Agfa ePhoto CL50
Hier stelle ich eine der wenigen digitalen Kompaktkameras von Agfa vor. Sie ist in Kooperation mit Sanyo entstanden und wurde technisch baugleich auch von diesem Hersteller verkauft. Als Besonderheit hat sie ein vom Umgebungslicht beleuchtbares Display. Ralf Jannke hat beide Modelle und stellt sie nebeneinander vor.
Spezifikationen:
- Die 1999 vorgestellte Agfa ePhoto CL50 ist 131 x 72 x 56 mm groß und wiegt 300 Gramm
- 1/2,7“ CCD-Sensor mit je 1280x960 Pixeln (1,3 Megapixel), 90 ASA feste Empfindlichkeit. Videos sind nicht möglich, Live-View ist möglich. Bilder werden als JPEGs auf SmartMedia-Karten (maximal 64 MB) abgelegt.
- 1:2,8-1:4,7/5,3-15,5mm Dreifachzoom (entsprechend 34-102mm bei Kleinbild)
- Das Motiv wird über einen Realbildsucher anvisiert, zusätzlich 2“-Farb-Display mit 110.000 Subpixeln, außerdem SW-Statusdisplay für Restbildanzeige und einige Kameraparameter
- Autofokus durch Kontrasterkennung auf dem Bildsensor
- Belichtungssteuerung durch Voll-Automatik, Belichtungszeiten 1/2s bis 1/500 sek., Selbstauslöser mit ca. 10 sek. Vorlaufzeit
- Weißabgleich automatisch
- keine Bildstabilisierung
- eingebauter Blitz mit Leitzahl 8,6
- Energieversorgung durch 4 Mignonzellen
Besonderheiten
Agfa war ein sehr alter Hersteller von fotografischen Materialien (Wolfen/Bitterfeld, Leverkusen, Mortsel-Belgien), die Anfänge reichen bis in das Jahr 1850. 1891 stellte die AGFA (Aktiengesellschaft für Anilin-Fabrikation) mit Rodinal den ältesten heute noch produzierten Entwickler für Schwarzweißfilme vor. Rodinal ist (sofern korrekt gelagert) sehr lange haltbar.
Das Agfa-Kamerawerk in München wurde nicht selbst aufgebaut, sondern die Optische Anstalt Alexander Heinrich Rietschel übernommen, das Werk produzierte bis 1981, danach wurde die Produktion an Subunternehmen ausgelagert. Die Objektive bezog die AGFA unter anderem von Staeble (Altenstadt/Bayern), das 1969 schließlich übernommen wurde. Ebenso wurden weitere Hersteller von photochemischen Produkten zugekauft, unter anderem Leo Perutz (München), Mimosa (Kiel), Iloca (Hamburg), Leonard (ebenfalls Hamburg) und 1964 übernahm Agfa die Gevaert aus Belgien. 1981 schließlich übernahm Bayer die Agfa-Gevaert zu 100%. 1999 wurde Agfa aus dem Bayer-Konzern herausgelöst und wieder eigenständig, 2004 wurde die defizitäre Fotosparte aus der Agfa-Gevaert-Gruppe ausgegliedert und ging 2005 in Insolvenz, seitdem sind Artikel mit dem Agfa-Namen lediglich zugekaufte Produkte anderer Lieferanten.
Ähnlich wie Kodak sah die AGFA in der aufkommenden Digitalkameratechnik keine Gefahr für den Verkauf ihrer analogen Filme und Fotopapiere, die Qualität erschien zu schlecht. Daß sich das innerhalb weniger Jahre entscheidend ändern würde, sah man Mitte der 1990er Jahre nicht voraus. Ab etwa 2000 sank der Umsatz der Filme und Fotopapier für den Hobbyknipser stetig, so daß alle großen Hersteller (unter anderem Kodak, Fujifilm und Agfa) in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerieten, weil die Produktion nicht sinnvoll verkleinert werden konnte. Agfa produzierte beispielsweise an einem einzigem Tag eine etwa Fußballfeldgroße Fläche an Rohfilm, diese Filmbegießmaschine konnte weder langsamer produzieren noch lediglich einen Tag im Monat. Darum blieb nur die Abwicklung der Fotosparte. Heute produzieren Kleinhersteller wieder Filme auf Agfa-Maschinen, aber es reichen dafür die sogenannten „Probegußanlagen“, auf denen die Agfa früher neue Emulsionen im kleinen Maßstab austestete.
Viele digitale Kameras von Agfa hießen ePhoto, einer Abkürzung von „Electronic Photo“. „CL“ steht für „Conventional Line“ und meint, daß die Kamera eher wie eine analoge Kompaktkamera aussieht. Die Vorgängermodelle waren noch wesentlich „spaciger“ entworfen und hatten keinerlei Ähnlichkeit mit den Benutzern vertrauten Bauformen.
Die CL50 ist keine AGFA-Eigenentwicklung, sondern in Kooperation mit Sanyo entwickelt worden (möglicherweise ist der Agfa-Anteil am Entwicklungsprozess sehr klein gewesen und beschränkte sich auf umzusetzende Vorgaben). Die Sanyo VPC-Z400EX erschien einige Monate vorher, sieht jedoch auf den ersten Blick ziemlich anders aus. Erst auf den zweiten Blick wird klar, daß lediglich die „Kamerahaut“ anders gestaltet ist. Und auch die EXIFs nennen weder die Sanyo noch die Agfa-Bezeichnung, es steht „Agfa Gevaert SR841“ in jedem Bild. Während die Sanyo mit „Made in Japan“ gelabelt ist, steht auf der Agfa „Made in Korea“. Ob die Fertigung im koreanischem Werk von Sanyo erfolgte oder ggf bei einem anderem OEM-Herstellbetrieb, ist nicht bekannt.
Die Angabe „Megapixel“ auf der Kamera ist merkwürdigerweise abgerundet, die Kamera hat echte 1,3 Megapixel. Mit Hilfe der damals mitgelieferten Software „Agfa PhotoGenie“ konnten die Bilder bis auf 1600x1200 Pixel (1,9 Megapixel) hochskaliert werden, die Ergebnisse waren durchaus ansehnlich, hielten aber den Vergleich mit nativen 2 Megapixelkameras nicht stand.
Der Gehäuseblitz ist fest eingebaut. Die Blitzbelichtungsmessung erfolgt möglicherweise TTL mittels Vorblitz. Es gibt vier Blitzmodi, in denen die Brennweite und die Blende fest eingestellt sind, um mit externen Studioblitzen arbeiten zu können, diese müssen „drahtlos“ mit einer Slavezelle mitgezündet werden, die Blitzleistung muß der Fotograf selbst steuern.
Die Kamera hat einen optischen Realbildsucher, wie üblich weicht das aufgenommene Bild besonders im Nahbereich von Sucherbild ab. Zwar ist Live-View über das Display möglich, aber der Sensor und die Batterien erwärmen sich dadurch stark und die Akkulaufzeit wird drastisch reduziert. Um Strom zu sparen, ist es möglich, die Hintergrundbeleuchtung des Displays abzuschalten und das Umgebungslicht dafür zu nutzen.
Das funktioniert mehr schlecht als recht: Ist die Umgebung dunkel, reicht das Licht nicht für eine sinnvolle Beleuchtung des Displays; ist es hell, dann sieht man trotzdem fast nichts, weil das Umgebungslicht auch von Hinten auf das Panel fällt und man deshalb kaum etwas erkennt. Bei heller Sonne hilft es nur, wenn eine Art „Lichtschacht“ am Display angebracht wird, so daß das helle Display in einer dunkleren Umgebung angesehen werden kann. Im Zimmer hilft das Anleuchten mit einer Taschenlampe. Aber letztlich: die normale Hintergrundbeleuchtung der Kamera selbst ist besser!
Das Display ist mit 110.000 Subpixeln aus heutiger Sicht extrem grob gerastert, eine Beurteilung der Bildschärfe ist völlig unmöglich. Lediglich der Bildausschnitt kann sicher erfaßt werden. Somit muß man sich auf den Autofokus verlassen. Darum hat der manuelle Fokus auch nur eine „Zonen“ wie Unendlich oder Makro, eine feine Einstellung ist nicht vorgesehen.
Das Objektiv beginnt bei damals durchaus üblichem Weitwinkel von 34 mm und reicht bis zu einem Tele von 102mm.
Die Kamera kann die Bilder als JPEG in verschiedenen Größen und Kompressionsstufen aufzeichnen, nur die geringste Kompressionsstufe kann vom PC-Programm hochskaliert werden. Eine weitere Speicherart ist die Ablage eines reinen SW-Bildes ohne Graustufen, um „gescannte“ Dokumente am Computer mit einer Texterkennung in Buchstaben zu verwandeln.
Die Kamera ist sehr behäbig, es dauert mehrere Sekunden, bis die Kamera für das nächste Bild bereit ist. Dabei ist sowohl der recht langsame Bildprozessor als auch die geringe Speichergeschwindigkeit auf die Karte für die „Geschwindigkeit“ verantwortlich. Während des Speichervorgangs läuft ein Fortschrittsbalken von Links nach rechts auf dem Display, außerdem blinkt die LED neben dem Sucher rot.
Die EXIFs sind noch nicht besonders ausführlich, die Empfindlichkeit wird mit 100 statt 90 ASA eingetragen, die Belichtungszeit ist die wahre ungerundete, es wird die ex´echte Brennweite und nicht die in KB-äquvalente Werte umgerechnete gespeichert und die Blende. Außer dem Blitzmodus gibt es keine weiteren Einträge.
Die Bedienung muß mit recht wenigen Elementen auskommen, an der Oberseite sind 4 Gummitasten für Auflösung, Blitz, Selbstauslöser und Bildschnellanzeige hinter dem Statusdisplay angebracht. Auf der Rückseite sind Zoomwippe, Rauf-Runtertaste, OK- und Menutatse angebracht sowie der Hauptschalter, der auch zwischen Aufnahme und Wiedergabe umschaltet sowie der Display- Ein-und Ausschalter. Die Klappe über den Display schaltet sowohl die Hintergrundbeleuchtung aus und gibt den Weg für externes Aufhellicht frei.
Als Speichermedium dienen SmartMediaKarten bis 64MB. Diese Flash-Speicherkarten hat Toshiba 1996 entwickelt, als einzige Kamerahersteller haben Olympus und Fuji SmartMedia-Karten eingesetzt. Smart-Media-Karten haben keinen eigenen Speichercontroller, dieser sitzt in der Kamera und muß mit der eingelegten Kartenkapazität etwas anfangen können. In der Anfangszeit wurden Kameras verkauft, die nur 8 oder 16 MB-Karten kennen. Manche konnten durch ein (kostenpflichtiges) Update vom Hersteller-Service auf größere Kartenkapazitäten ungerüstet werden, andere nicht.
SmartMedia-Karten sind theoretisch bis 256 MB verfügbar, jedoch wurden nur Karten bis 128 MB produziert, da Toshiba, Olympus und Fuji auf das stabilere, kleinere und weniger für statische Aufladungen empfindliche xD-PictureCard-Format umstellten.
Da bei den SmartMedia-Karten die elektrischen Kontakte recht groß und vor allem ungeschützt sind, ist eine SM-Karte relativ anfällig für Verschmutzung der Kontakte und statische Aufladung. Während ersteres sich vom Anwender beheben läßt, kann letzteres die Speicherbausteine in der Karte zerstören. Schon alleine ein Reinigen der Kontakte mit einem ungeeigneten Tuch kann diesen Fehler hervorrufen. Außerdem sind die Karten extrem dünn, ein Verbiegen der Karte kann bereits zur Ablösung der außenliegenden Kontakte von den darunterliegenden Bauteilen führen, die Karte ist dann ebenfalls defekt.
Für die Schnittstellen gibt es kein gerne verlorenes Spezialkabel, sondern Videobuchse, serielle Buchse und Netzteilbuchse sind standarisierte Steckverbindungen.
Die Hauptschwachstelle dieser Agfa (und etlicher anderer Kompakt-Digitalkameras der damaligen Zeit) ist die Batteriefachklappe. Zum Zuhalten werden einige winzige Plastiknasen benutzt, die im Laufe der Zeit dem Federdruck der Batteriekontakte nicht mehr standhalten, sobald sich der Weichmacher aus dem Kunststoff verflüchtigt und dieser versprödet. Dann brechen die Halteklammern und die Batterien fallen nach unten heraus. Es ist dringend angeraten, die Klappe mit einer untergeschraubten Blitzschiene oder ähnlichem zu entlasten, ansonsten falle die Batterien bzw. Akkus unweigerlich irgendwann herunter.
Das rückseitige Kameradisplay sitzt hinter einer Kratzschutzscheibe. Da diese leider nur aus transparentem Kunststoff ist, verkratzt sie selber nur allzu gern. Man sollte also eine weitere Schutzfolie auf das Display kleben.
Der UVP der CL50 Zoom betrug etwa 1700 DM. Der heute Liebhaberpreis ist je nach Zustand und Lieferumfang auf etwa 10-50 Euro anzusetzen. Ich erhielt das gezeigte Exemplar im Herbst 2024 vom Editor dieser Zeilen geschenkt, vielen Dank dafür!
Beispielfotos
Alle Beispielfotos entstanden bei 90 ASA, gespeichert als JPEG, bearbeitet mit Photoshop CS4. Die Größe wurde nicht geändert. Schärfe, Verzeichnung, Vignettierung, Gradationskurve usw. wurde nicht bearbeitet, es sind also fast unveränderte Bilder „Out of the Cam“. Lediglich eine Aufnahme habe ich mit PS CS4 bearbeitet, um etwas mehr „Biß“ in das Bild zu bekommen.
Qualitäts- und sonstiger Eindruck
Das Gehäuse der ePhoto CL50 ist komplett aus Kunststoff, nicht einmal das Stativgewinde ist ein Metallteil. Wie üblich sind die Halteklammern des Batteriefaches ein inzwischen stark bruchgefährdetes Bauteil. Die Anmutung der Kamera ist dem hohen Anschaffungspreis nicht adäquat, aber das war damals durchaus normal, daß eine vierstellige Summe für eine Vollplastikkamera „hingeblättert“ werden mußte. Teuer war das Innenleben, nicht das Äußere!
Einige Teile sind mit einer gummiartigen Masse aus TPU überzogen, diese ist inzwischen etwas klebrig geworden bzw. in Teilen sogar „abgerubbelt“. Ob der riesige Werbeaufkleber serienmäßig war und vom Vorbesitzer niemals abgezogen wurde oder ob es sich um eine „Schaufensterkamera“ handelt, die in Geschäften ausgestellt wurde, ist mir nicht bekannt.
Das Objektiv verzeichnet relativ wenig, jedoch ist bei der Weitwinkelstellung eine Tonnenform von rechteckigen Motivdetails erkennbar.
Fazit: eine digitalkamerahistorisch sehr wichtige frühe digitale Spiegelreflexkamera, zum ernsthaften Fotografieren heutzutage jedoch völlig ungeeignet. Auflösung, Geschwindigkeit und Speicherkartenformat sind nicht mehr zeitgemäß.
Christian Zahn, November 2024
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Autor: | Ralf Jannke |
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Erstellt: | 19.11.2024 |
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