ISO-Invarianz digitaler Bildsensoren

Über ISO-Invarianz von Digitalkameras, im Englischen als „ISO-less Camera“ bezeichnet, findet sich im Netz vieles, etliches davon durchaus auch falsch. Die technischen Grundlagen hat Dr. Schumacher zusammengefaßt. Sie sind komplex, weil die Bildaufbereitung digitaler Kameras aus mehreren elektronischen Bauteilen und in zunehmendem Maße aus cleverer Software besteht.

Kurz zusammengefaßt, wenn auch technisch stark vereinfacht: eine ISO-invariante Kamera kann bei jedem ASA-Wert quasi gleichwertig benutzt werden und das gefürchtete Rauschen bei höheren ISO-Stufen steigt nicht exponentiell, sondern nur linear. In der Praxis folgt daraus: man fotografiere in RAW und belichte stets so, daß die Lichter nicht „ausbrennen“, die „abgesoffenen“ Schattenpartien werden im digitalen Entwicklungsprozess nachbehandelt, so daß sie Zeichnung erhalten.

Dazu ein kleiner Hinweis: bei fast allen mit elektronischem Sucher ausgerüsteten Kameras ist ein Histogramm einblendbar, also die Verteilung heller, mittlerer und dunkler Bildpartien im aktuell angezeigtem Motiv. Dieses basiert aber genau wie das nach der Aufnahme angezeigte „Clipping“, bei dem unter- und überbelichtete Motivdetails blinken, auf dem parallel zu jeder Aufnahme angefertigtem (kleinem) JPEG, daß im RAW eingebettet ist. Also ist im RAW noch vieles rettbar, was im Histogramm bzw. bei der Bildnachschau der Kamera als verloren blinkt.

Was ist der ISO-Wert und Bildrauschen eigentlich?

Der ISO-Wert stammt aus der analogen Ära, ein digitaler Sensor mit 100 ASA hat in etwa eine gleichwertige Empfindlichkeit wie ein Farbfilm mit 100 ASA. Und ähnlich, wie früher ein Film „gepusht“ werden konnte, d, h., unterbelichtet und dann länger entwickelt werden konnte, so kann ein digitaler Sensor ebenfalls unterbelichtet werden und durch digitale Schaltungen mehr verstärkt werden, als in der Grundempfindlichkeit eigentlich möglich. Dabei werden die Pixelfehler, also die sich bei gleicher Belichtung leicht unterschiedlich verhaltenden einzelnen lichtempfindlichen Sensorelemente, auch verstärkt, was sich als dem eigenlichen Bildsignal überlagernder Zufall auswirkt. Diese Pixelfehler nehmen wir als „Rauschen“ wahr, weil sie in einer z. B. in einer in Farbe und Helligkeit gleichbleibenden Flasche als einzelne hellere oder dunklere bzw. in einer anderen Farbe auftretenden Bildpunkte erscheinen.

Die ersten digitalen Bildsensoren hatten nur eine einzige, meist geringe, Empfindlichkeit (25 bis 100 ASA) und rauschten trotzdem recht heftig. Die zweite Generation (mit ca. 50 bis 800 ASA) konnte mit verschiedenen Stufen betrieben werden, wobei die höheren ISO-Werte meist nur ein deutlich verrauschtes Bild ergaben und ein „Notbehelf“ gegen verwackelte Bilder waren. Die dritte Generation konnte in der Empfindlichkeit stärker angehoben werden (z. B. 200 bis 3200 ASA) und ergab bei 2 bis 3 Stufen unterbelichteten Aufnahmen noch brauchbare Bilder (also statt 200 ASA auf 800 ASA eingestellte Kamera). Um bei Kameras mit diesen Sensoren rauscharme Aufnahmen machen zu können, mußte der Sensor möglichst groß sein, damit die einzelnen Pixel mehr Licht einfangen konnten als bei kleineren Sensoren.

Die Generation der ISO-Invarianten Bildsensoren setzte ein geändertes Schaltungsdesign ein, die Verstärkung erfolgt nun bereits auf dem Sensor und nicht mehr wie bei den Vorgängern im nachgeschaltetem Bildprozessor, so daß das Rauschen bei höheren ISO-Werten geringer ist als bei den älteren Sensorgenerationen.

Seit etwa 2018 gibt es Sensoren mit einer zweistufigen Verstärkung auf dem Sensor, so daß es bei diesen ein nochmals verbessertes Rauschverhalten gibt.

ISO-Invariante Kameras

Welche Kameras ISO-invariant sind, darüber gibt es in der Fotopresse und bei den interessierten Amateuren gerne Streit, denn je nach Meßmethode kommt man zu unterschiedlichen Ansichten. Jedoch gilt allgemein die Nikon D800 (Vollformat) als erstes Modell, bei dem ein fast invarianter Sensor eingebaut wurde. Er wurde von Sony entwickelt, der nachgeschaltete Bildprozessor und die Bildaufbereitungs-Software von Nikon. Das Nachfolgemodell D810 erhielt einen leicht geänderten Sensor, der nochmals invarianter ist. Auch die D750, D500, D850 D7500, D5500, Z6, Z7 gelten als invariant.

Canon hat in der 80D, 200D, 5DMark IV oder 1DX Mark II selbstentwickelte Sensoren verbaut, die ebenfalls quasi invariant sind. Bei Fuji sollen alle X-Trans-Sensoren mehr oder weniger invariant sein, wobei die jüngeren vermutlich besser sind als die älteren Sensoren. Bei Panasonic ist die G7, GX8, GX85, G9 invariant, die Sensoren sind von Panasonic entwickelt. Der mFT-Partner Olympus/OM-Systems nutzt ebenfalls Panasonic-Sensoren, z. b. die OM-D E-M5 Mark II und OM-D E-M10 Mark II gelten als invariant. Bei Pentax ist mindestens die K1/K5 invariant.

Sony hat etliche ISO-invariante Kameras gebaut, in denen eigene Sensoren verbaut wurden, unter vielen anderen z. B. die alpha 7RII.

Hinweis: die oben genannte Aufzählung ist nicht vollständig, es gibt noch mehr Kameras, die ISO-invariant sind.

Praktische Auswirkungen der ISO-Invaranz

Wie erwähnt, steigt das Rauschen bei ISO-invarianten Kameras auch bei höheren Empfindlichkeiten kaum an. Und „abgesoffene“ Schatten sind ja eigentlich auch nur mit höherer Empfindlichkeit belichtete Details, die aber unterbelichtet erscheinen. Sie können somit bei der RAW-Entwicklung mehrere Stufen aufgehellt werden, ohne daß das Rauschen unansehnlich wird. Bei Kameras mit klassischen Sensoren werden die so aufgehellten Bildpartien deutlich verrauscht und haben kaum noch Farbdetails.

Eine andere Möglichkeit ist es, mit fest eingestellter Zeit, Blende und Basis-Sensorempfindlichkeit zu fotografieren und erst nachträglich bei der RAW-Entwicklung die Bilder „hervorzuzaubern“, das kann beispielsweise sinnvoll sein, wenn man eine externe Lichtmessung vornimmt und die Aufnahmeparameter darauf abstimmt. Bei Kameras mit nicht-ISO-invarianten Sensoren artet das in Rauschen aus und es treten Farbverfälschungen auf, die bei der Nachbearbeitung kaum beseitigt werden können.

Belichtungsreihen mit Unter- und Überbelichtung

Belichtungsreihen mit Unter- und Überbelichtung

Ich habe mit etlichen Kameras aus meiner Sammlung Belichtungsreihen angefertigt, jeweils 5 bzw. 3 Blendenstufen unterbelichtet, korrekt belichtet und 3 bzw. 5 Blendenstufn überbelichtet. Bei einigen Kameras ließ sich die Belichtungskorrektur nur im Bereich +/- 3 Blenden einstellen, dies sind z. B. die Fuji X-E2 und die Olympus Pen F. Beide habe zwar ein praktisches Drehrad für die Belichtungskorrektur, aber diese sind aus mechanischen Gründen im Maximal- und Minimalwert begrenzt.

Bei Kameras mit klassischem Sensor sieht man deutlich, wie beim Anheben der dunklen Bilddetails das Rauschen stark ansteigt, bei den ganz alten Exemplaren sieht man zusätzlich die Farbverschiebung in diesem Bereich. (z. B. Nikon D70s oder D200).

Die ISO-invarianten Kameras haben bei minus 5 Blendenstufen und anschließender Spreizung der vorhandenen Informationen im RAW-Entwicklungsprozess durch Belichtungskorrektur von 5 Blenden heller ein vom korrekt belichteten Bild auf den ersten Blick kaum unterscheidbares Ergebnis. Erst bei genauer Betrachtung zeigen sich die Differenzen.

Auf Überbelichtung reagieren alle Kameras nicht gut, dabei gilt in etwa: je älter, desto schlechter. Das überbelichtete Bild aus der Nikon D70s oder der Olympus E-1 hat kaum noch Details, weil der Sensor in den hellen Bildpartien größtenteils „übergelaufen“ ist und es keinerlei Differenzierung gibt, da die meisten Bildpunkte die maximale Anzahl an möglichen Lichtteilchen überschritten haben.

Die NEX-7 „reißt aus“, sie hat in den Schatten deutliches Rauschen, dafür ist ihre Toleranz gegen Überbelichtung erheblich höher als bei den anderen Kameras. Möglicherweise arbeitet die Kamera mit einem herstellereinprogrammierten Trick und verschiebt die Ergebnisse, indem sie einfach immer etwas unterbelichtet und somit mehr Reserven gegen ausgebrannte Lichter hat.

Die Kameras, die nur +/- 3 Blenden verstellt werden können, dürfen beim Vergleichen der Bilder nur bedingt herangezogen werden, da die anderen Kameras die Belichtung jeweils zwei Stufen weiter spreizen und somit die Sensoren mehr fordern. Außerdem sollte bei der Beurteilung des Rauschens die Sensorgröße nicht vernachlässigt werden, das viermal kleinere mFT/FT rauscht mehr als ein Vollformatsensor.

Bild-Beispiele aus meinem Bild-Fundus

Ich habe aus meinem Bildfundus etliche Aufnahmen zusammengestellt, die die Invarianz neuer Sensoren bzw. die Nicht-ISO-Invarianz älterer Kameras aufzeigen sollen. Bei manchen Bildern habe ich in das überarbeitete Bild einen Ausschnitt eines RAWs ohne Bearbeitung eingebettet, so daß man zwischen Original aus der Kamera und per EBV verbessertem Bild sehen kann.

Bei den älteren Kameras sieht man deutlich, daß durch das „Hochziehen der Schatten“, also das partielle Aufhellen der „abgesoffenene“ Bilddetails das Rauschen deutlich ansteigt, bei mancher Kamera wird die zusätzliche Farbverschiebung sichtbar, z. B. bei der Aufnahme der Unterführung aus der Canon 20D. Bei den moderneren Sensoren ist diese Aufhellung um mehrere Blendenstufen völlig problemlos möglich, zum Einen sind dort genügend Details vorhanden, zum Anderen gibt es keine auffälligen Farbverfälschungen.

Den Gang im Schwimmbad aus der Nikon D800 habe ich aufhellgeblitzt, aber der hintere Teil war viele Blendenstufen unterbelichtet, weil der Aufsteckblitz dort nicht hingelangte. Die ähnliche Aufnahme der D300 des ebenfalls aufhellgeblitzten Tunnels zeigt ein starkes Rauschen in dem hinteren Teil, der mehrere Blendenstufen partial aufgehellt ist.   

Fazit

Moderne Sensoren sind erheblich besser als alte, jedoch werden auch heutzutage verschiedene „Güteklassen“ verkauft. Die alte Regel: „Belichte so, daß die Lichter nicht ausbrennen und ziehe später die Schatten hoch“, gilt bei ISO-invarianten Sensoren besonders, denn die Toleranz gegen Überbelichtung ist immer noch erheblich geringer als die Detailzeichnung in fast „abgesoffenen“ Motivstellen.

Christian Zahn

 

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