M42-Weitwinkel-Objektive an Nikon Z5

In diesem Erfahrungsbericht geht es um drei etwa 40-60 Jahre alte Manuellfokusobjektive adaptiert an die spiegellose 24-Megapixel-Systemkamera Nikon Z5.

Das universelle M42-Objektivgewinde wurde im Lauf der Jahrzehnte von etlichen Kamera- und Objektivherstellern verwendet, bis es durch Objektivbajonette verdrängt wurde. Entwickelt wurde es 1938 von Carl Zeiss als Nachfolger für das Leica-M39-Gewinde, um ein größeres Auflagemaß und einen größeren Licht-Durchlass zu ermöglichen. Die ersten Kameras mit diesem Gewinde waren 1946 die Contax S (später aus markenrechtlichen Gründen als Pentacon F bezeichnet), 1949 Kamerawerkstätten Dresden Praktica und ca. 1953/54 die Wirgin Edixa Reflex.

Die meisten Kamerahersteller wandten sich im Lauf der Zeit vom M42-Gewinde ab und entwickelten Objektivbajonette, die allerdings nicht herstellerübergreifend nutzbar waren. Darum sind die meisten M42-Objektive älteren Typs, die letzten neuen Objektive stellte Cosina 2003 bis 2007 für die Bessaflex TM her, ca. 20 Jahre, nachdem M42 allgemein ausgelaufen war.

Enna München Ennalyt 1:3,5/35mm

Das Objektiv ist nach 1970 gebaut worden, denn es ist ein fast vollständig in Kunststoff gefasstes Objektiv. Diese Technik hatte ISCO, Göttingen bereits 1963 vorgestellt, die Enna-Werke, München, jedoch erst 1970, um sehr preiswerte Objektive herstellen zu können.

ENNA wurde 1920 von Alfred Neumann gegründet, ENNA steht für die gesprochenen Anfangsbuchstaben seines Namens in bayrischer Reihenfolge (dort sagt man „der Neumann Alfred“ statt „der Alfred Neumann“). Nach 1945 übernahm der Schwiegersohn Dr. Werner Appelt das Werk, das später unter „Enna-Werk Dr. Appelt GmbH und Co. KG“ firmierte.

Enna hat auch für viele Kamerahersteller die in Sucherkameras verbauten Objektive geliefert, teilweise als OEM-Produktion mit dem Namen des Kameraherstellers und nicht als ENNA graviert.

1958 stellte Enna einen Wechselsockel für Objektive vor, der den Objektivbajonettanschluß, den Blendenring und den manuellen Blendenantrieb enthielt. Die eigentlichen Objektive konnten somit preiswerter sein, da sie nur die optischen Baugruppen enthielten. Außerdem konnte der Fotograf zwei verschiedene Sockel erwerben, um die Objektive an verschiedenen Kameras zu nutzen (Exakta-Bajonett für die Exakta bzw. Exa und M42). Die Fertigung dieser Objektive und Sockel lief ca. 1967 aus. 1972 erlebte der inzwischen stark zurückgegangene Objektivbau nochmals eine Blüte, weil ENNA der offizielle Optik-Lieferant der olympischen Spiele in München war und Objektive mit den fünf Ringen auf den Verkaufskartons anbot.

Im Jahr 2021 existiert das Werk immer noch, stellt allerdings keine Objektive, sondern Kunststoff-Spitzguß-Teile her und ist im Werkzeugbau für den Maschinenbau tätig.

Das gezeigte 3,5/35mm ist ein einschichtvergütetes Objektiv, die Gravur lautet „Lens Made in W-Germany“. Die optische Rechnung basiert auf den Exemplaren aus den 1950er-Jahren und hat 4 Elemente in 4 Gruppen. Obwohl sich während seiner Bauzeit der M42-Antrieb für automatische Blende längst etabliert hatte, ist im vorgestellten Objektiv lediglich eine Vorwahlblende eingebaut, d. h., der Fotograf mußte bei jedem Foto zum Scharfstellen die Blende öffnen und wieder schließen.

Der geriffelte und sehr schmale Entfernungsring läuft inzwischen sehr stramm, da lediglich zwei Kunststoffgewinde ineinanderlaufen und das Schmiermittel deutlich gealtert ist. Der Einstellweg ist mit etwa 330° erfreulich lang. Die Naheinstellgrenze ist mit 0,26 überraschend kurz. Der Blendenvorwahlring rastet ganzstufig, es sind nur 5 Lamellen eingebaut. Die Streulichtblende wird in das nicht mitdrehende Filtergewinde 52mm eingeschraubt.

Das Objektiv hat einen Durchmesser von 66 mm, eine Baulänge ab Bajonett von 41 mm und wiegt 130 Gramm. Beim Fokussieren auf die Nahgrenze wird es ca. 8mm langer.

Das gesamte Objektiv macht keinen hochwertigen Eindruck, es ist vollständig aus Kunststoff hergestellt und sehr leicht. An der Entfernungs-Skala sind Tiefenschärfemarkierungen vorhanden, ein Index für die Infrarotfotografie fehlt.

Das Objektiv verzeichnet nur gering, in den Bildern ist dieser Bildfehler praktisch nicht sichtbar.

Das Objektiv ist am Vollformatsensor der Z5 und Offenblende unscharf und vignettiert sichtbar, Abblenden auf 8 steigert die Schärfe nur in der Bildmitte, danach kommt es bereits zu Beugungseffekten. Die Bildecken werden auch bei maximaler Blende 16 aufgrund des „Corner Smearing“-Effekts nicht scharf abgebildet. Die bei Offenblende vorhandenen geringen chromatischen Aberrationen verschwinden ab Blende 8 fast vollständig.

Das Objektiv ist heutzutage sehr günstig zu bekommen, je nach Zustand und Zubehör liegt es zwischen 5 und 20 Euro.

Beispielfotos Enna München Ennalyt 1:3,5/35mm

Pentacon auto 2,8/29 Multi Coating

Das Objektiv wurde von 1976 bis 1990 gebaut, die Gravur lautet „German Democratic Republic“. Vertrieben wurde es vom Kombinat VEB Pentacon Dresden, hergestellt wurde es vermutlich im ehemaligen Meyer-Optikwerk Görlitz. „Auto“ steht für die automatische Springblendenfunktion, alle Linsen sind mehrschichtvergütet, es hat 5 Elemente in 5 Gruppen. Die Brennweite 29mm erscheint „krumm“, da üblicherweise 28mm-Objektive verkauft wurden und werden. Aber oftmals haben diese Objektive gar keine wahren 28mm, sondern sie weichen mehr oder minder stark von der Nennbrennweite ab. Das gezeigte 29mm-Objektiv könnte eine Neurechnung des Pentacon 3,5/30mm-Objekivs sein, bei der statt 30mm ein näher an 28mm liegendes „29mm“ aufgraviert wurde, damit wenigstens eine „2“ vorne steht.

Neben der gezeigten normalen Version existiert auch eine Variante für die elektrische Übertragung der Blendenringposition an die Kamera, diese Exemplare tragen zusätzlich das Wort „Electric“ in der Gravur und haben drei gefederte Kontaktstifte im Bajonett. Optisch sind sie gleichwertig.

Der geriffelte Entfernungsring läuft inzwischen etwas schwergängig, vermutlich aufgrund der Schmiermittelalterung. Der Einstellweg ist mit etwa 90° recht kurz. Die Naheinstellgrenze ist mit 0,25 Metern erfreulich kurz. Die Blende rastet halbstufig, es sind nur 5 Lamellen eingebaut, die sehr grob gefertigt aussehen, da sie gerade statt gerundete Kanten haben. Die Blendenansteuerung kann zwischen automatischer Springblendenbetätigung durch die Kamera und dauerhaft geschlossener Blende umgeschaltet werden. Die Streulichtblende wird in das nicht mitdrehende Filtergewinde 55mm eingeschraubt.

Das Objektiv hat einen Durchmesser von 63 mm, eine Baulänge ab Bajonett von 45 mm und wiegt 205 Gramm. Beim Fokussieren auf die Nahgrenze wird es ca. 5 mm langer.

Das gesamte Objektiv macht einen relativ wertigen Eindruck, es ist vollständig aus Metall hergestellt. An der Entfernungs-Skala sind sowohl Tiefenschärfemarkierungen als auch ein Index für die Infrarotfotografie vorhanden. Die Blendenbetätigung kann zwischen „A“ automatischer Springblende oder „M“ dauerhaft geschlossener Blende umgeschaltet werden.

Das Objektiv verzeichnet relativ deutlich, bei den meisten Motiven dürfte es jedoch nicht stören.

Das Objektiv ist am Vollformatsensor der Z5 und Offenblende bis auf die innere Bildmitte sehr unscharf und flau (selbst bei der Bildverkleinerung auf lediglich 600 Pixel Breite ist bei dem Verzeichnungsfoto die Rand-Unschärfe erkennbar!), Abblenden auf 4-8 steigert die Größe des scharf abgebildeten Kreises, die Bildecken werden jedoch auch bei Blende 16 nicht scharf dargestellt, weil es in den Bildecken an der Z5 zu „Corner Smearing“ aufgrund der sehr schräg auf den Sensor auftreffenden Randstrahlen kommt. Die bei Offenblende vorhandenen chromatischen geringen Aberrationen verschwinden ab Blende 5,6 vollständig. Die Vignettierung ist bei Offenblende stark, ab Blende 5,6-8 erträglich.

Das Objektiv ist heutzutage teilweise nicht mehr preiswert zu bekommen, je nach Zustand und Lieferumfang liegt es zwischen 20 und 80 Euro.

Beispielfotos Pentacon auto 2,8/29 Multi Coating

Jena Flektogon 2,8/35

Das gezeigte 2,8/35mm stammt aus der Zeit, als der VEB Pentacon den Markennamen „Carl Zeiss“ im Handelsverkehr mit dem Westen nicht benutzen durften, nachdem die Zeiss Stiftung (West, Oberkochen) Anfang der 1950er Jahre ein entsprechenden Gerichtsbeschluss erreichen konnte. Darum trägt das gezeigte Exemplar lediglich die Aufschrift „aus Jena“ als Hinweis auf den Fertigungsort und die Objektivbezeichnung „Flektogon“. Vermutlich stammt es aus einem Beroflex-Import. Die Bauform deutet auf die 1960er Jahre hin, spätere Objektive haben Entfernungsring sowie Blendenring komplett in Schwarz gefertigt.

Das 35er-Flektogon wurde optisch baugleich auch in einer Version mit Exakta/Exa-Bajonett angeboten, eine spätere Version mit Lichtstärke 1:2,8 gab es auch mit elektrischer Übertragung der Blendenringstellung an die Kamera.

Die Flektogon-Rechnung wurde 1950 von Carl Zeiss Jena patentiert, die im Westen als Distagon von Zeiss Oberkochen sehr ähnlich ab 1953 gebaut wurde.

Der „Zebra“-Entfernungsring läuft inzwischen ein wenig zu leicht und macht leise kratzende Geräusche, der Einstellweg ist mit 330° erfreulich groß, die Naheinstellgrenze von 0,18 Metern ist erstaunlich kurz. (Gemessen wird ab der Sensorebene, darum liegt die Bildebene bei maximalem Auszug sehr nah an der Frontlinse.)

Da sich bei solch extremen Naheinstellungen die effektive Blende stark verändert, weil das Bildfeld des Objektivs immer größer wird und somit weniger Licht auf den Sensor bzw. den Film fällt und immer mehr daneben, hat das gezeigte Flektogon einen Blendenausgleich. Bei Offenblende verstellt sich der Blendenring (es wird bei maximaler Naheinstellung etwa 1:3,5 angezeigt), um den Fotografen auf diesen Umstand hinzuweisen. Bei allen anderen Blendenzahlen wird die Blende so weit geöffnet, daß die resultierende Blende mit der eingestellten Blende übereinstimmt. Diese Verstellung wird durch eine schräg gefräste Führung im Objektiv erzeugt und war notwendig, da damals noch sehr oft mit externen und nicht mit in der Kamera eingebauten Belichtungsmessern gearbeitet wurde, die das durch das Objektiv fallende Licht messen.

Der Blendenring rastet halbstufig, es sind nur 5 Lamellen eingebaut. Die Springblende arbeitet einwandfrei, die öfters auftretende „sticky aperture“, also die in Offenblendstellung „hängende“ Blende hat mein Exemplar nicht. Die automatische Springblende kann auch durch Drücken eines Hebels manuell geschlossen werden, z. B. beim Einsatz an einem Balgengerät.

Das nicht mitdrehende Filtergewinde beträgt 49 mm, das Objektiv hat einen Durchmesser von 65 mm, eine Baulänge ab Bajonett von 48 mm und wiegt 230 Gramm. Beim Fokussieren auf die Nahgrenze wird es ca. 17 mm länger. Die Streulichtblende wird in das Filtergewinde eingeschraubt.

An der Entfernungs-Skala sind sowohl Tiefenschärfemarkierungen als auch ein Index für die Infrarotfotografie vorhanden.

Das gesamte Objektiv macht einen recht hochwertigen Eindruck, es ist vollständig aus Metall (vermutlich jedoch nur Aluminium, kein Messing, darum relativ leicht) und einfach vergütet.

Das Objektiv verzeichnet nur gering, bei den meisten Motiven nicht sichtbar.

Das Objektiv ist am Vollformatsensor der Z5 und Offenblende etwas unscharf, Abblenden auf 5,6-8 steigert die Schärfe, danach kommt es bereits zu Beugungseffekten. Die bei Offenblende vorhandenen chromatischen Aberrationen verschwinden ab ca. Blende 5,6 größtenteils.

Das Objektiv ist heutzutage nicht mehr preiswert zu bekommen, es liegt je nach Bajonettanschluß meist zwischen 50 und 80 Euro. Bevor es spiegellose digitale Systemkameras mit Vollformatsensor gab, wurde es zwischen 2000 und 2010 hingegen wesentlich billiger angeboten, ich erhielt mein Exemplar etwa 2008 geschenkt.

Beispielfotos Jena Flektogon 2,8/35

Verzeichnung von links nach rechts: Enna, Pentacon, Jena

Alle Aufnahmen entstanden freihand bei ASA-Automatik, Zeitautomatik, mit eingeschaltetem Bildstabilisator und bei Blende 8, gespeichert als NEF, gewandelt mit Nikon Capture NX-D und bearbeitet mit Photoshop CS6. Bildausschnitt, Helligkeit, Farben, Lichter / Schatten sowie Schärfe wurden korrigiert, die Größe wurde auf 1500 Pixel bikubisch verkleinert. In alle Aufnahmen sind 100%-Ausschnitte vergrößert einmontiert.

Fazit

Von den drei gezeigten Objektiven überzeugt mich das Flektogon am meisten, dieses Objektiv werde ich an der Z5 zukünftig öfter einsetzen. Das 29er Pentacon werde ich nur noch auf SW-Film an M42-Kameras benutzen, jedoch nur auf mindestens 8 abgeblendet, auf Film sind dann die Bildeckenprobleme dieses Objektivs wesentlich weniger ausgeprägt. Das 35er Ennalyt werde ich zukünftig weder digital noch auf Film einsetzen, man merkt ihm die aus den 1950er Jahren stammende optische Rechnung an.

Christian Zahn

 

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