AGFA family
- 28. Mai 2020 - Wissen, Sammeln
AGFA-Irrsinn
>> Wir sollten uns (...) keine Sorgen machen. (...) Sowohl qualitativ, als auch preislich steht die digitale Fotografie mindestens für zehn, zwanzig Jahre nicht in direkter Konkurrenz zu der klassischen. << Aus: „AGFA EXPERTENTRAINIG (19)96, Nr. 4 – Die Zukunftsperspektiven“
Eine Fehleinschätzung mit katastrophalen Folgen: Am 31. Dezember 2005 ist AGFA zahlungsunfähig und stellt die Produktion von Filmen und Fotopapier ein. Nur der Markenname AGFA lebt weiter... Mit diesem Intro beginnt hier der Praxisbericht: „AGFA Digitalkameras, ein nachdenklich stimmendes Kapitel“
AGFAs schlimmste Fehlentscheidung? Vermutlich.
Es gibt aber noch einen AGFA-"Klopper", die AGFA family. Wenn es im „Guiness-Buch der Rekorde“ je eine Rubrik für „Das falscheste Produkt am verkehrtesten Platz zum ungünstigsten Zeitpunkt“ gegeben hätte, der Eintrag wäre AGFA sicher gewesen! (Zitat Naturfotograf Fritz Pölking, gestorben 2007)
Bei Agfa Family handelte es sich um ein 1980 auf der photokina vorgestelltes Super-8-Kamerasystem von Agfa, mit dem man sowohl filmen, als auch fotografieren konnte.
Da sich Filmkameras in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre durch die heraufziehenden Videokameras im Fotohandel immer schwerer verkaufen ließen, nahmen die Händler Anfang der 1980er Jahre Filmkameras aus ihrem Angebot.
Auf die schwarze Taste gedrückt, nahm die AGFA family durch ihr Fixfokus-Movaron 1,5/10 mm Super8-Filme mit den gewohnten 18 Bildern/s auf. Durch die Fixfokus-Konstruktion sollte von 0,8 m bis Unendlich alles scharf sein. Die Belichtungszeit für jedes Einzelbild des bewegten Films betrug immer 1/30 s. Drückte man statt der schwarzen auf die orangefarbene Taste, nahm die family Einzelfotos mit verwacklungsanfälliger 1/30 s Belichtungszeit auf. Die dabei so markiert wurden, dass der Film bei der späteren Vorführung im zum System gehörenden Projektor bei den markierten Einzelbildern anhielt. Einzelbilder und Markierung waren übrigens keine AGFA-Idee!
Woher AGFA den Optimismus nahm mit der AGFA family zu punkten, wusste im eigenen Haus wohl keiner so richtig… Was sollte qualitativ bei Fotos auf einer winzigen Fläche von 5,69 mm x 4,22 mm rauskommen? Im Vergleich zum 24 x 36 mm Kleinbildformat, dem Pocket-Kassettenfilm (Typ 110) mit 13 mm x 17 mm Fläche (heute das digitale FourThirds-/microFourThirds-Format!) oder dem Flop Kodak-Diskfilm mit 8 x 10,5 mm Fläche.
Aus Fotografensicht das interessanteste Zubehörteil dürfte ein erst 1981 lieferbarer, seitlich ansetzbarer Sofortbild-Zusatz gewesen sein, der mit Kodak Typ PR 10 Sofortbildfilm geladen wurde, der von den mit der family aufgenommenen Einzelbildern 6,8 x 9 cm Vergrößerungen lieferte. Deren Qualität möchte ich nicht gesehen haben…
Die AGFA family erwies sich als praktisch unverkäuflich. Die Zeit des Super-8-Films war vorüber, woran die zusätzliche Foto-Funktion nichts ändern konnte. Das System hatte mit den aufwendigen Kunststoffgehäusen für Kamera und Projektor immense Entwicklungs- und Produktionskosten verursacht, die wesentlich zum Untergang des Camerawerks München beitrugen.
Die komplette Geschichte zur AGFA family und das gesamte Zubehör ist in allen Einzelheiten bei Wikipedia nachzulesen nachzulesen. Zum Schluss nochmal Fritz Pölking:
"Gerüchteweise wollte sich der Verantwortliche für diesen am grünen Tisch konzipierten Flop AGFA family aus dem vierzehnten Stock der AGFA-Verwaltung stürzen. Sein Selbstmordversuch misslang, da sich die Kartons der unverkäuflichen family schon bis zum zwölften Stock stapelten…"
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