Infrarotfotografie mit der Nikon DSLR D50, Praxisbeitrag von Christian Zahn

​​​​​​​Warum die Nikon D50?

Hier im Digicammuseum.de muss es natürlich eine historische Digitalkamera sein, und keine aktuell noch neu Erwerbbare. Dass ich die Nikon D50 nehme, hat einen recht einfachen Grund: Sie ist ab Werk IR-tauglich.

Diese Eigenschaft teilt sie sich mit den weitgehend baugleichen Kameras Nikon D70 und D70s. Leider haben fast alle Exemplare dieser beiden Kameras inzwischen fast alle das Problem der korrodierenden CF-Kartenfachkontakte. Hat man eine Speicherkarte gefunden, die keinen „Card-Error“ auf dem Display zeigt, dann läßt man diese Karte ab da für immer in der D70(s) und holt die Bilder per USB aus der Kamera. Dummerweise ist es USB 1.1 mit ca. 1 MB/Sekunde maximaler Übertragungsrate. 1 GB RAWs dauern dann entsprechend lange. 

Die D70s hat gegenüber der D50 einen Vorteil: man kann einen elektrischen Drahtauslöser anschließen. Die D50 kann nur per IR-Fernauslöser betätigt werden, was gerade an hellen Sonnentagen meist nicht zuverlässig funktioniert. Aber es gibt einen brauchbaren Work-Around: Einfach den Selbstauslöser der D50 mittels der entsprechenden Taste neben dem Auslöser aktivieren und dann auslösen.

Die D50/D70(s)-Kameras nehmen natürlich immer IR-Anteile mit auf, auch wenn man normale Fotos macht. Das war damals nach Vorstellung der Kamera schnell herausgekommen, da z. B. schwarze Pullover einen häßlichen Purpurstich (Magenta) erhalten, weil sie IR abgeben. Der Grund ist recht einfach: alle Kamerasensoren sind auch für UV- und IR-Strahlung empfindlich. Da das bekannt ist, wird normalerweise ein Sperrfilter vor dem Sensor montiert, der nur das für Menschenaugen sichtbare Licht durchläßt (dieser Filter ist übrigens das Teil, das wir putzen, wenn wir den „Sensor“ reinigen. Der eigentliche Sensor liegt geschützt darunter.) Nikon hat bei der D70/D50 einen sehr „dünnen“ Sperrfilter verbaut, der fast das gesamte IR-Spektrum durchläßt.

Leica hat es bei der M8 / M8.2 ähnlich gemacht (eigentlich, um die Schärfeleistung durch den dünnen Filter zu steigern) und lieferte dann kostenlos an jeden Kunden dieser beiden Kameramodelle auf Wunsch zwei IR-Sperrfilter, die der Kunde VOR das Objektiv schrauben konnte.

Ein weiterer Vorteil der D50 ist: Die im Prisma eingebaute Matrix-Belichtungsmessung ist auch für IR empfindlich. Darum kann man einfach in Blendenvorwahl mit Zeitautomatik fotografieren, während bei anderen Kameras aufwendig ein Testbild gemacht und mittels des Histogramms bei der Bildwiedergabe beurteilt werden muß. 

Fast alle anderen historischen Digitalkameras und alle aktuell (Herbst 2020) verkauften Digitalkameras haben einen IR-Sperrfilter eingebaut und müssen extra auf IR umgebaut werden, in dem der Filter gegen einen anderen getauscht wird. Dafür gibt es Spezialfirmen (z. B. www.optic-makario.de/).

Bei manchen ist der IR-Sperrfilter nicht so konstruiert, dass gar kein IR durchkommt, sondern nur so wenig, dass es bei der normalen Fotografie nicht stört (z. B. die Olympus Pen E-P5). Bei diesen Kameras sind aber die Belichtungszeiten bei reiner IR-Fotografie ziemlich lang, so dass man auf den „B“ Bulb-Modus mit Messung per Stoppuhr ausweichen muß und die Belichtungszeiten bei Blende 8-11, hellem Sonnenschein und 200 ASA 1 bis 4 Minuten betragen können. Außerdem haben mFT-Objektive keinen IR-Index und lassen sich nur durch „Drive-by-Wire“ elektrisch fokussieren.

Was ist Infrarotfotografie?

Infrarotfotografie ist das Fotografieren in einem Lichtspektrum, dass das menschliche Auge nicht mehr sehen kann. Wir sehen etwa von 380 Nanometer Wellenlänge (Violett) bis etwa 750 Nanometer (Rot). Oberhalb von 750 Nanometer ist unser Auge blind. Tiere hingegen können weit bis in das infrarote Spektrum sehen (Schlangen z. B. haben das Grubenorgan, mit denen sie in absoluter Dunkelheit die Wärmestrahlung der Beutetiere erkennen können).

In der Natur ist viel Infarotstrahlung vorhanden: Die Sonne versorgt uns gratis mit jeder Menge davon, die wir an sonnigen Tagen als Wärme nur spüren, aber nicht sehen können. Das in Blättern enthaltene Chlorophyll (Blattgrün) ist für IR transparent und verschiebt zusätzlich das für uns sichtbares Licht in den IR-Bereich. Beides ist für Pflanzen lebenswichtig, da sie sonst an sonnigen Tagen zu viel Wärme aufnehmen würden. Im IR-Bild leuchten grüne Pflanzen dann schneeweiß, der berühmte Wood-Effekt (nein, nicht nach dem englischen Wort für Holz, sondern nach Mister Wood, der das entdeckt hat.)

Nehmen wir nun eine für IR-Strahlung empfindliche Kamera und sperren mit Hilfe eines geeigneten Filter das gesamte sichtbare Licht, so gelangt nur noch das infrarote Licht auf den Sensor. Dafür gibt es verschiedene Typen, sie sperren ab 720 Nm, 830 Nm oder gar 1000 Nm. Alternativ kann man auch einen evtl. vorhanden Tiefrot-Filter (ca. 600 Nm) nutzen, der läßt aber noch viel sichtbares rotes Licht durch. Je höher die Zahl des Filters, desto weniger läßt er durch, desto länger werden die Belichtungszeiten. Üblicherweise nimmt man einen Filter mit 720 Nm, dieser ist für unser Auge schon schwarz; nur wenn wir den gegen die Sonne halten, können wir schwach ein rotes Sonnenbild erkennen.

Manche nehmen auch einen niedrigeren Sperrfilter (550 Nm, dann sind noch andere Farbanteile im Bild vorhanden, die Blätter leuchten weiß, aber durch geschickte Kanaloperationen in der Bildbearbeitung kann man dann einen blauen Himmel dazu erzeugen.

Welche Objektive kann man nehmen?

Prinzipiell eigentlich alle. Jedoch ist es von Vorteil, wenn sich das Objektiv manuell gut fokussieren läßt, sich aber trotzdem nicht von allein verstellt. Idealerweise nimmt man eine Festbrennweite und kein Zoom.

Wichtig ist noch zu wissen, dass die Objektivgläser für die verschiedenen Farben des Spektrums unterschiedliche Brechkraft haben (die verschiedenfarbigen Lichtstrahlen treffen nicht in einem Punkt zusammen, sondern je nach Farbe vor, in oder hinter der Sensorebene). Je „röter“ das Licht, desto mehr wandert die Schärfenebene nach hinten. Alte manuell zu fokussierende Objektive haben darum einen sog. IR-Index, eine Markierung neben dem Schärfeindex für normale Aufnahmen. Frühe AF-Festbrennweiten haben das oft auch noch, bei alten Zooms oder heutigen Objektiven fehlt dieser Index leider fast immer. Aufwendige IR- Schärfe-Testreihen sind dann erforderlich.

Lediglich bei apochromatisch korrigierten Objektiven neuerer Bauart (meist Teleobjektive) ist der IR-Fokusshift nicht erforderlich.

Zusätzlich kann es sein, dass ein Objektiv im IR-Bereich einen IR-Hotspot hat, eine helle Stelle in der Bildmitte, die beim normalen Fotografieren überhaupt nicht sichtbar ist. Je kleiner die eingestellte Blende, desto stärker tritt der Spot auf. Nicht jedes Objektiv erzeugt einen sichtbaren Spot, unter kolarivision.com/articles/lens-hotspot-list/ gibt es eine ausführliche Liste, welche Objektive nutzbar sind und welche nicht.

Bei der D50 gibt es die Besonderheit, dass Belichtungsmessung nur bei Objektiven mit CPU funktioniert. Darum nehme ich AF-Festbrennweiten, insbesondere das AF-Nikkor 2,8/24 (ergibt am APS-C-Sensor einen Bildwinkel entsprechend etwa 36mm bei Vollformat) und das 1,8/50 AF-D (entsprechend etwa 75mm bei Vollformat). Beide haben 52mm Frontgewinde, so dass ich für den aus analogen Zeiten noch vorhandenen IR-Filter mit 58mm noch einen Adapterring 52>58mm benötige.

Wer es bequem haben will und nicht dauernd den Filter an- und abschrauben möchte, kauft noch einen Magnethaltering mit passendem Gewinde. Der eine Teil wird davon wird ins Objektiv geschraubt, der andere Teil an den Filter. Nun kann der Filter einfach „angeklickt“ bzw. abgezogen werden.

Was wird gebraucht?

  • stabiles Stativ
  • Nikon D50
  • Objektiv
  • IR-Filter
  • ggf. Step-Ring zwischen Objektiv und IR-Filter, evtl. Magnethaltering dazu
  • ein sonniger Tag, am besten mit einigen „Schönwetter-Wolken“ für hübschen Himmel
  • geeignete Motive
  • Zeit

Zu den Motiven: Prinzipiell kann man alles im Infrarotlicht fotografieren, aber wie oben beschrieben erzielen lebende Pflanzen den Wood-Effekt am deutlichsten. Unbekannte Orte betrachtet man sicherheitshalber zunächst auf einer Online-Karte, wann die Sonne günstig steht. Gegenlicht ist nicht förderlich, die Sonne sollte möglichst von hinten kommen oder zumindest so weit seitlich, dass sie weder im Bild erscheint noch in die Objektiv-Streulichtblende einstrahlt.

Wie wird fotografiert?

Grundsätzlich aufgrund der langen Belichtungszeiten und dem für das menschliche Auge undurchsichtigem IR-Filter nur mit Stativ fotografieren! 

Zur leichteren Bildbearbeitung keine JPEGs in der Kamera erzeugen, sondern im RAW-Format aufnehmen. Die Blende sollte etwa 8-11 betragen aufgrund der Tiefenschärfe und der IR-Fokusdifferenz. Die D50 wird in den „A“-Modus geschaltet (Blendenvorwahl mit Zeitautomatik) und auf 200 ASA gestellt.

Ohne Filter wird die Kamera auf das Motiv gerichtet. Nun kann das Objektiv auf das Hauptmotiv entweder manuell bis zum Erscheinen des Fokusindikators im Sucher scharfgestellt werden oder durch den Autofokus der Kamera. Zur Sicherheit mache ich dann immer ein normales Farbbild zwecks Kontrolle später bei der Bildbearbeitung.

Nun ist es wichtig, die Kamera in den manuellen Fokusmodus zu schalten und die angezeigte Schärfenebene auf den IR-Indexpunkt des Objektives zu verschieben. Je nach Brennweite und Objektiv liegt er näher oder weiter von der normalen Fokusmarke entfernt, aber immer in Richtung „näher“. Dadurch wird der aufgenommene Bildausschnitt etwas kleiner, was sich insbesondere bei Nahaufnahmen störend auswirken kann. Bei Objektiven mit Innenfokussierung kann es zusätzlich sein, dass sich beim Näherfokussieren die Brennweite verändert!

Jetzt wird (ohne dass dabei die Fokussierung verändert wird!) der IR-Filter aufgeschraubt, die D50 in den Selbstauslösermodus durch Drücken der entsprechenden Taste neben dem Auslöser gebracht, das Okular der Kamera abgedeckt (damit kein helles Fremdlicht die Belichtungsmessung verfälscht) und der Auslöser betätigt. Die D50 hat mit der Zeitautomatik  bei Blende 11, hellem Sonnenlicht und normalen Motiven eine Belichtungszeit von etwa 4-15 Sekunden bei Verwendung meines IR-Filter, je mehr sichtbares Licht das Filter sperrt, desto länger wird die Zeit. Länger als 30 Sekunden belichtet die Kamera nicht, dann muß die Blende etwas geöffnet werden. Das Histogramm der Kamera ist natürlich deutlich eingeschränkt, da es nur im roten Kanal etwas anzeigt, aber zur Abschätzung der korrekten Belichtung ist es gut geeignet. Wie bereits weiter oben erwähnt, muß bei anderen Kameras die Belichtungszeit geschätzt werden und im „M“-manuellen Modus gearbeitet werden mit anschließender Histogrammbeurteilung und Belichtungszeitkorrektur für das dann hoffentlich korrekt belichtete zweite Bild. Dabei ist zu beachten, dass das am Monitor gezeigte Bild deutlich farbverfälscht ist.

Wie werden die Bilder bearbeitet?

Ich benutze folgenden Workflow: Mit GraphicConverter (Mac) werden die Aufnahmen gesichtet (die RAW-Engine darin ist sehr schnell, das reicht für die Schärfenbeurteilung in der Diaschau aus) und unbrauchbare gelöscht. Mit Nikon Capture NX werden die Bilder zu TIFFs entwickelt (Verzeichnungs- und Vignettierungskorrektur ist eingeschaltet, weitere Funktionen jedoch nicht) und an Photoshop CS6 übergeben, worin die weitere Bildbearbeitung erfolgt. Die Wandung der bearbeiteten TIFFs in archivierbare JPEGs erledigt wieder der GraphicConverter, da er meiner Meinung nach bei gleicher Qualität kleinere Dateien bzw. bei gleicher Dateigröße bessere Bilder erzeugt als die JPEG-Engine von PS CS6.

Die Bildbearbeitung in Photoshop umfasst folgende Arbeitsschritte:

Bild öffnen

Gradationskurven bearbeiten (zunächst ein Klick auf Automatisch, danach evtl. Feineinstellung von Hand

Dass nicht nur im Rot-Kanal, sondern auch im Blau- und insbesondere im Grünkanal Informationen sind, liegt am Bayer-Pattern der Bildsensoren. (Siehe de.wikipedia.org/wiki/Bayer-Sensor) Diese Interpolation sorgt dafür, das auch den roten Bildpunkten benachbarten Pixeln Helligkeits- und somit Farbinformationen „übergeben“ werden. Und da im Bayernpattern Grünpixel öfter vorkommen, ist im Grünkanal des Bildes auch „mehr los“.

Farbton/Sättigung reduzieren, da das Bild fast immer noch zu rotstichig ist.

Entweder ganz reduzieren (-100) oder einen leichten roten Ton im Bild belassen, je nach Bildeindruck. Eventuell kann auch die Farbinformation ganz gelöscht werden (durch Bild>Modus>Graustufen).

Gegebenenfalls Tiefen und Lichter nachbearbeiten …

… um Zeichnung in den Schatten zu erhalten oder überstrahlte helle Stellen abzudämpfen.

  • Abschließend leicht nachschärfen und abspeichern sowie schließen
  • Die Wandlung ins finale JPEG erfolgt (wie oben erklärt) mit dem GraphicConverter
  • Für viele der oben beschriebenen Schritte kann man sich in PS Tastaturkurzbefehle oder gar ganze „Aktionen“ mit aufeinanderfolgenden Schritten anlegen

Zum Abschluss als Vergleich das Farbbild der oben bearbeiteten IR-Aufnahme

Was kommt heraus?

​​​​​​​Was kostet das Ganze?

Sofern eine geeignete Kamera, nutzbare Objektive und ein gutes Stativ sowie Bildbearbeitungssoftware bereits vorhanden ist, muß lediglich ein passender IR-Filter gekauft werden. Markenqualität von Heliopan, Hoya usw. kostet je nach Filtergröße von etwa 40 bis etwa 100 Euro. Nimmt man Chinaqualität von Importeuren, die es unter Dutzenden Markennamen in Onlineshops gibt, bekommt man teilweise sogar mehrere Filter mit verschiedener Transmission in einem Set je nach Filtergröße für 30-50 Euro (meist Sätze mit 720, 750, 850 und 950 Nm) oder einzelne Filter für etwa 10 Euro. Von den China-IR-Filtern mit einstellbarer Transmission (meist zwischen 500 und 750 Nm) sollte man Abstand halten, die Bildergebnisse dieser Filter sind fast immer unbrauchbar.

Eine gebrauchte D50 kostet (Stand Herbst 2020) um 50 Euro, wobei das dabei evtl. mitverkaufte Kitobjektiv (egal welches!) für IR ungeeignet sein dürfte. 

Das gezeigte 2,8/24 AF-Nikkor liegt bei etwa 100-150 Euro, als Version 2,8/24 AF-D meist etwa 30-50 Euro mehr.

Und nun: Auf in die Landschaft zur fröhlichen Motivjagd und allzeit gut (IR-)Licht.

Christian Zahn, Herbst 2020

Christian Zahn betreibt auch die eigene Internetseite „Museum für alte Kameras sowie Fotogalerie“.

Dort werden unter anderem (Analog-) Kameras von AGFA bis Zeiss vorgestellt.

 

 

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