Analoge Fotografie 2023, Mittelformat, Color Negativ als SW Film entwickeln

Nette Arrangements — mehr nicht …

Nach echtem Praxisgebrauch letztlich nur noch deko-tauglich. Meine beiden ZEISS IKON Nettax-/Nettar-Modelle. Problem: Die Auslösung. Nach Verschluss-Spannen im Betrieb zunehmende "Aussetzer". Heißt Film transportiert — die Nettax hat sogar einen Doppelbelichtungsschutz — Verschluss gespannt, Auslösen — nichts :-( Grund? Nicht erkennbar. Während meine fast 100 Jahre alte Voigtländer Bessa da ganz zuverlässig war, machte das mit den "Zeissen" keinen Spaß.

Ermutigt durch das erfolgreiche Entwickeln der SW-Rollfilme im Urlaub und Durchsuchen des Internets, ob sich Color-Rollfilme in SW-Chemie entwickeln ließen — ja, lassen sie sich — wagte ich mich an einen 40 Jahre alten Kodak VERICOLOR II PROFESSIONAL TYPE S, ISO 125, 07/1983. Ergebnis: Eine gleichmässig Orange eingefärbte Folie ohne den geringsten Ansatz einen Negativbildes.

Hmm — aller Anfang ist schwer. Und wenn dann noch Faulheit/Dummheit dazukommt …

Ich hätte gewarnt sein müssen! Um nach einem "nur" 20 Jahre abgelaufenen FUJICOLOR SUPERIA X-TRA 400, 2003-5 das gleiche — negative — Ergebnis zu haben. Nicht die Spur einer Abbildung, nichts.

Bis endlich der Groschen fiel. Es war der Entwickler!

Das hätte mir als Chemotechniker nicht passieren dürfen. Der 2014 (!) angebrochene ADOX ADOLUX APH 09 konnte nach fast 10 Jahren Lagerung nicht mehr funktionieren!

Warum ich es dennoch probiert hatte?

Irgendwie hatte sich die Anekdote im Kopf festgesetzt: Da gab es die Geschichte eines gefundenen Fläschchens Rodinal SW-Entwickler. Die 100 Jahre alt war — Rodinal wurde 1891 patentiert. Der Inhalt des Fläschchens hatte die 100 Jahre überlebt, weil auch der Verschluss der Glasflasche per Paraffin oder ähnlichem so versiegelt war, dass kein Sauerstoff den Entwickler erreichen konnte. So war es nach Öffnen und Anwendung problemlos möglich, mit der 100 Jahre alten Chemie erfolgreich Filme zu entwickeln!

Im Gegensatz zu meiner vor fast 10 Jahren geöffneten PE-Flasche mit einem Rodinal Derivat von 2014. Das konnte nichts werden …

Zum Chemie-"Unfall" kam dann noch Kameraproblematik

Gerne hätte ich die kompakten Nettax/Nettar weiter benutzt, werde aber in Zukunft davon absehen! Nach dem Motto: Nimm doch gleich "anständige" Kameras! Die chinesische Rolleiflex-Kopie Seagull (Möve) liegt unerreichbar 1000 km weit ausgelagert. Aber da gibt es doch noch einen erstklassigen, besseren japanischen Rolleiflex-Klon. Meine AIRES Automat.

AIRES Automat 1954/55

Der Rolleiflex-Filter wurde nur zur Demonstration auf das Sucherobjektiv der AIRES montiert. Was natürlich Unsinn ist. Der gehört aufs Aufnahmeobjektiv!

Die zweiäugige 6x6 Mittleformat SLR (TwinLensReflex) stellt eine echte Rarität dar, ist sie doch mit einem Nikon Doppel-Objektiv bestückt: Nippon Kogaku Japan View-Nikkor 1:3,2 f=7,5 cm (Sucher-Objektiv) und Nippon Kogaku Nikkor-Q 1:3.5 f=7,5 cm (Aufnahme-Objektiv). Das Objektivfilterbajonett ist Rolleiflex-kompatibel! Bis auf eine Kleinigkeit funktioniert die Aires Automat noch wie frisch in 1954/55 produziert. Die Sucherlupe lässt sich ausklappen, rastet aber nicht. Kann ich mit leben, da ich bisher ALLE meine 6x6/6x9 in Fixfokus-Einstellung betreibe. Heißt bei Blende 11/16/22 und vollem Tiefenschärfenbereich, der dann Größenordnung 2 m bis Unendlich reicht. Beugungsunschärfe? Hier kein Thema.

Die AIRES Automat soll bei Vorstellung 43.000 YEN gekostet haben. Die reine Umrechnung YEN/DM ergibt rund 270 Euro, 540 DM. Das dürfte 1955 eine enorme Summe gewesen sein. Wenn ich die "Kaufkraftäquivalente"richtig deute, müssten das gerundet 1500 DM gewesen sein. Nicht ganz das Doppelte des Monatsverdiensts meines Vaters Mitte der 1950er!

Sollte auch das nicht zu brauchbaren (!) digitalisierbaren Negativen führen, werde ich wohl oder übel zur C41 Colorchemie greifen müssen

Genau das wird passieren, bzw. ist duch Bestellung der entsprechenden Chemie bereits eingeleitet

Aber der Reihe nach

Der FUJIFILM FUJICOLOR SUPERIA X-TRA 400 ließ lich tatsächlich in SW-Chemie entwickeln. Aber nur zu völlig unbrauchbaren Negativen. Drei Fujis habe ich geopfert.

Frevel?

Wenn man sieht, welche Wucherpreise für Filme mittlerweile verlangt werden, ja. Aber ich habe die Filme für Spottpreise erworben, als niemand mehr "Chemie/Analog" wollte … Was Filmmaterial jeglicher Art angeht — siehe ganz unten zum Ende dieses Beitrags, Stichwort Flohmarkt!

Und was soll's, die Fujis sind 20 Jahre alt … Weder eine brutale Überbelichtung der ISO 400 auf ISO 200, 100 und 50, als auch eine heftige Unterbelichtung wie ISO 800, 1600 führten zu verwertbaren Negativen. Es war vollkommen egal, ob 20 min oder 7 Minuten entwickelt wurde. Nur mit Hilfe einer starken Lampe war im Durchlicht schemenhaft zu erkennen, dass da "etwas drauf war". Nebenstehend ein Ergebnis, das immerhin das Testmotiv erkennen lässt ;-)

Ob das mit nochmals geänderten Entwicklungszeiten, einem anderen Entwickler als Rodinal besser würde?

Die Erfahrungen beim Entwickeln von Colorfilmen in SW-Chemie reichen von:

Mein Fazit geht in die letzte glistete Erfahrung

In diese Experimente stecke ich deshalb keine Minute Zeit, Material und Chemie mehr! Immerhin habe ich hier vor Ort noch zwei Fuji 400 von 5/2003, einen Kodak Color PORTA 160 NC (Ablaufdatum 4/2005) und einen AGFA COLOR XRS 1000 PROFESSIONAL (Ablaufdatum 07/1986). Dazu gesellt sich noch ein SW Kodak Royal-X PAN FILM ASA(ISO) 1250/32 DIN, ablaufdatum 11/1981. Ausgelagert sind noch mindestens fünf weitere Fuji 400. Genug Zeug zum Spielen/Experimentieren. Aber dann in C41-Color Chemie!

Ein Gutes hat aber das Rumspielen immerhin gebracht:

BALDA Lisette: Balgen-/Klapprollfilmkamera, die im Format 4,5x6 cm aufnimmt

Nach etwas Recherche im Internet wurde die Balda Lisette von Photo Porst vertrieben

Aus dem Photo-Porst Katalog von 1934(!)

  • Ein Modell in wundervoller Ausstattung und zu einem Preis, der Sie in Erstaunen versetzen muß; das ist wieder eine Leistung von Photo-Porst.
  • Bekanntlich vermindern sich die Negativkosten durch Teilung des Formates 6 x 9 um die Hälfte und dann erhält man das schöne und zweckmäßige Bildformat 4,5 x 6.
  • Als Sprintkamera ist die Lisette besonders rasch aufnahmebereit; die Naheinstellung (1,1 Meter) erfolgt durch die Vorderlinse; ganz ausgezeichnet ist die Filmführung des Apparates.
  • Weiterhin ist die Lisette mit optischem Sucher versehen, der das Bild klar und deutlich wiedergibt.
  • Stativgewinde, echter Lederbalgen und Lederbezug.
  • Die Kamera ist äußerst handlich und läßt sich daher leicht in der Tasche mitführen. Ein Schutzschieber sichert höchstempfindliche Panfilme vor Lichteinfall.

Meine Version ist mit einem Steinheil München Cassar 1:2.9 f=7.5 cm ausgerüstet. Der Compur Rapid Zentralverschluss liefert die (Bruchteile der) Zeiten: T, B, 1, 2, 5, 10, 25, 50, 100, 200 und 400 die kleinste Blende beträgt f/16. Das Objektiv ist unvergütet!

Während die Verschlüsse, oder genauer der Auslösungsmechanismus meiner „Zeissen“ rumzickt, funktioniert der Mechanismus der Lisette IMMER!

Und was hat es mit der merkwürdigen, von mir aufgeklebten Beschriftung der Filmfenster auf der Kamera-Rückseite auf sich?

Die Lösung fand sich in der Bedienungsanleitung zur „Miniature Vest Pocket Rollfilm Camera „BALDAX“ 16 Pictures of 4 1/2 x 6 cm on Rollfilm

Sie müssen nur den Nippel durch die Lasche zieh’n ;-)

"Wenn die Kamera sicher verschlossen ist, drehen Sie das Filmtransportrad, bis die Zahl 1 (auf der Schutzpapierfolie des Rollbildfilms) im ersten (unteren) der beiden Filmfenster auf der Kamerarückseite erscheint. Der Film ist nun für die erste Aufnahme positioniert.

Nach der ersten Aufnahme spulen Sie den Film vor, bis im zweiten, oberen Fenster die Zahl 1 (wieder auf der Schutzpapierfolie des Rollbildfilms) erscheint. Nach dieser zweiten Belichtung wickeln Sie die Aufnahmezahl 2 in das erste oder untere Fenster, dann in das obere Fenster und so weiter, bis schließlich die Zahl 8 im oberen Fenster erscheint."

Aha ;-)

Um den Text zu verstehen, muss man wissen, sehen, wie die lichtundurchlässige Rollfilm Schutzfolie aus Papier bedruckt ist! Das war für die primitiven Boxkameras und viele Balgen-/Klappkameras unerlässlich. Damit der Fotograf im entsprechend auf der Kamerarückseite positionierten Fenster sah, wie weit er den Film zur nächsten Aufnahme transportieren muss!

An den unterschiedlichen Zahlenpositionen kann man die Rollfilmformate erkennen:

  • 6x6 cm
  • 6x9 cm
  • 4,5x6 cm

Die 6x7 cm beispielsweise der Mamiya oder Pentax 6x7 taucht hier nicht auf, weil diese Kameras über einen entsprechenden Transportmechanischmus verfügen, der für den richtigen Filmvorschub sorgt. Wie übrigens auch die besseren zweiäugigen Spiegelreflexkameras der 6x6 Rolleiflex-Klasse.

Was fehlt der Balda Lisette?

Sie hat keine Schärfentiefemarkierungen am Objektiv. Auch fehlt ihr die bei manchen Balda-Modellen auf der Rückseite angebrachte Metallplakette mit einer Schärfentiefetabelle. Die Aufnahmen im Internet, die eine entsprechende Plakette zeigen, sind allesamt unscharf und unbrauchbar :-(

Ersatzweise werde ich aus Erik Krauses Schärfentiefe-, Abbildungsmaßstab- und Nahlinsenrechner für die Blenden 4 bis 16 bei Motiventfernung 3 m — das sind noch schätzbare anderthalb (2 m) Zollstocklängen die Nah- und Fernpunkte eintragen und die so genannten hyperfokalen Entfernungsbereiche in einer Minitabelle zusammenfassen, drucken und auf die Lisette-Rückseite kleben. In der hyperfokalen Distanz von 14 m ist bei Blende f/8 alles von 7,1 m bis unendlich scharf. Bei Blende 11 habe ich mit 10 m Einstellentfernung am E-Ring von 5,2 m bis unendlich alles scharf und bei Blende 16 mit 7 m alles von 3,6 m bis unendlich. Letzteres reicht für eine Landschaftsfotografie vollkommen …

Eine Balda kommt selten allein ;-)

Beim Aufräumen noch "gefunden": Balda Baldix!

Im Unterschied zur Balda Lisette fotografiert die Baldix im quadratischen 6x6 Format. Und bietet die gewünschte Blenden-/Schärfentiefe-Gravur auf dem Objektiv. Und als kleinste Blendenöffnung f/22. Digital unbrauchbar, analog spielt die Beugung bei Blende 22 nur eine geringe Rolle. Was funktioniert nicht! Die langen Verschlusszeiten. Aber mit den Bruchteilen 20, 50, 100, 200 steht einem Einsatz nichts mehr im Weg. Die dank Bauart kompakte Baldix dürfte neben der China-"Rolleiflex" Seagull meine zweite Mittelformat-Kamera werden.

Ich will doch nur spielen ;-)

Erst nach vier oder fünf "geschrotteten" Color-Rollfilmen kam endlich, endlich die Frage/Erkenntnis: "Was willst du eigentlich?" Ich will doch "nur" spielen, meine Reste an über 20 Jahre überlagerten Farbfilmen abfotografieren und dann so verarbeiten, dass erkennbare und digitalisierbare Negative entstehen. Ohne großen Anspruch auf feines Korn, Kontrast, Konstanz, Farbgenauigkeit und -reproduzierbarkeit. Vielleicht entsteht dabei sogar Kunst ;-)

Aber ist das bei einer C41-Colorverarbeitung bei Raumtemperatur 20-22 Grad ohne Temperierbäder, die 38,x Grad Temperatur konstant halten müssen, und dergleichen überhaupt möglich? JA!

Und da war klar, dass es der CineStill COLOR SIMPLIFIED 2-BATH PROCESS sein muss: Der "Vereinfachte 2-Bad Farb-Entwicklungs-Prozess"

Und das ist etwas, womit ich mich in den Herbstferien in der ersten Oktoberhälfte beschäftigen will. Keinesfalls vorher. Nach Inventur, was ich eventuell noch an Gerätschaften brauche. Die Kameras sind gesetzt:

  • die zweiäugige Seagull China-Rolleiflex
  • die (wieder)gefundene Balda Baldix
  • und eine Plastik Bilora Bella, die 127er Rollfilm des Formats 4x4 verwendet. Genau einen Film habe ich für dieses Format, dem ich einen kleinen, eigenen Bericht widmen werde. Wenn die Bella einwandfrei funktioniert!

Aber eins ist klar: Sobald mein letzter Farb-Rollfilm belichtet ist, mache ich nur noch SchwarzWeiss – und nur noch MITTELFORMAT! Dachte ich …

Man/ich soll nie "Nie" sagen

Nach einem Flohmarktbesuch habe ich für 6 Euro noch drei Kodak FARBWELT 200 aus dem Dezember 2010 erstanden.

Und das ist auch ein wichtiger Tip!

Wer sich für Analog interessiert, sollte auf Flohmärkten die Augen aufhalten — nach dort gerne verramschten Filmen. Zum Experimentieren spielen die falsch — heißt zu warm gelagerten —, Jahre abgelaufenen Filme  nur eine untergeordnete Rolle. Für weitgehend farbgenaues Fotografieren gibt es ja die moderne Digital-Systemkamera! Und mit den Kodak-Filmen wird in den ersten zwei Oktoberwochen eine ganz besondere Analog-SLR geladen!

Ralf Jannke, August 2023

PS.: Sollte ein Leser einen kapitalen (?) Fehler erkennen, den ich bei den vergeblichen Versuchen Color-Rollfilme brauchbar in SchwarzWeiss-Chemie zu entwickeln, immer wieder gemacht habe, bin ich um Aufklärung dankbar!

 

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