Kodak EasyShare P850, Ersatz für eine digitale Spiegelreflexkamera?
Kodaks Anfänge und Ende, berühmte Namen
Repros aus dem schwedischen Fachmagazin "foto" von 1955
Kodak und Schneider Kreuznach, eine alte und traditionsreiche Verbindung
Von 1934 bis 1969 ließ Kodak seine „Retina“/„Retinette“ in Deutschland bauen, bestückt mit Objektiven von Schneider Kreuznach. Bis zum Ende Kodaks 2012 trugen etliche Objektive der besseren Digitalkameras den Namen Schneider Kreuznach. Bei der vermutlich letzte Kodak vor Produktionseinstellung 2012, der Z5120, trägt das Objektiv den Namen „Retinar“. Das als Erklärung der Objektivbezeichnung Kodaks.
1974/1975 erfinden die damaligen Kodak Ingenieure David Lewis und Steve Sasson die ersten Digitalkameras der Welt. 1987 entwickelt Kodak den ersten Prototypen einer digitalen Spiegelreflexkamera auf Basis der Canon F1 new, der weitere Prototypen folgen. 1991 fertigt Kodak die erste digitale Spiegelreflexkamera der Welt auf Basis der Nikon F3 in Serie, die nie offiziell so hieß, später aber auch von Kodak so benannt wurde: Kodak DCS 100. Das DCS steht übrigens für: Digital Camera System
Danach folgen zahlreiche DSLRs unterschiedlicher Auflösung und Sensorgröße mit für den Anwender je nach Objektivpark wählbaren Nikon- oder Canon EOS 1n-Basiskameragehäusen. Von der zweiten, serienmäßig von Kodak produzierten und der letzten Kodak DSLR finden sie im digicammuseum.de zahlreiche Erfahrungsberichte. Neben den DSLRs gab es von Kodak noch mehrere digitale Rückwände für Mittelformatspiegelkameras. Hier gibt es die komplette Kodak DCS-Story.
Ohne Kodaks Pionierarbeit stünden Canon und Nikon mit ihren eigenen Digitalkameras nicht da, wo sie heute stehen! Am 31. Mai 2005 stellt Kodak die Produktion der beiden letzten DSLRs und dem Mittelformatkamera-Rückteil ein.
Digitalkamera.de mutmaßte 2005, dass mit den beiden Modellen mit dem „P“ in der Kamerabezeichnung EasyShare P850 und P880 ein Versuch unternommen werden sollte, die Nachfolge der eingestellten DCS-Klasse anzutreten. Steht doch das „P“ in der Kamerabzeichnung für „Performance“, zu Deutsch: Leistung, Leistungsfähigkeit, Erfüllung. Angesichts Kameraboliden wie einer Kodak/Canon EOS1n/DCS520, Kodak/Nikon F5/DCS620x oder Kodak/Nikon F5/DCS760 allenfalls ein schlechter Witz... Unter den Kameras noch zwei Andenken aus Kodaks großer Zeit: Pins von der Winter-Olympiade 1994 in Lilehammer/Norwegen, wo Kodak noch groß und Sponsor war.
Immerhin sind die beiden 2005 vorgestellten Kodak-Modelle P880 und P850 mit Objektivkonvertern ausbaufähig, verfügen über einen TTL-Blitzschuh für den Systemblitz P20, bieten 25 Punkt Mehrfeldmessung für Belichtung und Schärfe und gestatten die Speicherung im RAW-Format.
So gar nicht zur „Performance“ will aber der winzige 1/2,5" 5,8 x 4,3 mm CCD-Sensor mit seiner Pixelgröße (exakter Pixelabstand, Pixelpitch) von 2,2 µm passen, der bei vergleichbaren Kodak-Modellen gleicher Sensorgröße aber noch höherer Auflösung noch kleiner wird. 6mpixel.org ist der Ansicht, dass „der beste Kompromiss für eine Kompaktkamera ein Sensor mit 6 Millionen Pixeln oder besser eine Pixelgröße von > 3 µm ist.“ Siehe auch hier.
Sicher blieb Kodak die eigene Kanibalisierung des analogen Films nicht unverborgen und hätte den Verlauf vielleicht gezielter steuern können. Möglicherweise auch durch Halbherzigkeit hat Kodak am Ende alles verloren! 2005 mit der hier vorgestellten Kodak EasyShare P850 war so etwas der Anfang vom Ende, 2012 kam das Ende. 2012 stellt Kodak die Produktion von Digitalkameras, Diafilmen und dem Schwarzweißfilm P3200 T-Max ein. Am 3. September 2013 verkaufte Kodak seine Filmproduktion und gab damit das ehemalige Kerngeschäft auf. Und das war’s mit Kodak! Quelle: Wikipedia
Kodak EasyShare P850
Als besser ausgestattetes Exemplar der Kodak EasyShare-Linie sollte eine Kamera mit in die Sammlung, und die Wahl fiel auf die Kodak P850. Beim flüchtigen Hinsehen könnte die P850 tatsächlich als Miniatur-DSLR durchgehen. Alleine wenn man die zahlreichen Tipp-Schalter auf der Kameroberfläche zählt. Sicher trägt auch der (Video-)Sucher zum DSLR-Look bei, mit dem die Kamera wie eine DSLR vors Auge/Gesicht gehalten wird. Was aber auch für meine Nikon Coolpix P510 und JEDE Bridgekamera zutrifft, die zusätzlich zum Monitor und Liveview einen E-Sucher hat – die gewisse Ähnlichkeit mit einer DSLR...
Die 108 x 84 x 72 mm große Kodak EasyShare P850 wiegt 403 g und ist mit einem 1/2,5" 5,8 x 4,3 mm CCD-Sensor bestückt, der maximal 2.592 x 1.944 Pixel = 5 MP im Seitenverhältnis 4:3 oder 4,5 MP in 3:2 auflöst. Diese Empfindlichkeiten werden geboten: ISO 50 bis 400 in 1/3-Abstufungen, ISO-Automatik und bei auf 1,2 MP reduzierter Auflösung ISO 800. Gespeichert wird in 24 bit Farbtiefe komprimiert als JPEG in den Qualitäten „Einfach“, „Standard“ (S) und „Fein“, unkomprimiert als TIFF oder in höherer Farbtiefe im Rohformat (RAW). Videos können mit maximal 640 x 480 Pixel und 30 B/s aufgenommen und als MOV gespeichert werden. Gespeichert wird in den internen 32 MB Speicher oder auf Multi Media/SD-Karte.
Da ich auch unbedingt das eigentlich von mir wenig geliebte Datenrohformat (RAW) der Kodak probieren wollte, wurden entsprechende SD-Karten eingesetzt. Auf die vorhandenen 512 MB SD-Karten passen nur wenige Aufnahmen im Rohdatenformat und 4 und mehr GB SD-Karten verweigert die EasyShare P850. Ihre Firmware gestattet aber den Einsatz von 2 GB SD-Karten, die schließlich verwendet wurden. Auf die 2 GB SD-Karte passen wahlweise: 126 TIFF (in Anbetracht der Möglichkeit Rohdaten zu speichern unsinnig!), 219 RAWs 5 MP, 588 JPEGs F(ine) 5 MP 4:3, 632 JPEGs F(ine) 4,5 MP 3:2 oder 1016 JPEGs S(tandard) 5 MP
Objektiv ist ein stabilisiertes 2,8-3,7/6-72 mm (36 bis 432 mm @KB) 12-fach Zoom, das per Adapter eine Gegenlichtblende, einen 0,7-fach Weitwinkel- oder 1,4-fach Tele-Konverter aufnimmt.
Die Entfernung kann manuell mit Hilfe einer Skala eingestellt werden oder eben per Autofokus. Im Einzel-AF-Betrieb (AF-S) oder kontinuierlich (AF-C). Die Entfernung kann von 25 Punkten abgefragt werden.
Das Motiv kann wahlweise über einen Videosucher mit Dioptrienausgleich oder über den 2,5" TFT LCD Monitor mit 115.200 Bildpunkten erfasst werden. Über den großen Monitor werden alle Menüs gesteuert.
Die Belichtung wird wahlweise mittenbetont, integral, über 25 Felder (Matrix) oder punktförmig als Spot gemessen. Belichtungssteuerung per Programm- Blenden- oder Zeitautomatik, sowie manuell. Dazu kommen zahlreiche Motivautomatiken. Die automatische Belichtung kann +/- 2 EV in 1/3 EV-Stufen korrigiert werden. Bei Bedarf können Reihenbelichtungen mit drei Aufnahmen in 1/3 bis 1 EV gemacht werden. Die Belichtungszeiten liegen manuell/automatisch zwischen 16 oder 1 s als längste Belichtungszeit bis 1/1000 s. Der Selbstauslöser hat 2 oder 10 s Vorlaufzeit. Bei höchster Auflösung kann die P850 Fotos mit einer Frequenz von 2,3 B/s aufnehmen.
Der eingebaute Blitz reicht im WW-Bereich 4,7 m weit und bietet die Funktionen: ein/aus, Automatik, Langzeitsynchronisation und Rote-Augen-Reduktion. Dazu kommt ein Blitzschuh mit Standard-Mittenkontakt und weiteren Kontakten für die Steuerung des Systemblitzgeräts P20 Zoom. Der Weißabgleich erfolgt automatisch, manuell oder mit den Voreinstellungen Wolken, Sonne, Schatten, Leuchtstofflampe und Glühlampenlicht. Für die Stromversorgung der P850 ist der 3,7 V 1.700 mAh Kodak KLIC-5001 Lithiumionen-Akku zuständig.
Beispielfotos, aufgenommen mit der Kodak EasyShare P850 im Oktober 2016
Beim ersten Rundgang aufgrund des trüben Herbsttages wurde ISO 200 eingestellt, um den optischen Stabilisator zu unterstützen. Was sich hinterher bei der Kontrolle in 1:1/100 Prozent Wiedergabe auf dem Monitor bereits als sichtbares Rauschen niederschlug. Beachten Sie die unscharfen Hintergründe, die grüne Tür, das rot angestrichene Holz und die rostüberzogenen Anteile des Schotterwegglätters. Farbwiedergabe und automatischer Weißabgleich sind sehr gut!
Eine schnell improvisierte Testreihe von ISO 50 bis ISO 400 in 1/3 EV-Schritten zeigte die Grenze für noch rauscharme Fotos bei ISO 125. Natürlich kann man das Rauschen bei ISO 200 bei der „Entwicklung“ der Kodak-Rohdaten mit Adobe RAW oder Lightroom minimieren. Das geht aber immer auf Kosten von etwas Bildschärfe!
Woher kommt das Rauschen?
Fürs Rauschen sorgen die 5 Millionen Pixel auf dem zu kleinen 1/2,5" 5,8 x 4,3 mm CCD-Sensor, dessen Pixel einen Abstand von nur 2,2 µm haben. Die Organisation „6MEGAPIXEL“ schreibt unter „Die FLUT der kleinen Pixel oder der FLUCH der kleinen Pixel?“ – „Beste Bildqualität mit 6 Megapixeln!“ unter anderem: „Der beste Kompromiss für eine Kompaktkamera ist ein Sensor mit 6 Millionen Pixeln oder besser eine Pixelgröße von > 3 µm.“ OK, hier sind es nur 5 Megapixel aber die Pixelgröße, exakter der Pixelabstand oder „neudeutsch“ Pixelpitch liegt mit 2,2 µm deutlich darunter. Bei zu vielen Bildpunkten auf einem zu kleinen Bildsensor wird die Qualität eben immer schlechter. Noch schlimmer treiben es die Nachfolger der P850. Bei der ein Jahr später vorgestellten P712 drängeln sich schon 7 Millionen Pixel auf der gleichen Fläche: Pixelpitch 1,9 µm. Den Vogel schießt dann die 8 Megapixel Z812 von 2007 ab: Pixelpitch 1,7 µm. Mit diesem Wissen werden die genannten Modelle für viel zu hohe Preise angeboten! Da kamen die 10 Euro für die hier vorgestellte P850 gerade recht. Ihr Fehler, der Blitz klappt zwar noch aus, muss aber mit dem Finger in Position gehalten werden. Da die P850 nicht so häufig eingesetzt werden soll, spielt das keine Rolle...
Nicht ohne Grund beginnt die ISO-Skala der P850 bei 50. Vermutlich ist das auch die realistische Nennempfindlichkeit dieses kleinen Sensors. Eine Verdoppelung auf ISO 100/125 macht er noch problemlos mit, dann wird es kritisch. Wobei man nie vergessen sollte, dass ein etwas verrauschtes ISO 200 Foto auf jeden Fall besser ist als ein unscharf verwackeltes. Weil die Belichtungszeit durch eine zu niedrige ISO zu lang wurde.
Gebrauchsempfindlichkeit ISO 125
ISO 125. Durch die Nahaufnahme mit längerer Brennweite wird trotz des kleinen Bildsensors auch der Hintergrund angenehm unscharf.
Verfall und Retro
Steuere ich im Urlaub gerne an: Die liebevoll hergerichtete Tankstelle ohne Funktion, aber im 1960er-/1970er Jahre Retrostil. "MACK", komplett MACK Petroleum AB war der 1916 gegründete schwedische Benzinpumpenhersteller. Kurzerhand wurden Tankstellen, sicher weil es auch so schön kurz und prägnant ist, umgangssprachlich "MACK" genannt...
Retro-Tankstelle "verlangt" Retro-Style ;-)
ISO 50: Tadellos
Kodak EasyShare P850: Nicht schlechter machen, als sie ist... ISO 50 Nennempfindlichkeit, Interpolation per Adobe RAW
Als Testobjekt musste die arg ramponierte Agfa AMBI SILETTE herhalten, die von der auf dem Stativ stehenden Kodak EasyShare P850 bei ISO 50 Sensorempfindlichkeit und Zeitautomatik bei Blende 5,6 aufgenommen wurde. Bei der "Entwicklung" der Kodak Rohdatei bietet Adobe RAW neben verkleinertem Öffnen die Auswahlmöglichkeiten: 2.592 x 1.994 5 MP (Originalgröße), 3.072 x 2.304 7,1 MP, 4.096 x 3.072 12,6 MP und 5.120 x 3.840 19,7 MP. Auf die letzte Größe habe ich verzichtet, die restlichen drei Einstellungen hier:
Bei Nenngröße 5 MP und Vergrößerung auf 7 MP gibt es nichts zu kritisieren. Bei 13 MP ist die Grenze erreicht.
Auch wenn sich die Kodak EasyShare P850 nur als "möglichst-viel-Tageslicht-tauglich" erwiesen hat, darf sie mit in die Liste "Auch heute zum Fotografieren brauchbare (alte) Digitalkameras" aufgenommen werden.
Ralf Jannke, Sommer 2016
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Autor: | Ralf Jannke |
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Erstellt: | 15.11.2017 |
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