In diesem Bericht geht es um die Verwendung eines ca. 25 Jahre alten Zoomobjektivs an einer digitalen Spiegelreflexkamera mit Vollformat-Sensor. Es war eines der ersten Canon-EF-Objektive mit eingebautem Bildstabilisator und wurde für die Verwendung an Kameras für Kleinbildfilm gerechnet. Es wurde sehr lange verkauft, von 1998 bis 2016 war es in Canon-Produktportfolio gelistet, Ende 2017 waren die letzten Exemplare bei Händlern abverkauft.
Canon Zoom Lens EF 28-135mm 1:3,5-5,5 IS USM
Dieses Objektiv erschien 1998 und wurde für die Fotografie auf Kleinbildfilm entwickelt, die Verwendung an digitalen Vollformat-Kameras war nicht im Pflichtenheft, denn diese erschienen erst viel später (die EOS 1Ds kam 2002 auf den Markt), somit wurde kein Wert auf möglichst telezentrische Randstrahlen gelegt. Bei der Verwendung an einer KB-Kamera mit 400-ASA-Film und 13x18cm - Abzügen wird das jedoch nicht allzusehr bemerkt, „Pixelpeeping“, also 100%-Betrachtung der Bildecken wird dem Objektiv nicht gerecht, dafür ist es nicht gemacht worden.
Das Objektiv ist für seine Serienstreuung berüchtigt, je nach Exemplar sind die einzelnen Linsen besser oder schlechter zentriert montiert worden, außerdem „wobbelt“ der ausgefahrene doppelte Tubus in der Telestellung recht stark. Der Bildstabilisator kann je nach Alterung der Elektronik das Bild nicht verbessern, sondern verschlechtern, insbesondere nach einem Schwenk zur neuen Ausschnittswahl mit angedrücktem Auslöser oder noch aktivem Stabilisator schwingt sich die bewegliche Einheit auf und dann ist schon im Sucher das Zittern deutlich erkennbar. Hat der IS abgeschaltet und wird erneut aktiviert, beruhigt er danach das Bild wie vorgesehen.
Beim Starten des Stabilisators und wenn dieser wieder abschaltet, gibt das Objektiv ein klickendes Geräusch ab, das ist jedoch normal. Im abgeschalteten Zustand wird die bewegliche Linsengruppe mechanisch fixiert, das Lösen erfolgt durch einen kleinen Elektromotor. Während der Bildstabilisator arbeitet, ist ein sirrendes Geräusch hörbar, es handelt sich dabei nicht um sich schnell drehende Gyrosensoren (wie sie z. B. in der Olympus OM-D E-M5 oder Pen F eingebaut sind), sondern das Geräusch stammt von der Bewegung der Linsengruppe, die auch ohne Bewegung der Kamera durch die Antriebe „in der Schwebe“ gehalten werden muß.
Der schmale Entfernungsring läuft recht stramm, er dreht sich beim automatischem Fokussieren nicht mit. Wie bei vielen Canon-USM-Objektiven kann jederzeit in die Fokussierung eingegriffen werden, ein explizites Umschalten auf „MF“ am Objektiv ist nur nötig, wenn rein manuell fokussiert werden soll. „USM“ steht für den eingebauten ringförmigen Ultraschallantriebsmotor, der schnell und leise seinen Dienst verrichtet. Der Bildstabilisator sollte möglichst nur eingeschaltet werden, wenn er auch gebraucht wird. Bei Stativeinsatz oder bei ausreichendem Umgebungslicht sollte er abgeschaltet werden, da er je nach Situation das Bild nicht beruhigt, sondern sogar zusätzlich verwackelt. Oder es sollten mindestens drei oder vier Aufnahmen nacheinander angefertigt werden, von denen eines oder zwei unverwackelt sind.
Die Leistung des Bildstabilisators entspricht der Herstellzeit und kann mit aktuellen Systemen dieser Art nicht verglichen werden, im besten Fall schafft das 28-135 IS USM eine etwa zwei Blendenstufen längere Freihandgrenze als ohne aktivierten Stabilisator.
Die Naheinstellgrenze von ca. 0,5 Metern ist gut, es gibt eine hinter einem Fenster sichtbare Entfernungsskala mit Infrarotmarken für 28, 35, 50, 70 und 135 mm (für 800nm). Beim Fokussieren verändert sich die Baulänge dank Innen-Fokussierung nicht. Canon-EF-typisch ist kein Blendenring eingebaut, die Verstellung erfolgt immer durch die Kamera, es sind 6 Lamellen eingebaut. Der optische Aufbau besteht aus 16 Elementen in 12 Gruppen, darunter eine asphärische Linse.
Das nicht mitdrehende Filtergewinde beträgt 72 mm (bei Objektivvorstellung war das für Canon eine untypische Filtergröße), das Objektiv hat einen Durchmesser von 79 mm, eine Baulänge ab Bajonett von 97 mm und wiegt 550 Gramm. Beim Zoomen wird es etwa 32mm länger. Die blütenförmige Streulichtblende rastet in ein Bajonett und mußte extra gekauft werden. Ohne diese Blende ist das Objektiv kaum benutzbar, da die große Frontlinse extrem empfindlich für seitliche Lichteinstrahlung ist.
Das gesamte Objektiv macht einen recht wertigen Eindruck, das Bajonett ist aus Metall, die Kunststoffe der Fassung wirken keinesfalls „billig“. Lediglich das Wackeln des vorderen Tubusteils erwartet man eher einem billigem Einsteiger-Kitzoom.
Das Objektiv verzeichnet leider recht viel, insbesondere für ein für Film berechnetes Objektiv. Bei 28mm ist das Bild tonnenförmig, ab 50mm kissenförmig verzerrt. Je nach Motiv kann das stören, jedoch ist die Verzeichnung heutzutage sehr einfach digital „wegzurechnen“.
Am Vollformatsensor der 5D Mark III und Offenblende ist das 28-135 USM über das gesamte Bild ziemlich unscharf und flau, Abblenden auf 8-11 steigert die Schärfe, danach kommt es bereits zu Beugungseffekten. Besonders bei 28mm ist das Abblenden auf 8-11 erforderlich, da ansonsten die Bildecken an der 5D Mark III je nach Motiv unbrauchbar sind. Aber auch abgeblendet auf 16 sind die Ecken nicht völlig scharf und bleiben „weich“. Die bei Offenblende vorhandenen chromatischen Aberrationen verschwinden auch ab ca. Blende 8-11 nicht völlig. Die Vignettierung bei weit geöffneten Blenden besonders im Weitwinkelbereich kann per EBV gut korrigiert werden.
Mein Exemplar scheint ein „durchschnittliches“ zu sein, die Ecken deuten nicht auf dezentierte Linsen hin, denn alle vier Ecken erscheinen mir gleich unscharf bei Offenblende, keine ist signifikant besser oder schlechter.
Das Objektiv kostete 1998 etwa 800 DM, inzwischen ist es nur noch gebraucht erhältlich. Nach Erscheinen der „Volksvollformatkamera“ EOS 5D stieg der Gebrauchtpreis etwas an, inzwischen ist er deutlich gesunken, da die Rechnung des Objektivs recht „betagt“ ist und es optisch bessere Objektive von Canon und Fremdherstellern gibt. Je nach Zustand und Lieferumfang ist es für 50-175 Euro zu bekommen. Wie erwähnt hat das Objektiv eine hohe Serienstreuung, man sollte es also nur bei Händlern mit Rückgaberecht kaufen oder sich vorab Testaufnahmen zusenden lassen.
Alle Beispielaufnahmen entstanden freihand mit Programm- und ASA-Automatik, wurden gespeichert als CR2, gewandelt mit Adobe Camera RAW und bearbeitet mit Photoshop CS6. Bildausschnitt, Helligkeit, Farben, Lichter / Schatten sowie Schärfe wurden korrigiert, die Größe wurde auf 1500 Pixel bikubisch verkleinert. In alle Aufnahmen sind 100%-Ausschnitte einmontiert sowie die Aufnahmeparameter.
Fazit
Das EF 28-135 hatte ich günstig mit Rückgaberecht erworben, um an Canon-Vollformat eine bessere Optik zu nutzen als das EF 24-85 USM, das EF 22-55 oder das Tamron 28-105, die ich alle hier schon gezeigt habe. Mir war klar, daß der Stabilisator und die optische Leistung aus dem Jahr 1998 stammen, darum erwartete ich keine Leistung wie bei einer Festbrennweite. Jedoch kann das Objektiv den 22-Megapixel-Sensor der 5D Mark III nicht adäquat beliefern, es harmoniert mit dem 12-Megapixel-Sensor der 5D (erstes Modell) besser.
Die Bildmitte ist bei Blende 8-11 ausreichend scharf, um die 5D Mark III zu beliefern, die Ränder fallen jedoch auch abgeblendet ab. Der Bildstabilisator sorgt durchaus für unverwackelte Bilder bei Freihand-Aufnahmen, jedoch kann es sein, daß er je nach Situation das Bild verschlechtert. Ich habe die Kamera im Serienbildmodus mit niedriger Bildrate betrieben, aus jeder Bildserie waren mehrere Aufnahmen ausreichend stabilisiert, aber es war häufig eine oder mehrere stark in der Schärfe abweichend.
Ich halte weiter Ausschau nach einem Objektiv der Canon-L-Serie, jedoch sind diese auch 2024 recht teuer, da sie auch an den spiegellosen Canon-Kameras gut verwendet werden können.
Christian Zahn
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Autor: | Christian Zahn |
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Erstellt: | 12.04.2024 |
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