Carl Zeiss Jena 50mm Pancolar Exakta-Version an Nikon Z5

In diesem Erfahrungsbericht geht es um ein etwa 50-60 Jahre altes Manuellfokusobjektiv adaptiert an die spiegellose 24-Megapixel-Systemkamera Nikon Z5.

Carl Zeiss Jena Pancolar 2/50

Das gezeigte Objektiv ist zwischen 1960 und 1969 gebaut worden (in der gezeigten Variante des Entfernungsrings vermutlich nur von 1960 bis 1961), aber nicht mit M42-Anschluß, sondern mit dem EXA/Exakta-Bajonett und Druckblende. Diese Druckblenden-Betätigung war erforderlich, weil die Exakta-Kameras keine Ansteuerung der Objektivblende haben, der seitliche Hebel wird beim Ansetzen an die Kamera genau über dem Kamera-Auslöser platziert. Drückt der Fotograf auf den Hebel, schließt er erst die Objektivblende auf den eingestellten Wert und löst danach die Kamera aus.

Dieser Hebel kann durch Drehung der geriffelten Krone eingerastet werden, dann entfällt das Drücken bei jeder Aufnahme, allerdings wird dann auch bei Arbeitsblende scharfgestellt, was je nach Aufnahmesuitiation in einem verrauschtem Sucherbild resultiert.

Das Objektiv ist einfach vergütet.

Der mit Kautschuk ausgelegte und recht schmale Entfernungsring läuft inzwischen leider zu stramm, das Schmiermittel ist verharzt. Der Einstellweg ist mit etwa 300° sehr feinfühlig einstellbar. Die Naheinstellgrenze ist mit 0,5m normal. Der ebenfalls sehr schmale Blendenwahlring rastet halbstufig, es sind 6 Lamellen eingebaut. Die Streulichtblende wird in das nicht mitdrehende Filtergewinde 49 mm eingeschraubt. Wie erwähnt hat das Objektiv eine vom Blendenring verstellte Tiefenschärfe-Anzeige.

Das Objektiv hat einen Durchmesser von 64 mm, eine Baulänge ab Bajonett von 43 mm und wiegt 190 Gramm. Beim Fokussieren auf die Nahgrenze wird es ca. 7 mm langer. Das gesamte Objektiv macht einen hochwertigen Eindruck, es ist vollständig aus Metall hergestellt, aber trotzdem recht leicht, was auf Aluminium als Werkstoff schließen läßt.

Das Objektiv verzeichnet nur gering, in den Bildern ist dieser Bildfehler praktisch nicht sichtbar.

Das Objektiv ist am Vollformatsensor der Z5 und Offenblende erwartungsgemäß unscharf (lediglich in der Bildmitte wird ein kreisförmiger Teil scharf abgebildet) und überstrahlt heftig, ab 1:4 werden die Bildränder scharf, Abblenden auf 5,6-8 steigert die Schärfe weiterhin, ab 1:11 wird das gesamte Bild durch die Beugung wieder unschärfer, lediglich die Tiefenschärfe nimmt noch zu. Die chromatischen Aberrationen sind ab 1:4 praktisch nicht mehr erkennbar. Das Objektiv ist recht streulichtempfindlich (das liegt bei meinem Exemplar aber ggf. „nur“ am Kratzer in der Frontlinse und den Pilzfäden an den Linsenrändern)

Ich erwarb das gezeigte Exemplar Ende 2023 zusammen mit einer Exakta RTL 1000, einer mit Exakta-Bajonett versehenen Praktica LLC, die von 1969 bis 1973 gebaut wurde. Das Pancolar ist aber älter (ab 1960 mit der Exakta Varex IIa erschienen), einer der Vorbesitzer hat Kamera und Objektiv falsch zusammengestellt, denn die RTL1000 hat dank des Erbes der Praktica-Kameras eine im Bajonett angebrachte Springblendenbetätigung und benötigt keine Objektive mit der seitlichen Exakta-Druckblendenbetätigung. Passend zur Kamera wurden damals einige wenige Objektive mit innerem Springblendenmechanismus hergestellt und verkauft. Die in den Westen verkauften Exemplare von Kamera und Objektiv wurden nur mit „Jena“ graviert, der Markenname „Zeiss“ bzw. „Exakta“ mußte entfallen, denn die entsprechenden Rechte besaßen Carl Zeiss West bzw. die Exakta GmbH aus Berlin. Nur für den Ost-Export in die RGW-Staaten wurde „Zeiss“ auf die Objektive graviert und ein Schild mit „Exakta“ an die Kameras geklebt.

Mein Pancolar hat leider einen deutlich sichtbaren Kratzer in der Vergütung der Frontlinse (möglicherweise ist jemand mit dem Objektiv an etwas gestossen oder in der Fototasche kam einmal etwas versehentlich an das ungeschützte Objektiv), außerdem zeigen sich Spuren von wachsendem Glaspilz an den Rändern der Vorderglieder.

Je nach Ausführung, Zustand, Bajonettanschluß und Lieferumfang hat das Objektiv einen aktuellen Zeitwert von 20 bis knapp unter hundert Euro.

Das 2/50mm Pancolar ist ein unsymmetrisches Doppelgauß-Objektiv aus 6 Elementen in 4 Gruppen, wie es seit den 1950er Jahren in unzähligen Varianten von der deutschen und später der japanischen Kamera- und Objektivindustrie berechnet und produziert wurde. Es ist eine deutliche Fortentwicklung weg vom namensgebenden Objekttyp, das von dem deutschem Physiker Carl Friedrich Gauß als zweielementiges Objektiv etwa 1817 berechnet wurde. 1888 setzte der Astronom Alvan Clark erstmals zwei dieser Grundobjektive „gespiegelt“ zusammen, das Gauß-Doppelobjektiv war geboren. 1896 erweiterte der bei Carl Zeiss (Jena) beschäftige Physiker Paul Rudolph diese Konstruktion weiter und schuf mit 6 Elementen in 4 Gruppen das Planar, bei dem jeweils 2 Linsen im Vorder- bzw. Hinterglied miteinander verkittet, also verklebt, sind. Der Name deutet auf die geringe Bildfeldwölbung hin, ein planes Motiv wird auf dem Negativ bis in die Bildecken auch plan, also scharf abgebildet. Nach dem Ausscheiden des Entwicklers aus den Zeiss-Werken änderte der Hersteller nach einer Neuberechnung des Planars durch Willy Merte den Objektivnamen in Biotar.

Dieser „Planar- bzw. Biotar-Typ“ bildete lange Zeit die Grundlage für scharfzeichnende Normalobjektive, es hat jedoch den Nachteil, daß die Brennweite und die Schnittweite übereinstimmen. Das bedeutet, daß der „optische Mittelpunkt“ des Objektivs genauso weit vom Negativ entfernt ist, wie die Brennweite des Objektivs. In Großformat- oder Sucherkameras spielt das keine große Rolle, weil bei ersteren der Verschluss mittig im Objektiv sitzt und bei letzteren die Hinterlinse bis knapp vor den Tuchschlitzverschluß reichen darf. Da in einer Kleinbild-Spiegelreflexkamera aber das hinterste Objektivglied nicht mit dem nach oben klappendem Schwingspiegel kollidieren darf, war trotz der Entwicklung von speziellen Glassorten bis in die 1950er Jahre das symmetrische Doppelgauß-Objektiv für KB auf 58mm oder länger begrenzt.

Die einzige Möglichkeit zur Verkürzung der Schnittweite bestand darin, die vordere und die hintere Linsengruppe nicht mehr gleich, sondern unterschiedlich auszuführen, also das unsymmetrische Doppelgauß-Objektiv zu entwickeln. In den 1950er Jahren gelang das etlichen Objektivschmieden aus Deutschland unabhängig voneinander, es entstanden z. B. das Schneider Kreuznach Xenon 1,9/50mm, von Isco Göttingen (ein Schneider-Tochterunternehmen) das Westagon 2/50, das 1,9/50 S-Travelon von Albert Schacht aus Ulm uvm. Carl Zeiss Jena hatte bereits 1931 ein lichtstarkes unsymmetrisches 50mm-Objektiv für KB vorgestellt, dieses Sonnar ist ebenfalls unsymmetrisch, basiert aber nicht auf dem Gaußtyp und soll hier nicht weiter betrachtet werden.

1957 erschien das 2/50mm Planar von Zeiss (Oberkochen/Westdeutschland), 1958 stellte Carl Zeiss Jena (Ostdeutschland)  das Flexon 2/50mm vor, das ab etwa 1950 als „Biotar 2/50“ entwickelt wurde und es wurden mehrere Versuchsmuster mit Linsen aus damals neu erschmolzenen Glassorten aus Lanthan gefertigt. Man mußte allerdings die Patente der oben erwähnten Objektive umgehen und änderte darum nochmals die grundlegende Linsenabfolge. Auch die Objektivbezeichnung wurde aufgrund von Streitigkeiten mit Zeiss (West) zunächst auf Flexon, später auf Pancolar geändert.

Das Flexon 2/50 von 1954 wurde fast ausschließlich mit M42-Gewinde und automatischem Springblendenmechanismus gefertigt, seine Rechnung wurde die Grundlage für die ersten japanischen Doppelgaußobjektive der 1950er Jahre (z. B. basieren frühe Nikkore, Takumare, uvm. darauf; es gibt sogar einen japanischen 1:1 Klon mit M42-Gewinde eines mir unbekannten Herstellers). Um etwa 1960 erfolgten Neuberechnungen und die erneut Namensänderung, seit dem wurde das Objektiv als Pancolar verkauft, zunächst weiterhin mit Offenblende 1:2, später mit der etwas größeren Offenblende 1;1,8. Letzteres ist übrigens leicht radioaktiv aufgrund des verwendeten Thorium-Glases, erkennbar an der deutlich sichtbaren Gelbfärbung, wenn das Objektiv längere Zeit dunkel gelagert wurde.

Ab etwa 1960 bis circa 1963 wurde das hier vorgestellte Pancolar zusammen mit der Exakta Varex IIa verkauft. Es gab im Lauf der Jahre einige äußere kosmetische Änderungen, der Griffbereich des Entfernungsring war zunächst mit Buna-Kautschuk ausgelegt, dann mit Plaste-Material, zum Ende wurde die „Zebra“-Riffelung der damals aktuellen M42-Objektive übernommen. Auch die Farbgebung veränderte sich im Lauf der Zeit, anfangs war die Entfernungsskala mit schwarzer Beschriftung auf silbernem Grund gefertigt, später wurde es umgekehrt mit weißen Zahlen auf schwarzem Untergrund und die beweglichen Zeiger wurden ebenfalls schwarz statt rot.

Der Blendenring steuert nicht nur die Blende, sondern bewegt zusätzlich zwei rote Zeiger, die den Schärfentiefenbereich der eingestellten Blende verdeutlichen. Dieses gilt wie üblich nur bei den damaligen angenommenen Unschärfekreisen für eine Vergrößerung von ca. 1:10, entsprechend Betrachtung eines 24x36 cm großen Abzugs aus etwa 1 Meter Abstand.  Bei heutigem „Pixelpeeping“ mit 24, 36, 45 oder noch mehr Megapixel-Vollformat-Sensoren oder mit Cropsensoren im APS-C oder gar nur mFT-Format gelten die als scharf markierten Werte der Skala nicht, sondern müssen vom Fotografen gedanklich angepaßt werden.

Zur Entwicklungsgeschichte des Biotar / Flexon / Pancolars 2/50mm - Objektivs hat Marco Kröger eine sehr ausführliche Seite mit vielen Originaldokumenten zusammengestellt, von der viele der hier gemachten Angaben stammen.

Beispielfotos

Alle Aufnahmen entstanden freihand bei ASA-Automatik, Zeitautomatik, mit eingeschaltetem Bildstabilisator und bei Blende 2 bzw. 8, gespeichert als NEF, gewandelt mit Nikon Capture NX-D und bearbeitet mit Photoshop CS6. Bildausschnitt, Helligkeit, Farben, Lichter / Schatten sowie Schärfe wurden korrigiert, die Größe wurde auf 1500 Pixel bikubisch verkleinert. In alle Aufnahmen sind 100%-Ausschnitte vergrößert einmontiert.

Weil ich keinen Adapter „Exakta-Nikon Z5“ kaufen konnte, habe ich eine doppelte Adaptierung vorgenommen: „Exakta-Leica-M“ und „Leica-M-NikonZ“. Das sieht etwas abenteuerlich aus, funktioniert aber gut.

Fazit

Das Pancolar ist bei Offenblende gut als Portraitobjektiv oder zum Freistellen zu benutzen, da bei 1:2 nur der mittlere Bildkreis scharf abgebildet wird. Bei Blende wird es (um es mit den Worten von Ralf Jannke auszudrücken) „zahm“, es ist also zu perfekt, weil es sich kaum von etlichen anderen Objektiven des Doppelgaußtyps unterscheidet. Wer auch bei Offenblende scharfe Bilder bis fast in die Ecken benötigt, muß zu anderen, teureren Objektiven greifen (ich erwähne immer wieder gerne das 1,4/50 Planar für die Contax), wer hingegen eine Objektiv mit Charakter sucht, das durchaus eine Art von „Swirly Bokeh“ hinbekommt (siehe Bildbeispiel 01) und unscharfe Bildbereich um die scharfe Mitte haben möchte, der liegt beim Pancolar nicht falsch, zumal es sehr preiswert zu bekommen ist.

Christian Zahn, November 2024

 

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