Novoflex Schnellschuß-Objektiv 400mm an Nikon Z5

In diesem Erfahrungsbericht geht es um ein etwa 50 Jahre altes Superteleobjektiv mit interessanter Scharfstelltechnik adaptiert an die spiegellose 24-Megapixel-Systemkamera Nikon Z5.

Ralf Jannke hat dieses Objektiv hier im Blog ebenfalls besprochen

Die Novoflex Präzisionstechnik GmbH wurde 1948 vom Fotohändler Karl Müller in Memmingen gegründet. Anfangs baute er Ansatz-Spiegelkästen für Leica und Contax - Meßsucherkameras. Seit etwa 1955 ist Novoflex für Balgengeräte bekannt, die im Laufe der Zeit für viele Kamerasysteme gefertigt wurden. Sie boten bereits ab 1967 eine Innovation: durch Drehstäbe in den Verbindungsstangen übertragen sie die Objektivspringblende und ermöglichen Offenblendmessung, lange bevor Kamerahersteller diese Funktion auch in ihre originalen Balgengeräte integrierten und keine umständlichen Doppeldrahtauslöserkonstruktionen mehr erforderten.

Passend zu den Balgengeräten für Makrozwecke bot Novoflex auch Objektive an, die auf einen eigenen Scharfeinstellmechanismus verzichten konnten und darum preiswerter waren als entsprechende Objektive der Kamerahersteller. Hersteller der Objektive bzw. deren Linsen war das Staeble-Werk in Altenstadt, das von der Agfa AG übernommen wurde.

Von etwa 1980 bis circa 1995 bot Novoflex auch Blitzgeräte für Makrozwecke an, das Makro-Blitzset. Die Blitzköpfe dieses Sets hat Novoflex zugekauft und nicht selbst hergestellt.

1994 erschien das Miniconnect-System, ein Schnellwechsel-System für die Verbindung zwischen Kamera und Stativ. Das lediglich Markstückgroße runde Kupplungsstück kann immer an der Kamera verbleiben, da es kam „aufträgt“.

1998 drehte Novoflex „den Kugelkopf einfach um“: Üblicherweise ist ein Kugelkopfsystem für den Stativeinsatz so aufgebaut, daß auf das Stativ eine Kugelschale montiert wird, in der eine mit der Kamera verbundene Kugel bewegt wird, so daß die gewünschte Kameraposition eingestellt werden kann. Beim Novoflex Magicball steht die Kugel fest auf dem Stativ und der Klemmteil ist an der Kamera befestigt. Das sieht nicht nur eleganter aus, sondern baut auch wesentlich niedriger als der klassische Kugelkopf.

Seit dem Aufkommen der Digitalfotografie fertigt Novoflex auch Panoramasysteme, Kamerastative (darunter ein vierbeiniges !) und Objektivadapter für die Verwendung alter manueller Objektive an spiegellosen Systemkameras.

Bereits seit 1956 baute Novoflex die hier besprochenen Schnellschuß-Objektive, deren Objektivköpfe wurden ebenfalls von Staeble / Agfa bezogen. Bis in die 1990er Jahre waren sie bei Fotografen recht weit verbreitet, das Ende für kam mit den Autofokus-Superteleobjektiven, deren Treffsicherheit höher ist.

Noflexar 5,6/400 mit Schnellschuß-Mechanik Typ B

Das hier gezeigte Schnellschuß-System ist die zweite Version, die ab 1965 gebaut wurde. Die einzelnen Teile sind mit Bajonetten versehen und werden nicht mehr umständlich mit Feingewinden verschraubt, was sowohl Objektivwechsel als auch den Auf- und Abbau des Systems vereinfacht.

Im englischsprachigem Verbreitungsgebiet wurden die Objektive als „Follow Focus Lenses“ vertrieben, nicht als „Quickshot-Lenses“, wie die wörtliche Übersetzung wäre. „Quickshot“ wurde erst um 19985 der Markenname eines Joysticks für Heimcomputer verwendet.

Das Noflexar 5,6 /400 ist ein klassisches Fernobjektiv in der einfachstmöglichen Bauart, es besteht aus zwei verkitteten Linsen und ist damit optisch ausreichend korrigiert. „Teleobjektive“ sind durch optische Tricks erheblich kürzer als ihre Brennweite, benötigen aber wesentlich mehr optische Elemente, da sie eigentlich ein Fernobjektiv kürzerer Brennweite mit hintergeschaltetem eingebauten Telekonverter sind.

Es existiert auch ein T Noflexar 5,6/400, das aus Tres = drei Linsen besteht und eine etwas bessere optische Leistung als das zweilinsige 400er hat und auch Mittelformat bis 6x6 cm ausleuchtet. Außerdem gibt es 280 und 600mm Objektivköpfe sowie ein extrem seltenes Leica Telyt 6,8/560. 1986 stellten Tamron und Novoflex die letzte Version des Systems vor, es wurde sogar ein Tamron-Zoom 60-300mm angeboten, aber leider inkompatibel zu den älteren Systemen.

Das Schnellschuß-System besteht aus mehreren Teilen: dem Kamera-Adapter, dem Zwischenstück bzw. dem Balgengerät, dem Scharfeinstell-Griff, dem Blendenkörper, dem Linsensatz und der Streulichtblende. Alle Teile werden durch ein Bajonett mit Überwurfmutter zusammengesetzt, so daß das System recht schnell aus dem Koffer genommen und „schußfertig“ gemacht werden kann. Der Blendenkörper ist für das 280er nicht notwendig, dieses hat eine eigene Blende eingebaut.

Das Balgengerät kann auch durch ein starres Zwischenrohr ersetzt werden, sofern keine Nahaufnahmen gemacht werden sollen, das System wird dann etwas stabiler. Voll ausgezogen ist einen Naheinstellgrenze von 2 Metern möglich, ein respektabler Wert für ein 400mm-Objektiv in den 1960er Jahren. Übrigens ist der Balgen ein umgedrehtes Novoflex-Balgengerät, bei dem einige nicht benötigte Teile weggelassen wurden. Wie bei Novoflex üblich, haben alle Teile eine Kurzbezeichnung: „PIGRIFF-B“, „PIFAS-B“ (der Blendenkörper), „LINSE400“, „OMBA“ (Adapter für OM-Kameras), „MINA“ (Adapter für Minolta-Kameras) usw.

Scharfgestellt wird durch Zusammendrücken des pistolenartigen Griffstückes, Unendlich wird bei maximalem Zusammendrücken erreicht, diese Stellung kann durch eine Justageschraube genau auf Kamera und Objektiv eingestellt werden. Der Griff kann für den Stativeinsatz auch fixiert werden, für den Freihandeinsatz gab es ein Bruststativ mit zweitem Handgriff und elektrischem Fernauslöser, bei dessen Verwendung das Objektiv noch mehr wie ein Gewehr aussieht.

Das gesamte Objektivsystem macht einen wertigen Eindruck, es ist vollständig aus Metall gebaut und ziemlich schwer. Lediglich das Balgengerät macht einen etwas „windigen“ Eindruck, obwohl es per Klemmschraube fixiert werden kann. Deshalb kann es gegen ein festes Rohrstück getauscht werden. Die gezeigte Kombination wiegt etwa 1750 Gramm, ist ca. 45 cm lang und hat als größten Durchmesser 89 mm. Das Filtergewinde beträgt recht exotische 75 mm, der Blendenkörper hat eine fast kreisrunde Blende aus ca. 20 Lamellen.

Die Scharfeinstellung per Zusammendrücken des Griffes ist anfangs gewöhnungsbedürftig, zumal sie mit der linken Hand erfolgen muß, da die rechte Hand die Kamera hält und den Auslöser betätigt. Beim Stativeinsatz fällt auf, daß das System mit einer leichten digitalen Systemkamera überhaupt nicht ausgewogen ist, sondern früher durch die Benutzung einer Spiegelreflexkamera mit untergeschraubtem Motor austariert wurde. In Verbindung mit dem Bruststativ war der limitierende Faktor damals eher die Länge bzw. Kürze des Films, nach 36 Aufnahmen musste er gewechselt werden.

Das Objektiv ist am Vollformatsensor der Z5 und Offenblende über das gesamte Bild erwartungsgemäß unscharf, Abblenden auf 11 steigert die Schärfe sichtbar, danach kommt es bereits zu Beugungseffekten. Annähernd ausgereizt wird der 24-Megapixel-Sensor nur bei sehr sorgfältigem Scharfstellen und bei Blende 11.

Wie erwähnt ist das Scharfeinstellen schwierig, das Zusammendrücken und anschließende Feststellen des Griffes muß präzise erfolgen und das Stativ sehr stabil sein. Bei einem der Bildbeispiele sieht man deutlich, daß die Schärfe-Ebene nicht in der Bildmitte liegt. Scharfstellen bei Offenblende und danach Schließen der Blende auf 11 ist auch nicht gut, da durch das Anfassen des Objektivs sich irgendetwas verstellen wird, auch weil die Stativauflagefläche des Griffstückes eigentlich viel zu klein ist.

Das Objektiv ist heutzutage recht günstig zu bekommen, je nach Zustand, Lieferumfang, Version, Objektivkopf und Bajonettanschluß liegt es zwischen 20 und 100 Euro. Für das Leica Telyt werden mindestens 300-400 Euro bezahlt. Ich erhielt mein Exemplar vom Editor dieses Textes im Zuge eines Tauschs.

Mein Exemplar war vom ursprünglichen Besitzer sehr ausgiebig verwendet worden, außerdem scheint es mindestens einmal heruntergefallen zu sein. Eine Bajonettverriegelung war beschädigt und die Verbindung zwischen Balgengerät und Kameradapter lose. Die Bajonettmutter zwischen Griffstück und Blendenkörper scheint mehrfach mit einer Wasserpumpenzange angezogen worden zu sein, so sehr ist die Riffelung der Mutter beschädigt, trotzdem wackelte diese Verbindung.

Etliche Teile habe ich mit Zweikomponentenklebstoff aus dem Maschinenbau fixieren können, da Schrauben lose waren und sich nicht mehr festziehen ließen, an anderen Stellen mußte ich dünne Zwischenbleche aus dem Werkzeugbau zuschneiden und ebenfalls festkleben, damit die Bajonette wieder wackelfrei halten.

Wer heutzutage unbedingt ein Noflexar mit Pigriff kaufen möchte, sollte darauf achten, daß alle notwendigen Teile im Lieferumfang sind, da das Nachkaufen eines fehlenden Teiles teurer sein wird als gedacht. Darum „schlachten“ Gebrauchthändler gerne billig angekaufte Sets und vertreiben die einzelnen Teile zu einem wesentlich höheren Kurs als es das Set erzielen könnte.

Beispielfotos

Alle Aufnahmen entstanden freihand bei ASA-Automatik, Zeitautomatik, mit eingeschaltetem Bildstabilisator und bei Blende 11, gespeichert als NEF, gewandelt mit Nikon Capture NX-D und bearbeitet mit Photoshop CS6. Bildausschnitt, Helligkeit, Farben, Lichter / Schatten sowie Schärfe wurden korrigiert, die Größe wurde auf 1500 Pixel bikubisch verkleinert. In alle Aufnahmen sind 100%-Ausschnitte vergrößert einmontiert.

Fazit

Das Objektiv werde ich nicht mehr verwenden, es kommt in die Vitrine. Heutzutage ist das militärische Aussehen des Systems zu gefährlich, die Verwechslung mit einer Waffe zu einfach, als daß man sich noch trauen kann, das Schnellschußobjektiv in „freier Wildbahn“ zu benutzen. Die Testaufnahmen entstanden in meinem Garten in einem Teil, der weder von der Straße noch von den Nachbarn einsehbar war. Ansonsten hätte eventuell das SEK oder die Polizei geklingelt.

Christian Zahn

 

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