Was kostet eine Digitalkamera?

Ein beliebtes Ratespiel in der Presse bei jedem neu erscheinenden iPhone ist die Analyse der darin verbauten Komponenten und daraus abgeleitet eine Schätzung der Smartphone-Herstellungskosten.

Aber was kosten Digitalkameras in der Herstellung?

Leider findet man nur wenige Quellen zu diesem Thema, so dass eigentlich nur mehr oder minder qualifiziertes Raten übrig bleibt. Ich habe daher die Herstellungskosten von Smartphone-Komponenten mit den Ersatzteilpreisen der gleichen Baugruppen verglichen und dies mit Ersatzteilpreisen von Digitalkameras ins Verhältnis gesetzt. Außerdem habe ich natürlich bekannte Herstellungskosten ähnlicher Komponenten berücksichtigt. Das Resultat erscheint mir plausibel - aber lesen Sie selbst.

Die Elektronik ist bei einer Kamera...

... durchaus vergleichbar mit der eines Smartphones. Sogar die integrierten Komponenten nähern sich in den letzten Jahren mehr und mehr an – mit WLAN, Bluetooth, NFC, Neigungssensor, GPS und so weiter. Bei den Smartphones gibt es einen starken Trend zu sogenannten SoC (System on Chip). Dabei sind die meisten Elektronikfunktionen zusammen mit dem Prozessor in einem einzigen Mikrochip untergebracht. Dies reduziert die restliche Elektronik erheblich und damit auch die Kosten. Bei Kameras findet man ähnliche Ansätze. Die großen Hersteller haben jeweils eigene Prozessorfamilien, in die immer mehr Funktionen integriert werden. Der eigentliche Prozessor ist dabei normalerweise keine Eigenentwicklung. Canon setzt beispielsweise bei den DIGIC-Prozessoren ebenso wie Nikon bei neueren Expeed-Chips auf einen ARM-Kern (wie auch die meisten Smartphones), allerdings ist auch jeweils ein digitaler Signalprozessor enthalten, der die Bilddaten berechnet und dabei weit mehr Rechenleistung mitbringt.

Kameras haben gegenüber Smartphones eine Reihe von Stromverbrauchern, die verschiedene Betriebsspannungen benötigen, insbesondere den Blitz und Motoren für Zoom und Fokus. Dies macht eine Wandler-Elektronik erforderlich, die es in dieser Form beim Smartphone nicht gibt.

Unterm Strich decken die Kosten für die Kameraelektronik abhängig von Prozessorleistung und integrierten Features einen sehr großen Bereich ab. Für eine einfache Kompaktkamera reichen 5 Euro aus, mit einem leistungsfähigen Bildprozessor, hohen Serienbildraten und hochauflösenden Videos sowie zahlreichen Funkstandards und Sensoren können die Kosten auch 30 – 50 Euro erreichen.

Display

Der Bildschirm eines aktuellen High-End-Smartphones liegt bei Herstellungskosten von gut 30 Euro, protzt dann aber auch mit riesiger Auflösung von 1920 x 1080 Pixel Full HD (2K) aufwärts und einer Diagonale von über 5 Zoll.

Bildschirme von Digitalkameras sind meist erheblich kleiner und haben eine deutlich niedrigere Auflösung. Beides zusammen führt dazu, dass wohl kaum ein Kamera-Bildschirm mehr als 10 Euro in der Herstellung kostet. Bei einfacheren Kameras ohne Touchscreen liegen die Kosten unter 5 Euro. In der gleichen Preisklasse liegen auch elektronische Sucher, wie man sie bei Superzoom- oder DSLM-Kameras findet.

Sensor

Hier hängen die Herstellungskosten eher von der Sensorgröße und der Fertigungstechnik ab als von der Auflösung. Ein winziger 5,8 x 4,3 mm Sensor der 1/2,5"-Klasse kostet keinen Euro. Ein 15x23 mm APS-C-Sensor kostet wegen der um ein Vielfaches größeren Fläche etwa 20 Euro, ein 24x36 mm großer Kleinbildsensor angesichts der geringeren Stückzahlen bis zu 100 Euro.

Objektiv

Komplette Objektiveinheiten für Kompaktkameras bekommt man als Ersatzteil zwischen 10 Euro (3-fach-Zoom für Canon Ixus ohne Sensor) und 40 Euro (z.B. Objektiveinheit für Canon SX 210 IS mit Sensor). Ich schätze die Herstellungskosten auf etwa die Hälfte davon.

Ganz anders sieht es natürlich bei DSLMs und DSLRs aus. Man kann hier aus der Differenz des Verkaufspreises mit und ohne Objektiv auf die Herstellungskosten der typischen Kit-Objektive schließen. Bei der einfachsten Kategorie unterscheidet sich der Preis um rund 50 Euro, die Herstellungskosten dürften also kaum über 30 Euro liegen.

Beide Kameratypen sind normalerweise mit aufwendigeren Sensoren für Autofokus und Belichtungssteuerung ausgestattet, was mit einigen Euros ins Budget einfließt. Bei Profikameras wird hier zum Teil ein erheblich größerer Aufwand getrieben, was ein maßgeblicher Faktor für den Preisunterschied zwischen Einsteiger- und Profimodellen ist.

Bei Spiegelreflexkameras kommt noch die Mechanik des Schwingspiegels und das Pentaprisma des Suchers hinzu. Je nach Ausführung fallen da zwischen 10 und 50 Euro an.

Gehäuse

Die primitiven Spritzgussgehäuse einfacher Kompaktkameras kosten nur wenige Cent, Plastikgehäuse mit Blechverkleidung wie bei den meisten Kompaktkameras auch nur wenige Euro. Teurer wird es bei größeren Kameras mit vielen Bedienelementen und einer Belederung an den Griffflächen. Das gilt insbesondere, wenn der Korpus aus einer Metalllegierung besteht und die Kamera ein hochwertiges Oberflächenfinish hat.

Stromversorgung

Am günstigsten ist natürlich ein Batteriefach für Mignonzellen oder andere Standardbatterien. Das kostet im Grund gar nichts, maximal einen Euro für die Erstausstattung mit Batterien. Wenn eine Kamera mit einem Akku ausgestattet ist, entstehen für diesen Herstellungskosten in der Gegend von 2 – 5 Euro und hinzu kommt noch ein Ladegerät, dessen Herstellung um die 5 Euro kostet.

Das "Drumherum"

Bei jeder Kamera kommt natürlich noch ein entsprechender Aufwand für die Verpackung, Anleitung, beigelegte Software, Speicherkarte etc. hinzu. Je nach Aufwand können hier 2 – 20 Euro anfallen.

Unterm Strich

Nehmen wir zunächst eine einfache Kompaktkamera vom Wühltisch: 5 Euro Elektronik, 3 Euro Bildschirm, 8 Euro Sensor + Objektiv, 1 Euro Gehäuse, 2 Euro Verpackung. Macht zusammen 19 Euro. Ist anstelle von Standardbatterien ein Akku vorgesehen, liegt der Preis 7 Euro höher. So ist dann ein Verkaufspreis in der Größenordnung von 50 Euro plausibel.

Bei einer hochwertigen Kompaktkamera mit WLAN, starkem Zoomobjektiv und leistungsstarker Bildprozessierung sind einige Komponenten deutlich teurer: 30 Euro Elektronik, 4 Euro Bildschirm, 25 Euro Sensor + Objektiv, 5 Euro Gehäuse, 8 Euro Akku + Ladegerät, 5 Euro Verpackung. Macht zusammen 77 Euro. Im Laden liegt so eine Kamera dann für 150 – 200 Euro.

Die Kalkulation bei einer DSLM sieht so aus: 40 Euro Elektronik, 15 Euro Bildschirm + elektronischer Sucher, 20 Euro Sensor, 30 Euro Kit-Objektiv, 15 Euro Gehäuse, 10 Euro Akku + Ladegerät, 10 Euro Verpackung. Macht zusammen 140 Euro. Im Laden zahlt man für so eine Kamera günstigstenfalls 250 Euro, meist jedoch deutlich mehr.

Eine Spiegelreflexkamera der Einsteigerklasse hat vermutlich sehr ähnliche Herstellungskosten: 40 Euro Elektronik, 5 Euro Bildschirm, 20 Euro Sensor, 20 Euro Spiegelmechanik und Sucher, 30 Euro Kit-Objektiv, 15 Euro Gehäuse, 10 Euro Akku + Ladegerät, 10 Euro Verpackung. Macht zusammen 150 Euro. In den Verkauf gehen solche Kameras dann ab ca. 300 Euro.

Bei einer hochwertigen Spiegelreflexkamera sind die Komponenten dann durch die Bank teurer: 50 Euro Elektronik, 10 Euro Bildschirm, 50 Euro Sensor, 50 Euro Spiegelmechanik, 100 Euro Kit-Objektiv, 25 Euro Gehäuse, 10 Euro Akku + Ladegerät, 10 Euro Verpackung. Zusammen ergeben sich hier 305 Euro, der Verkaufspreis liegt hier jedoch deutlich jenseits von 1000 Euro.

Fazit

Was die reinen Herstellungskosten natürlich nicht enthalten, sind Entwicklungskosten, Werbung, Handelsspannen, Zölle, Steuern und am Ende natürlich auch noch ein Gewinn für den Hersteller. Zusammen macht das meist mehr als die Hälfte des Kaufpreises aus.

Wie überall hat Qualität auch bei Kameras ihren Preis. Große Hersteller profitieren von größeren Stückzahlen – investieren aber auch mehr in die Entwicklung und Vermarktung. Die Gewinnspannen wachsen bei höheren Verkaufspreisen. Das fällt besonders bei „Geschwistermodellen“ auf, deren Unterschiede häufig in den Herstellungskosten bei nur wenigen Euro liegen – die dann aber beim Verkaufspreis gerne 50 oder 100 Euro auseinanderliegen.

Falls Sie Insider-Wissen zu diesem Thema haben und Angaben aus diesem Bericht bestätigen oder widerlegen können, würde mich das sehr freuen.

Organspender...

Für die Bilderstrecke dieses Beitrags musste die hier abgebildete Fuji F550EXR von 2011 herhalten. Die Kamera hat eine defekte Objektivbaugruppe und daher konnte ich beim Zerlegen letztlich nichts mehr kaputtmachen.

Ich habe die Kamera am Ende natürlich wieder zusammengesetzt. Sie meldet nach wie vor einen Objektivfehler, aber immerhin funktioniert sie nicht schlechter als zuvor...

Kommentare (3)

  • Radomianin
    Radomianin
    am 28.03.2018
    Das ist ein sehr aufschlussreicher Artikel. Herzlichen Dank für Ihre wertvollen Informationen. Viele Grüße!
  • Holger Heusner
    Holger Heusner
    am 06.05.2021
    Sehr informativ. Vielen Dank. Wollte immer schon mal wissen, wie hoch die Herstellungskosten von einem Sensor sind
  • Sabine
    Sabine
    am 01.07.2021
    Vielen Dank für die Mühe. So habe ich das als begeisterte Fotografin noch nie gesehen :-)
    Macht ja auch beim Kauf keinen Unterschied. Ist ja bei allen Produkten so oder so ähnlich.
    Die Preise der vergleichbaren Kameras unterschiedlicher Hersteller fallen ja doch ähnlich aus,
    obwohl der eine bessere oder weniger Features anbietet ;-). Wirklich viel sparen (ohne Qualitätseinbußen) durch Auswahl ähnlicher Kameramodelle kann man nicht. Und Leica schießt ja sowieso preislich durch die Decke. Da sind die Komponenten im Gehäuse bestimmt vergoldet ;-)
    Ob die alle wohl am Stammtisch sitzen? :-)
    Danke für den Denkanstoß. Viele Grüße.

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