Minox Leica DCC M3 Plus Kurzbericht von Christian Zahn

Hier stelle ich eine digitale Kompaktkamera vor, sie gehört eigentlich ins „Gruselkabinett“, da sie eine sehr schlechte Bildqualität hat. Trotzdem darf sie in eine „bessere Museumsecke“, denn da sie eine alte manuelle Kamera imitiert, sieht sie von vorn recht gut aus.

Spezifikationen

  • Die 2008 vorgestellte Minox DCC Leica M3 Plus 5.0 ist 74 x 47 x 44 mm groß und wiegt mit Akku und Speicherkarte 110 g.
  • Der CMOS-Sensor (evtl. 1/1,8“) löst maximal 2560 x 1920 Pixel  = 5 Megapixel auf. 100 ASA sind vermutlich unveränderlich. AVI-Videos sind mit 320x240 Pixeln ohne Ton möglich. Bilder werden als JPEG auf SD/SDHC-Karten (max. 32 GB) gespeichert.
  • Das Objektiv ist ein 1:2,8/8,7 mm Normalobjektiv, die kb-äquivalente Brennweite beträgt ca. 42 mm.
  • Das Motiv wird über einen abschaltbaren 1,5“ TFT LCD Monitor mit ca. 50.000 Subpixeln angezeigt, der auch die Menüsteuerung übernimmt. Zusätzlich ist ein Umkehr-Galilei-Sucher vorhanden.
  • Entfernungseinstellung rein manuell
  • Belichtungssteuerung durch Zeitautomatik. Belichtungszeiten ca. 1/10s bis 1/1000 sek., Selbstauslöser mit 10 s Vorlaufzeit
  • kein integrierter Blitz, Anschlußkontakte für Spezialblitz
  • Weißabgleich automatisch
  • keine Bildstabilisierung
  • Energieversorgung durch Lithium-Akku

Besonderheiten

  • Die Minox DCC Leica M3 Plus 5.0 ist eine OEM-Auftragsproduktion, hergestellt in China für die Minox GmbH. (Im Jahre 2010 war der Firmensitz in der Walter-Zapp-Straße 4, Wetzlar. Diese Straße ist nach dem Firmengründer und Erfinder der Ur-Minox benannt.) Minox hat seit ca. 1940 verschiedene Kleinstbild- und Kleinbildkameras hergestellt, darunter die Minox B, die 35 GT oder die 35 ML. 1988 war Minox insolvent, konnte aber gerettet werden. 1996 kaufte Leica Minox auf, 2005 erfolgte ein Management-Buy-Out durch den damaligen Minox-Geschäftsführer. 2001 stellte Minox seine erste Digitalkamera vor, seitdem wurden etliche OEM-Kameras verkauft.
  • DCC steht für „Digital Classic Camera“, unter diesem Label ließ Minox von ca. 2003 bis etwa 2015 etliche klassische Kameras in 1/3 der Originalgröße mit digitalem Innenleben nachbauen. Die letzten Versionen hatten sogar 14 Megapixel.
  • Die verschiedenen Versionen sind an einem auf der Unterseite angebrachten Aufkleber erkennbar, 2.1 ist die erste Version, 5.0 die Zweite, 5.1 die Dritte und die letzte Version ist die 14. (Die Zahl steht jeweils für die Megapixel des Sensors.) Alle nutzen ein mehrfach vergütetes Normalobjektiv mit einer Klarglas-Schutzscheibe davor. Der Bildprozessor ist von Zoran, Optik und Sensor stammen möglicherweise aus einer Webcam.
  • Die eingebaute Technik war 2010 für eine „richtige“ Digitalkamera bereits völlig unzeitgemäß, demzufolge waren die Rezensionen zur Bildqualität auch sehr abwertend. Die Kamera folgt dem Prinzip „Mehr Schein als Sein“, sie richtete sich eigentlich auch nur an Sammler denn an Anwender. Die Generation 5.0 wurde anfangs in einer Blechdose und mit ledernem Trageriemen verkauft, ab der Version 5.1 gab es eine wesentlich hübschere Holzschatulle zur Aufbewahrung.
  • Wer wollte, konnte einen externen Zusatzblitz (ebenfalls im Retrodesign) für 140 Euro erwerben, er wird unter die Kamera geschraubt und koppelt über zwei elektrische Kontakte. Und für jeweils ca. 90 Euro gab es einen Telekonverter 1,5x und einen Weitwinkel-Konverter 0,67x.
  • Neben der nachgemachten Leica M3 gab es verschiedene andere Modelle, darunter eine „Schraubleica“ mit Aufstecksucher, eine zweiäugige Rolleiflex oder komplett schwarze Exemplare.
  • Die Kamera verwendet einen Lithium-Akku, der baugleich mit Nokia-Handakku BL-5B ist. (Die Version 2.1 von 2003 benötigte eine 3 Volt-Lithium-Batterie 2CR.)
  • Die Kamera hat sowohl einen eingebauten Flash-Speicher mit ca. 128 MB als auch einen SD-Kartenschacht, der SDHC-Karten bis 32 GB akzeptiert.
  • Das Objektiv entspricht in etwa einem Normalobjektiv von 42mm KB.
  • Das Display ist nicht durch eine Schutzscheibe vor mechanischen Beschädigungen geschützt. Die Auflösung mit (geschätzt) nur 50.000 Subpixeln war damals nicht mehr klassenüblich, eine Schärfenbeurteilung ist damit völlig unmöglich, die Belichtungskontrolle schwierig, es reicht gerade so, um den Bildausschnitt zu wählen.
  • Es sind nur die allernotwendigsten Tasten vorhanden, die Kamera hat exakt 4 Knöpfe: den Auslöser, einen Ein-Taster, der auch zwischen Aufnahme, Wiedergabe und Kameramenü umschaltet sowie je einen Rauf- und Runter-Taster. Im Menü erfolgt die Bestätigung einer Auswahl durch den Auslöser, zum Abschalten hangelt man sich durch das Menu bis zum „Abschalten“-Eintrag, den man durch Druck auf den Auslöser auswählt (oder man wartet einfach, bis sich die DCCselbst abschaltet). Die Kamera hat keine eingebaute Echtzeituhr, alle Bilder tragen als Datum „1.1.2007 0.00 Uhr“. Die Kamera beginnt bei jeder neuen Speicherkarte immer mit Bildnummer „0000“, damit die Kamera weiterzahlt, muß man nach dem Löschen von Bildern auf der Kamera immer das jeweils letzte auf der Karte lassen.
  • Das Menu ist trotz nur wenigen Einträgen unübersichtlich, den Videomodus erreicht man z. B., in dem man auf „Kamera—>Video—>Video“ drückt. Zurück gehts dann auch nur wieder so umständlich. Die Bildqualität kann in drei Stufen eingestellt werden, die gewählte Stellung merkt sich die Kamera auch bei einem Akkuwechsel.
  • Das Display ist zu Stromsparmaßnahmen abschaltbar, dann kann mit einem Realbildsucher ohne Bildfeldmarken und Parallaxmarken “gezielt“ werden. Der Sucher ist vom Umkehr-Galilei-Typ und besteht aus zwei Linsen. Wie üblich ist auf den Bildern mehr „drauf“ als im Sucher zu sehen war.
  • Viele Bedienelemente der DCC Leica M3 (ein verkleinerter Nachbau der ersten Leica-Meßsucherkamera mit Bajonett von 1954) sind beweglich, haben aber natürlich keine technische Funktion. So können der Transporthebel und der Selbstauslöser um ca. 90° gedreht werden und beide klappen per Feder wieder zurück. Das Rückspulrad läßt sich frei drehen, das schwer drehbare Zeitenrad hat sogar eine kleine Kerbe, in die früher der Leica-Belichtungsmesser koppelte.
  • Einziges Bedienelement mit Funktion ist der Entfernungsverstellhebel, mit dem die Kamera manuell von 0,5m bis Unendlich fokussiert werden kann.
  • Von vorn oben sieht die Kamera dem Vorbild sehr ähnlich, von hinten jedoch überhaupt nicht. Die eingebaute Technik erforderte einen sehr dicken hinteren Buckel, so daß das Fotografen-Auge nicht ganz bis an den Sucher herankommt.
  • In den EXIFs sind undokumentierte MakerNotes enthalten, die keines meiner Programme entschlüsselt. Der Kamerahersteller laut EXIFs ist „Zoran Corporation“, die Kamerakennung lautet „Coach“, die Softwarekennung „COACHware 1.0“. All das stammt direkt vom Kameraprozessor der Zoran Corporation, den der chinesische Hersteller nicht angepaßt hat, um „Minox“ in die EXIFs zu schreiben. Die Bildbeschreibung ist mit „My Beautiful Picture“ fest in jedem Bild, das Copyright „2002“ deutet auf einen alten, billig erhältlichen Zoran-Chip hin. Die Zeitautomatik ist korrekt eingetragen (die Kamera hat eine feste Blende und einen rein elektronischen Verschluss).
  • Die Kamera trägt die Aufnahmedaten nicht ganz korrekt in die EXIFs ein, Photoshop z. B. zeigt bei jedem Bild nur 1/13s an, andere Programme zeigen die wahre Belichtungsdauer an. Die Empfindlichkeit wird ebenfalls mit 100 ASA fest angegeben, was aber möglicherweise nicht stimmt.
  • Über die USB-Buchse kann der Akku aufgeladen werden, dazu steckt man die ausgeschaltete Kamera an den Rechner. Will man die Bilder aus der Kamera herunterladen, steckt man die eingeschaltete Kamera an den Rechner.
  • Die Kamera wurde in einem Komplettset bestehend aus Kamera, Aufbewahrungstasche, Akku, Tragegurt und USB-Kabel verkauft. Die DCC 5.0 kommt in der gezeigten Blechdose, die 5.1 und die 14 werden mit einer braunen Holzschatulle mit Samtauskleidung geliefert.
  • Die UVP der Minox DCC 5.0 betrug ca. 180 Euro. Die Version mit 14 Megapixeln kostete ca. 230 Euro. Der Zusatzblitz kostete 140 Euro, die Brennweitenkonverter jeweils ca. 90 Euro.
  • Ich habe die vorgestellte Kamera Weihnachten 2020 geschenkt bekommen, Anfang 2021 betrug der Gebrauchtpreis je nach Zustand, Lieferumfang und Modell ca. 20 bis 200 Euro.

Beispielfotos

Alle Aufnahmen entstanden bei 100 ASA, gespeichert als JPEG, bearbeitet mit Photoshop CS4. Die Größe wurde auf 1500 Pixel bikubisch verkleinert. Schärfe, Verzeichnung, Vignettierung, Gradationskurve usw. wurde nicht bearbeitet, es sind also fast unveränderte Bilder „Out of the Cam“.

Qualitäts- und sonstiger Eindruck

Das Gehäuse der Minox DCC Leica M3 ist komplett aus Kunststoff. Lediglich einige Zierteile, das Stativgewinde und die Trageösen sind aus Metall.

Die Kamera gehört zur Klasse der billigsten China-OEMs/ODMs. Lediglich durch die äußere Anmutung des Gehäuses erzielt sie einen Sammlerwert. Der Verschluss ist rein elektronisch, darum kämpft er mit dem „Rolling-Shutter-Problem“, wie man an den gebogenen geraden Linien im Beispiel 1 gut sehen kann. Es ist sehr schwer, die kleine und winzige Kamera beim Auslösen ruhig zu halten, so daß sogar Aufnahmen mit einer 1/500s „verbiegen“.

Die Verzeichnung und Vignettierung sind recht gering. Die chromatischen Aberration sind jedoch sehr deutlich sichtbar. Ob die angegebenen 100 ASA wirklich fest sind, oder die Kamera bei schlechten Lichtverhältnissen die Empfindlichkeit anhebt, läßt sich nur erraten.

Fazit: eine digitalkamerahistorisch nicht uninteressante Kamera (weil Designergehäuse), zum ernsthaften Bildermachen weder zum Verkaufszeitpunkt noch heutzutage geeignet.

Christian Zahn, Frühjahr 2021

Museum für alte Kameras sowie Fotogalerie:
http://www.ChrZahn.de
Dort auch Tipps zum Entwickeln von Farb- und SW-Dias

PS.: Es wird von Christain Zahn noch einen Bericht zu einer richtigen "anständigen" Leica geben ;-) Mehr wird noch nicht verraten!

 

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