Jenoptik JD11 Entrance
Hier stelle ich eine Kompaktkamera vor, diesmal eine der sehr frühen OEM/ODM-Dutzendkameras. Sie kann als Beispiel für die Nicht-Qualität der Billigkameras dienen. Zwar waren die Ansprüche bei der Vorstellung weitaus niedriger als heutzutage, aber auch 1998 gab es bereits bessere Kameras mit gleicher Auflösung, die allerdings vermutlich teurer waren.
Im Beitrag "Die Pferde mitten im Strom wechseln und Turmbau zu Babel" wurde eine weitere, von der Datenspeicherung ganz unterschiedliche JD 11 gezeigt und die höher auflösende 1.024 x 768 Pixel Variante JD 12 und die dazu fast baugleiche Samsung Digimax 800K.
Spezifikationen:
- Die 1998 vorgestellte Jenoptik Jendigital JD 11 Entrance ist 80 x 84 x 30 mm groß und wiegt 122 g.
- Der CCD-Sensor (1/4“, 3,2 x 2,4 mm, Cropfaktor 10,8) löst maximal 640 x 480 Pixel = 0,3 Megapixel auf. Die Empfindlichkeit beträgt ISO 40 un kann nicht verändert werden. Videos sind nicht möglich. Die Bilder werden auf Smartmedia-Karten (2 MB) gespeichert, das aufgezeichnete Bildformat ist unbekannt, die notwendige PC-Software speichert JPGs oder BMPs.
- Das Objektiv ist eine 1:2,8/5,23 mm Festbrennweite, die kb-äquivalente Brennweite beträgt ca. 55 mm.
- Das Motiv wird über einen optischen Sucher angepeilt, ein Bilddisplay ist nicht vorhanden, lediglich ein recht ausführliches Statusdisplay.
- Entfernungseinstellung entfällt, weil Fixfokus
- Belichtungssteuerung durch Zeitautomatik bei fester Blende. Belichtungszeiten 9s bis 1/10.000 sek., Selbstauslöser mit 10 s Vorlaufzeit
- im Gehäuse integrierter Blitz mit ca. Leitzahl 6
- Weißabgleich automatisch
- keine Bildstabilisierung
- Energieversorgung durch 2 Mignon-Batterien
Besonderheiten
Das ehemalige Zeiss-Tochterunternehmen und inzwischen eigenständige Unternehmen Jenoptik aus Jena ist vielen Autofahrern „bekannt“ (wenn auch meist nicht namentlich), weil es der Hersteller der meisten „Blitzer“ von deutscher Polizei und Städten ist. Jenoptik hatte Robot, den Pionier der Geschwindigkeitsüberwachung mit mobilen oder stationären Geräten („Starenkästen“ von Traffipax), übernommen und die Technik inzwischen von der Aufzeichnung auf Kleinbildfilm zu einer digitalen Technik umgestellt. Der Markenname „Jenoptik“ wurde an die amerikanische Firma Concord Camera Corporation, Hollywood, Florida, USA lizensiert, die unter diesem Namen etliche Jahre lang recht preiswerte OEM-Kameras vertrieben. Die hier vorgestellte JD 11 ist möglicherweise die allererste dieser Digitalkameras.
„JD 11“ bedeutet Jenoptik Digitalkamera“ bzw. „JenDigital“. „Entrance“ = „Eingang“ weist auf eine ganz einfache Einsteigerkamera hin.
Hergestellt wurde die Kamera als OEM-Produktion möglicherweise von Skanhex in Taiwan. Es gibt vermutlich viele sehr ähnlich aussehende Kameras, die mit anderen wohlklingenden Namen bedruckt wurden, das Nachfolgermodell JD 12 z. B. gibt es auch als Samsung-Kamera.
Die Kamera verwendet 2 fast überall erhältliche Mignonzellen, Akkus und Batterien können benutzt werden. Der Gehäuseblitz ist fest eingebaut. Die Blitzbelichtungsmessung erfolgt vermutlich genauso wie die normale Belichtungsmessung durch einen Sensor unterhalb der Blitzröhre.
Das Objektiv sitzt hinter einer großen blauen Abdeckung, die die winzige Frontlinse gestalterisch „vergrößert“, von weitem sieht das Objektiv wesentlich imposanter aus, als es wirklich ist. Unterhalb der Scheibe ragt ein Steg aus dem Gehäuse heraus, er soll verhindern, daß der Fotograf mit den Fingern der linken Hand das Objektiv abdeckt. Da die Kamera kein Display zur Bildanzeige hat, würde man das erst zuhause am Computer sehen. Ein ähnlicher, aber gerader, Steg befindet sich unterhalb der Blitzröhre.
Bedient wird die Kamera mit den allernotwendigsten Tasten und Schaltern. Es ist ein als Schieber ausgeführter Hauptschalter vorhanden, ein Auslöser, eine „DELete“ - Taste zum Löschen des letzten Bildes bzw. aller Aufnahmen (formatiert gleichzeitig die Speicherkarte) und eine „PC“ - Taste zur Verbindungsaufnahme mit dem Computer. Mit der „Mode“ - Taste werden sowohl der Blitz als auch der Selbstauslöser und die Langzeitbelichtung eingestellt. Längeres Drücken dieser Taste schaltet zwischen „L“ Low und „H“ High um, bei „L“ passen 18 Bilder auf die Karte, bei „H“ nur 8. Zur Umschaltung zwischen Unendlich und dem Nahbereich ist ein Schieber an der Seite angebracht.
Im Display werden sowohl die Zahl der bereits gemachten Bilder gezeigt als auch eine fünfstufige Balkenanzeige, die die auf der Speicherkarte noch freie Restkapazität verdeutlicht. Die Kamera hat keinen zweistufigen Auslöser (das Fixfokus-Objektiv benötigt keinen Fokussiervorgang), trotzdem muß die Gummitaste des Auslösers etwa 2 Sekunden gedrückt werden, um ein Bild aufzunehmen, dabei ertönt ein Piepgeräusch, solange der Auslöser gedrückt ist. Ist es aufgenommen, hört das Piepen auf. Vermutlich ist das ein Schutz gegen versehentliches Aufnehmen eines Fotos, weil der Speicherplatz knapp ist. Danach erscheint „Busy“ im Display und das Bild wird gespeichert. Im „H“-Modus dauert es mehrere Sekunden, bis das nächste Bild aufgenommen werden kann.
Angepeilt wird das Motiv über einen Durchsichtssucher mit Leuchtrahmen für die Bildaußenkanten, Die Kanten sind zweimal vorhanden, der äußere gilt für entfernte Aufnahmen, der innere für Bilder im Nahbereich.
Die Belichtungsautomatik arbeitet im Normalmodus zwischen einer und 1/10.000 Sekunde, zusätzlich ist auf einen „B“ Modus umschaltbar, der Verschluss bleibt solange offen, wie der Auslöser gedrückt wird. Maximal sind 9 Sekunden möglich, eine Belichtungsmessung an der Kamera ist nicht vorgesehen, Lediglich die Zeit wird „hochgezählt“, solange die Aufnahme läuft, eine Stoppuhr ist nicht nötig. Mit Hilfe der PC-Software kann die Belichtungszeit ermittelt werden, wird aber nicht a die Kamera übermittelt, der Auslöser muß vom Fotografen so lange gedrückt werden, wie die Software vorgeschlagen hat.
Netzteil und serielle Schnittstelle sind hinter Klappen aus Gummi vor Verschmutzung geschützt, beide erfordern keine speziellen Kabel, es handelt sich um die übliche Hohlsteckerbuchse für die Stromversorgung und eine dreipolige Klinkensteckerbuchse zur Verbindung mit dem Computer, die auch in anderen Kameras verwendet wird, z. B der Kodak DC20 oder frühen Olympus Camedias.
Die Kamera wurde zusammen mit einer 2-MB-Karte mit Jenoptik-Aufkleber verkauft, im Karton lag auch eine Soft-Kameratasche und zwei Batterien. Ersatz-Speicherkarten mußt extra erworben werden.
Die UVP der JD 11 ist mir nicht bekannt, sie dürfte aber deutlich unter derjenigen der „Markenhersteller“ gelegen haben. Ich erhielt das gezeigte Exemplar von J. T. aus Chemnitz als Spende, dafür vielen Dank!
Übertragung der Bilder
Die Kamera speichert die Bilder auf SmartMedia-Karten, die auch Fuji und Olympus einsetzten. Allerdings erkennt die JD 11 nur Karten mit 2MB, keine Karten mit größerer Kapazität. Es sind die leichter erhältlichen Karten mit 3,3 Volt nötig, nicht die inzwischen sehr seltenen und darum sehr teuren mit 5 Volt. Die Karten müssen in der Kamera formatiert werden, danach sind sie aber von keinem Computer und keiner anderen Kamera mehr lesbar, denn die JD 11 verwendet kein DOS-kompatibles Dateisystem, sondern ein eigenes Format. Zum Auslesen der Bilder von der Karte muß die Jenoptik-Software und die Kamera verwendet werden, wobei die Software nur auf recht „historischer“ Rechentechnik funktioniert.
Auf der CD wird „Foto Bee“ mitgeliefert, die Software „Fotobiene“ wirkt heutzutage verspielt und ziemlich nervig, denn jedes „Überfahren“ einer der Software-Schaltflächen wird mit einem Sound bestätigt. Zwar läßt sich das in den Programm-Einstellungen abschalten, aber nach dem nächsten Programmstart ist das vergessen und das Programm tönt erneut. Ist das Programm „beschäftigt“, wird diese Tatsache nicht nur durch einen normalen Windows-Fortschrittsbalken dargestellt, sondern eine animierte Zeichentrickbiene tanzt im oberen Programmbereich unterhalb der Windows-Menuzeile.
Hersteller der Software war „Quark Opto Electronics Inc“, die nichts mit der DTP-Software „QuarkXPress“ zu tun hatte, sondern möglicherweise der Vorgänger einer noch heute in der Türkei existierenden Firma war.
Foto Bee erfordert einen Windows-Computer mit serieller Schnittstelle und der Möglichkeit, 16-Bit-Software auszuführen. Somit ist ohne Klimmzüge Windows 95 bzw. NT4.0, 98 bzw. 2000 notwendig, um die Bilder aus der Kamera auszulesen. Eventuell ist ein 32-Bit Windows XP noch fähig, die Software zu starten. Allerdings muß ein Zusatz installiert werden: die Microsoft Windows NTVDM-Erweiterung (auch als WOW aka Windows on Windows bezeichnet) ermöglicht es, auf 32-Bit-Windowsversionen alte 16-Bit-Software zu starten.
Foto Bee lädt zunächst SW-Voransichten der Bilder, danach können einzelne oder alle Aufnahmen über die serielle Schnittstelle übertragen werden. 2 MB dauern deshalb recht lange, weil die die Verbindung zwischen Computer und Kamera mit simpler „Dreidraht-Technik“ erfolgt, also einer Leitung vom Computer zur Kamera, einer für die umgekehrte Richtung und einer Masseleitung. Bei 115.000 Baud, also etwa 115 Tausend Bit pro Sekunde sind theoretisch etwa 8 bis 10 Kilobytes pro Sekunde möglich, somit dauert es mindestens drei Minuten, alle Bilder der Karte auszulesen, in der Praxis jedoch erheblich länger.
Möglicherweise werden die „rohen Sensordaten“ auf der Karte gespeichert und die RAW-Decodierung erfolgt direkt nach der Übertragung im Computer, dieses Verfahren setzten die frühen Digitalkameras wie die Apple QuickTake 100 oder die Kodak DC20 von 1994 bzw. 1996 ein. Von der Software auf dem PC gespeichert werden die Bilder als BMP (unkomprimierte Windows Bitmap-Datei) oder JPG.
Beispielaufnahmen
Alle Aufnahmen sind „Out of the Cam“, direkt aus der Kamera ohne jegliche Nachbearbeitung. Die Größe und Schärfe, Verzeichnung, Vignettierung, Gradationskurve usw. wurde nicht bearbeitet.
Qualitäts- und sonstiger Eindruck
Das Gehäuse der JD 11 ist komplett aus Kunststoff. Der Batteriefachklappe fehlt einer der beiden winzigen Häkchen, die sie im Gehäuse festhielten. Deswegen liegt sie auf dem Foto neben der Kamera, was früher so nicht möglich war. In der Nähe der Beschriftung „JD 11“ ist eine dunkle Stelle erkennbar, die durch ausgelaufene Batterien verursacht wurde. Deren Säure ätzt die Verchromung des eigentlich schwarzen Plastiks ab, so daß die Grundfarbe hervortritt. Glücklicherweise hat Säure die Elektronik nicht beschädigt, die JD 11 funktioniert noch.
Die Kamera gehört zur Klasse der einfachsten Kompaktkameras. Die Bildqualität ist „unterste Schublade“, trotz geringer Empfindlichkeit gibt es deutliches Farbrauschen und kaum Details, außerdem „brennen“ helle Motivdetails aus, sie sind weiß ohne jegliche Zeichnung. Der Sensor ist einfach zu klein und die Bildaufbereitung-Tricks der namhaften Kamerahersteller waren dem OEM-Fertiger unbekannt bzw. unterlagen Patentschutz und durften nicht benutzt werden.
Der Sensor hat einen Cropfaktor über 1:10, er ist gerade einmal ca. 3 x 2,5 mm groß, hat also nur 7,5 Quadratmillimeter. Die in Kompaktkameras der 640x480-Pixel-Kameras aus den Jahren 1994 bis 1998 waren meist größer und deren Bilder sehen besser aus.
Fazit: eine digitalkamerahistorisch interessante Kamera (weil frühe frühe OEM-Kamera), heutzutage zum ernsthaften Bildermachen völlig unbrauchbar. Jedes Smartphone macht bessere Aufnahmen.
Christian Zahn, Oktober 2024
Neuen Kommentar schreiben
Autor: | Christian Zahn |
Mail senden | |
Erstellt: | 9.10.2024 |
Kommentare (0)
Keine Kommentare gefunden!