Chinon ES-3000
Hier stelle ich eine sehr frühe Digitalkamera vor, sie war die erste mit eingebauten Zoomobjektiv. Ralf Jannke hat diese Kamera ebenfalls mit zwei Berichten gewürdigt, im ersten zeigt er auch Aufnahmen, die mit der Chinon entstanden:
- Ostern 1996, Ostern 2017 – 21 Jahre...
- Immer wieder Ostern grüßt die Chinon ES-3000: 1996, 2017 und jetzt 2019
Spezifikationen
- Die 1995 vorgestellte Chinon ES-3000 ist 112 x 60 x 155 mm groß und wiegt 655 g.
- Der 1/2“ CCD-Sensor löst maximal 640 x 480 Pixel = 0,3 Megapixel auf. Die Empfindlichkeit ist fest und beträgt ca. 84 ASA. Bilder werden als RAW-Aufnahmen in den internen !MB-Speicher oder auf eine PCMCIA-Card Type I oder II (max ca. 8 MB) gesichert.
- Das Objektiv ist ein 1:2,5-4,0/7-21 mm Dreifachzoom (ca. 37-111 mm @KB).
- Das Motiv wird über einen Durchsichtssucher angepeilt, LCD-Statusdisplay dient zur Anzeige von Kameradaten und zur Parameterverstellung, die Betrachtung der angefertigten Bilder ist damit nicht möglich.
- Entfernungseinstellung Autofokus durch digitale Triangulation mittels IR-Sende- und Empfangsdiode
- Belichtungssteuerung durch Vollautomatik, Belichtungszeit 1/16 bis 1/500s.
- interner Blitz, ca. Leitzahl 10
- Weißabgleich automatisch
- ohne Bildstabilisierung
- Energieversorgung durch vier Mignonzellen
Besonderheiten
Die Kamera wurde von Chinon in Japan entwickelt und hergestellt, wobei diese Firma damals bereits ein Kodak-Tochterunternehmen war. Kodak hat die Kamera auch bau-ähnlich als DC-50 verkauft, das Gehäuse war dann in „profi-„Schwarz gehalten und die Bilder hatten etwas mehr Pixel. Das amerikanische Unternehmen Dycam verkaufte die unveränderte Chinon ES-3000 als DYCAM 10-C.
„ES-3000“ steht „Electronic Still Camera“ und für das eingebaute Dreifachzoom. Die Chinon/Kodak war die erste digitale Kamera des Weltmarktes mit eingebautem Zoom, alle davor verkauften Digitalkameras hatten lediglich eine feste Brennweite.
Die Bilder werden auf PCMCIA-Karten oder in einen internen 1 MB-Speicher aufgenommen. Das Bildformat ist sehr speziell, die komprimierten Rohdaten werden als einzelne Datei (vermutlich eine Art Datenbank-Format) auf der Karte abgelegt.
Die Kamera ist extrem wählerisch, was die Art der Speicherkarte angeht. Vermutlich ist diese mit einem speziellen Dateisystem formatiert, denn alle meine Computer mit passendem Kartenschacht (sowohl unter Windows als unter klassischem Mac-Betriebssystem) erkennen die gezeigte Karte nicht als funktionierende Karte. Somit bleibt nur der Weg über die serielle Schnittstelle der Kamera, die Bilder mit Hilfe der originalen Chinon-Software auszulesen. Leider ist diese nicht direkt mehr im Internet zu finden, die Wayback-Machine (Archive.org) hat jedoch eine Version gesichert, die ich leider nicht zum Laufen bekomme (vermutlich, weil es eine 16-Bit-Software für Windows 3.X ist, die unter XP nicht mehr läuft). Die Software ist gleichzeitig Übetrtragungsprogram und RAW-Konverter, die Bilder liegen nicht als JPEG oder PICT/BMP in der Kamera, sondern in einem speziellen Rohformat.
Auch das notwendige Kabel ist etwas „speziell“, denn die Kamera hat einen seriellen RS422-Anschluß, die Computer der damaligen Zeit einen RS232-Port. Das notwendige Kabel lag der Kamera bei, heutzutage wird man es wohl selber löten müssen. Die Buchse entspricht dem damals in Apple Macintosh - Computern verbautem „Geoport“ in der Version einer 8poligen Mini-DIN-Buchse.
Die Stromversorgung erfolgt mit vier Mignonzellen, sowohl Alkaline-Batterien als auch NiMH-Akkus werden akzeptiert. Das Fach ist „fummelig“, zuerst muß eine vermietbare Abdeckung abgenommen und danach eine unverlierbare Klappe geöffnet werden.
Die Chinon hat einen internen Blitz, er steuert sich selbst, die Meßzelle sitzt unterhalb des Suchers. Vermutlich ist eine zweite daneben für die Belichtungsmessung des Umgebungslichtes zuständig. Merkwürdigerweise ist die Blitzröhre senkrecht eingebaut, obwohl die Kameras Aufnahmen im Querformat macht.
Tasten hat die ES-3000 auf der Oberseite drei: Auslöser und die Zoom-Betätigung. Unter dem Display gibt es zwei Tasten für Parameterverstellung und eine versenkt angebrachte Löschtaste, die alle Bilder in der Kamera löscht. Einen Hauptschalter sucht man vergeblich, über dem Sucher sitzt ein Schieber, zieht man diesen zur Seite, wird die Kamera eingeschaltet.
Neben dem Realbildsucher sitzt eine grüne Status-LED, sie leuchtet auf, wenn der interne Blitz geladen ist und der Autofokus das Motiv „getroffen“ hat. Der Sucher verändert den Bildwinkel beim Zoomen, für den Ausgleich der Parallaxe zwischen ihm und dem Objektiv sind mehrere Rahmen und Marken angebracht. Der mittige einzelne AF-Punkt ist ebenfalls im Sucher durch einen Kreis erkennbar. Der Autofokus nutzt einen Infrarotstrahl, der von der Kamera ausgesendet, vom Motiv reflektiert und von der Kamera ausgewertet wird. Neben dem Objektiv sieht man die beiden runden Öffnungen, durch die der Strahl ausgesandt und empfangen wird.
Ein Farbdisplay zur Bildkontrolle ist nicht vorhanden, 1995 war so etwas noch nicht möglich.
Eine vergütete Schutzscheibe sitzt vor dem Objektiv. Ein Filtergewinde ist nicht vorhanden, aber die Schutzscheibe ist etwas vertieft angebracht, eventuell konnten spezielle Filter in diese runde Vertiefung geklemmt werden.
Der UVP der ES-3000 betrug ca. 2000 DM (umgerechnet ca. 1000 Euro), ich erhielt das gezeigte Exemplar Anfang 2023 vom Editor dieser Zeilen geschenkt. Vollständig funktionsfähige Exemplare kosten aktuell etwa 5 bis 50 Euro je nach Zustand und Lieferumfang.
Beispielfotos 1996 – links, 2017 – rechts






Ich zeige keine eigenen Beispielaufnahmen, da ich wie erwähnt die Chinonsoftware nicht benutzen kann. Die Fotos hat Ralf Jannke aufgenommen.
Qualitäts- und sonstiger Eindruck
Das Gehäuse der Chinon ES-3000 ist komplett aus Kunststoff, lediglich das Schutzglas und das Objektiv sind aus Glas. Der hohe Anschaffungspreis spiegelt sich in der Anmutung der Kamera leider nicht wider.
Die Kamera gehört zur Klasse der frühen Digitalkameras. Das Design ist eine Art Ziegelstein, nur mit Hilfe der Handschlaufe ist eine Einhand-Bedienung möglich.
Für das Jahr 1995 macht die Kamera sehr schöne Aufnahmen, die Farben sind „satt“, das Objektiv beliefert den Sensor mit ausreichender Bildgüte und die Konvertierungs-Software macht ihre Sache gut. Feinste Details sind allerdings verwaschen, was an der Komprimierung der Rohdaten in der Kamera liegen dürfte.
Fazit: eine digitalkamerahistorisch sehr interessante Kamera (sie bzw. die Kodak DC-50 muß in jede ernstzunehmende Sammlung!), heutzutage zum ernsthaften Bildermachen jedoch ungeeignet, die Auflösung reicht leider nicht einmal mehr für Web-kompatible Fotos.
Christian Zahn
Neuen Kommentar schreiben
Autor: | Christian Zahn |
Mail senden | |
Erstellt: | 9.05.2023 |
Kommentare (0)
Keine Kommentare gefunden!