kleinteile wie USB-Kabel, Akku, Ladegerät usw. wurden in eine durchsichtige Tüte gepackt. Auf die „Eco-friendly Package“ wird auf dem Karton extra hingewiesen. Um den eigentlichen Karton ist noch eine weitere stabile, mehrfarbig bedruckte Pappe gezogen.
Die eigentliche Kamera im Karton ist recht klein. Das Zubehör inkl. der ausführlichen Anleitung braucht den übrigen Platz. Denn Ricoh legte nicht einfach eine gedruckte Kurzanleitung und den Rest als PDF auf CD bei, wie es damals schon oft gemacht wurde, sondern die gedruckte Komplettanleitung als jeweils einzelnes Buch in Deutsch und Englisch. In vielen weiteren Sprachen liegt sie als PDF auf der mitgelieferten CD vor.
Ricoh war ein eher kleiner Anbieter von Digitalkameras, er gehörte nie zu den Herstellern mit großen Stückzahlen. Ricoh bot auch nicht Hunderte von verschiedenen Kompaktknipskisten an, sondern einige wenige mit herausragenden Spezialitäten, z. B. die Edelkompakte GX100.
Die Kompaktkameras der R-Serie bzw. der CX-Serie boten schon sehr früh KB-äquivalente 28-200mm in einem sehr kleinen Gehäuse (im abgeschaltetem Zustand verschwindet das Objektiv ganz im Gehäuse, dazu werden einige Linsen seitlich verschoben).
2011 kaufte Ricoh den größeren Konkurrenten Pentax vom optischen Glashersteller Hoya und stellte bald darauf den Vertrieb von Kameras unter dem eigenen Namen ein, alle Ricoh-Kameras liefen danach unter dem Pentax-Logo.
Spezifikationen
- Die 2008 vorgestellte R10 ist 102 x 58 x 26 mm groß und wiegt ohne Akku und Speicherkarte 193 g.
- Der 1/2,3“ (6,2 x 4,6 mm) CCD-Sensor löst maximal 3648 x 2736 Bildpunkte = 10 Megapixel auf. Mit der ISO-Automatik oder manuell sind 80 bis 1600 ASA einstellbar. Videos sind in 4:3 Format mit 640 x 480 Pixel möglich. Bilder werden als JPEG auf SD/SDHC-Karte (max. 32 GB) gespeichert.
- Das Motiv wird über einen 3“ TFT LCD Monitor mit 460.000 Subpixeln angezeigt, der auch die Menüsteuerung übernimmt
- Das Objektiv ist ein 4,95-35,4mm/1:3,3-5,2 (28-200 mm @KB) 7-fach Zoom (10 Elemente in 7 Gruppen)
- Entfernungseinstellung Einzel-Autofokus (AF-S) oder kontinuierlicher Autofokus (AF-C) sowie manuelle Scharfstellung mit Sucherlupe, Ermittlung durch Kontrasterkennung auf dem Bildsensor
- Belichtungssteuerung durch Vollautomatik oder Programmautomatik und diverse Motivprogrammen. Belichtungszeiten 8 s bis 1/2000 sek. Selbstauslöser mit 10 s Vorlaufzeit
- eingebauter Blitz mit ca. Leitzahl 6
- Weißabgleich automatisch oder manuell mit diversen Vorwahlen wie Sonne, Wolken, Glühlampenlicht usw.
- optische Bildstabilisierung durch beweglichen Bildsensor
- Energieversorgung über DB-70 Lithium-Ionen-Akku
- USB über handelsübliche Mini-USB-2.0-Buchse
Alle Aufnahmen entstanden bei 80 ASA (sofern nicht anders gekennzeichnet), gespeichert als JPG, bikubisch auf 1500 Pixel Breite mit Photoshop CS4 verkleinert. Bildausschnitt, Helligkeit, Farben, Lichter/Schatten sowie Schärfe wurden nicht korrigiert, es sind also Bilder „Out of the Cam“. In viele Beispiele sind 100%-Ausschnitte vergrößert einmontiert.
Besonderheiten
- Der verwendete Akku DB-70 ist baugleich mit dem in etlichen Panasonic/Leica-Kompaktkameras benutzten Akku DMW-BCE10E. Z. B. findet er sich In der Lumix FX37. (Link auf Bericht)
- Im Akkufach ist eine mit Gummi ausgekleidete kleine Aussparung, durch sie kann das Kabel eines Akku-Dummys nach außen geführt werden, eine Netzteilbuchse ist nicht vorhanden.
- Das Objektiv wird nicht nur zusammengeschoben, um im ausgeschalteten Zustand im Gehäuse zu verschwinden, sondern einige Elemente werden zusätzlich seitlich verschoben. Auf Wunsch wird nicht stufenlos, sondern stufig mit von Kleinbild her bekannten Brennweiten-Äquivalenten wie 28, 35, 50, 135mm usw. gezoomt.
- Der Digitalzoom interpoliert nicht die Bildmitte hoch, sondern beschneidet lediglich die Bildränder bei Verkleinerung der Bildgröße. So wird nicht künstlich Speicherplatz für gar nicht vorhandene Bildinformationen verschwendet.
- Der USB-Anschluß nutzt eine übliche Mini-USB-2.0-Buchse. Es muß kein herstellerspezifisches Spezialkabel benutzt werden, daß bei Gebrauchtkauf sehr gerne fehlt. Auch die Videobuchse ist eine genormte Klinkenbuchse.
- Die Bedienung erfolgt größtenteils wie bei den Mitbewerbern, lediglich das Steuerkreuz ist durch einen platzsparenden Mini-Joystick inkl. Druckfunktion ersetzt, so kann das Display weit mehr als die Hälfte der Rückseite einnehmen.
- Am Gehäuse gibt es zwei Ösen für die Gurtbefestigung, mitgeliefert wurde jedoch nur eine Handschlaufe. Von Drittanbietern gab es Kameratragegurte für beide Ösen, so daß die GX100 um den Hals gehängt wie eine Spiegelreflex- oder Systemkamera getragen werden konnte, allerdings immer im Hochformat, da beide Ösen seitlich angeordnet sind.
- Das Bildformat für JPEGs kann eingestellt werden, 3:2, 4:3 und 1:1 (jawohl, quadratisch!) ist möglich, allerdings nur mit Verringerung der Bild-Pixelanzahl.
- Unter den vielen Motivprogrammen ist eines zur Entzerrung schräg aufgenommener Dokumente.
- Auf Wunsch kann die Kamera die Gammakurve der Aufnahmen verändern, um automatisch die Bild-Schatten aufzuhellen bzw. das Ausbrennen heller Bildteile zu verhindern.
- Die Kamera schreibt nicht die üblichen stufigen gerundeten Aufnahmewerte in die EXIfs, sondern die wahren Zahlen. Dabei kommen dann so „krumme“ Werte wie 1/73s, Blende 5,1 und 337 ASA heraus.
- Das Display ist ungeschützt eingebaut, eine entsprechende Schutzfolie sollte sofort aufgeklebt werden, um Kratzer zu vermeiden.
- Die Kamera hat einen Bildstabilisator durch Sensorausgleichsbewegungen, er ist für das Jahr 2008 sehr effizient. Ohne ihn wäre die 200mm Telebrennweite nicht aus der Hand nutzbar. Der für die Stabilisierung eingebaute Sensor kann auch als digitale Wasserwaage auf dem Monitor angezeigt werden.
- Die UVP der R10 betrug ca. 350 Euro. Ich erwarb das gezeigte Exemplar im Ausverkauf für etwa 150 Euro, nachdem der Nachfolger CX1 vorgestellt worden war und benutzte es bis ca. 2010 als „Immer-Dabei-Kamera“. Danach nutzten wir die R10 für viele Jahre zu Dokumentationszwecken im Betrieb, bis diese Aufgabe von den immer am Mann getragenen Smartphones übernommen wurde.
Qualitäts- und sonstiger Eindruck

Das Gehäuse ist fast komplett aus Metall gefertigt, an der Vorderseite ist ein kleiner Handgriff angebracht, an der Rückseite eine Daumenstütze. Allerdings muß man aufpassen, mit dem Mittelfinger den Blitz nicht abzudecken. Und wie allgemein üblich ist die Kamera für Linkshänder nicht sinnvoll nutzbar.
Wie damals fast immer war die Kamera neben dem gezeigten Schwarz auch in verschiedenen anderen Farben erhältlich.
Bei 1600 ASA sind die Bilder deutlich „verwaschen“, mehr als etwa 400 ASA sollten nur als Notbehelf benutzt werden. Konsequenterweise verwendet die ASA-Automatik der Kamera auch nie mehr als ISO 400.
Die objektivseitigen Fehler wie Verzeichnung und Vignettierung werden im Livebild nicht korrigiert, aber in den gespeicherten JPEGs sind sie beseitigt.
Fazit: eine digitalkamerahistorisch etwas interessante Kamera (weil Superzoomer in extrem kleinem Gehäuse), heutzutage zum ernsthaften Bildermachen durchaus noch geeignet.
Christan Zahn, Dezember 2020
Museum für alte Kameras sowie Fotogalerie:
http://www.ChrZahn.de
Dort auch Tipps zum Entwickeln von Farb- und SW-Dias
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Autor: | Christian Zahn |
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Erstellt: | 15.12.2020 |
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