Oehler (Will Wetzlar) Punktar an Nikon Z5

In diesem Erfahrungsbericht geht es um ein etwa 70 Jahre altes Manuellfokusobjektive adaptiert an die spiegellose 24-Megapixel-Systemkamera Nikon Z5.

B. J. Fehler Wetzlar Felgner Punktar 1:2,8/35

Im deutschen Kamerabau der 1950er Jahre gab es möglicherweise 100 Firmen, die Kameras herstellten oder vertrieben. In vielen Fällen war die Produktion recht einfach: der eigentliche Hersteller fertigte nur das Gehäuse, den Verschluss, das Objektiv und ggf. den Belichtungsmesser kaufte er einfach zu und schraubte es an sein Chassis.

Bekannte Verschlußhersteller waren Friedrich Deckel, München (Prontor) und Alfred Gauthier, Calmbach/Enz. Objektive fertigten neben Rodenstock und Schneider Kreuznach auch Will (Wetzlar), Isco (Göttingen), Schacht (Ulm), Staeble (Altenstadt) uvm. Belichtungsmesser gab es unter anderem von Gossen (Erlangen), Metrawatt (Nürnberg), Weigand (Erlangen) oder Bertram (München).

So war es dem Kamerabauer auch leicht möglich, verschiedene Modelle anzubieten, indem er das Grundgestell einfach mit verschiedenen Verschlüssen, Objektiven und Belichtungsmessern kombinierte. Je besser die Komponenten waren, desto teurer wurde die Kamera verkauft.

Die hier vorgestellte Oehler Infra und das Objektiv ist zwischen 1950 und 1952 gebaut worden. Bernhard Julius Oehler Feingerätebau Wetzlar entschloß sich Anfang der 1950er Jahre, eine Kamera auf den Markt zu bringen, da die Nachfrage danach hoch, das Angebot aber noch begrenzt war. Vermutlich, um eine recht kleine Kamera bauen zu können, wurde als Aufnahmeformat nicht das voll Kleinbild, sondern das quadratische 24x24-Format gewählt.

Oehler hat die oben beschriebene Methode des Komponentenzukaufs noch weiter getrieben: Die Gehäusefertigung und die Montage erfolgte bei Kühn (auch in Wetzlar) und nicht bei Oehler selbst. Der einfache Varioverschluß kam von Gauthier und das Objektiv hat ein Herr Felgner berechnet. Er war damals bei Will (auch in Wetzlar beheimatet) beschäftigt, die das Objektiv auch hergestellt haben.

Die Firma Kurt Kühn, Wetzlar, hat auch nur von etwa 1950 bis 1954 wenige Kameramodelle produziert. Herr Kühn war übrigens mit Elsie Kühn-Leitz verheiratet, einer Tochter vom Leitz-Chef Ernst Leitz II.

Auch der in der Infra verwendete Film ist etwas ungewöhnlich: statt der üblichen Kleinbildpatrone (auf den etwa 48 Aufnahmen im quadratischen Format passen würden) nutzt die Infra die Agfa Karat-Patrone. Diese nach der gleichnamigen Kamera von Mitte der 1930er Jahre bezeichnete Patrone nutzt einen wesentlich kürzeren Film, so daß nur 16 Aufnahmen möglich sind. Außerdem muß der Film nicht zurückgespult werden, sondern verbleibt in der zweiten Filmspule. Der Film wird ganz simpel von Patrone zu Patrone geschoben, eine Aufwickelspule ist nicht vorhanden, weil das Filmstück so kurz ist.

Die Metallpatrone blieb im Besitz der Agfa AG und wurde wiederverwendet. Beim Kauf eines neuen Filmes mußte entweder eine leere Patrone zurückgegeben oder gleichzeitig ein belichteter Film zur Entwicklung abgegeben werden. Das Befüllen der Patronen mit eigenem Film war verboten. So war der Käufer einer Kamera mit Karat-Patrone gezwungen, Agfa-Filme zu verwenden. Da die Agfa die Karat-Patrone Mitte der 1950er Jahre auslaufen ließ, mußten Besitzer solcher Kameras entweder die Patronen doch selbst befüllen und die Filme entwickeln oder waren gezwungen, eine neue Kamera zu kaufen.

Die Infra hat einen Durchlicht-Belichtungsmesser. Hinter einem Graukeil ist eine Zahlenreihe von 1 bis 7 zu sehen. Die dunkelste Zahl, die gerade noch erkennbar ist, ist der abzulesende Wert. In einer mit der Kamera mitgelieferten Tabelle können dann die geeigneten Kombinationen von Zeit und Blende abgelesen werden. Fehlt diese Tabelle, ist der Belichtungsmesser leider recht wertlos.

Das Punktar ist ein dreilinsiges einfachvergütetes Objektiv und dürfte ein Cooke-Triplet sein. Beim Aufnahmeformat der Infra entsprechen die 35mm in etwa einem 50mm-Objektiv bei Vollformat. Oehler warb damals damit, daß es auch ein 70mm Fernobjektiv geben sollte, dieses ist aber heutzutage extrem selten. Von der Kamera sollen 15 bis 20 Tausend Exemplare verkauft worden sein, von Teleobjektiv möglicherweise nur wenige Dutzend.

Die Infra hat kein richtiges Objektivgewinde, das 22,5mm Feingewinde ist einfach das Gewinde des Vario-Verschlusses. Und auch das Punktar wurde auf einfache Montage getrimmt, üblicherweise werden an den Verschluss Linsen sowohl vor als auch hinter den Verschluss geschraubt und Montagetoleranzen durch dünne ringförmige Distanzbleche ausgeglichen. Dann sitzen Verschluss und Blendenmechanik optisch korrekt in der Objektivmitte. Das Punktar besteht aus nur einer Baugruppe, die vorne in den Verschluss eingeschraubt wird, die Blende sitzt deswegen optisch nicht ganz korrekt hinter der gesamten Optik und sorgt eigentlich nur für eine mehr oder minder deutliche Vignettierung.

Die Blendensteuerung erfolgt am Verschluss und nicht am Punktar.

Der extrem schmale Entfernungsring läuft nach all den Jahrzehnten immer noch seidenweich. Der Einstellweg ist mit etwa 350° sehr lang und präzise. Die Naheinstellgrenze ist mit 1m für solch ein altes Objektivs durchaus gut. Der Blendenwahlhebel rastet nicht, es sind 10 Lamellen eingebaut, das entstehende Loch ist fast kreisförmig. Ein Filtergewinde ist nicht vorhanden, es muß eine Aufklemmblende mit 32mm Durchmesser benutzt werden.

Das Objektiv hat einen Durchmesser von 35 mm, eine Baulänge von 16 mm und wiegt 18 Gramm. Beim Fokussieren auf die Nahgrenze wird es ca. 1,4 mm langer.

Das gesamte Objektiv macht einen recht hochwertigen Eindruck, es ist vollständig aus Metall hergestellt, aber sehr klein und leicht. An der Entfernungs-Skala sind Tiefenschärfemarkierungen vorhanden, ein Index für die Infrarotfotografie fehlt. Es hat 3 Elemente in 3 Gruppen.

Adaption des Punktars an die Nikon Z5

Da sich das Punktar einfach aus dem Verschluss herausschrauben läßt, war mir sofort klar, daß ich es für einen Objektivtest temporär an die Nikon Z5 adaptieren würde. Da die Blende aber im Verschluss eingebaut ist, mußte ich es zusammen mit dem Gauthier Vario an die Z5 montieren. Weil sich der Verschluss nicht aus der Objektivplatte herausschrauben ließ, da die Überwurfmutter vom Hersteller mit schwarzem Mattlack überpinselt wurden, um Reflexionen zu vermeiden und deswegen unlösbar verklebt ist, habe ich die gesamte Platte abgeschraubt. Die vier sichtbaren Schrauben waren erfreulicherweise leicht entfernbar. Der Adapter entstand wie häufig aus einem billigem Nikon-Z-Gehäusedeckel und einem selbstkonstruiertem Zwischenstück aus dem 3D-Drucker.

Der Verschluss hat glücklicherweise eine rastende „B“-Stellung, so daß die Verschlußlamellen dauerhaft geöffnet bleiben.

Wie man sieht, wurde die Kamera kostenoptimiert konstruiert: der Grundkörper ist aus Bakelit, die Metallanbauten sind auf das wesentliche reduziert, die Gewindeeinsätze, an denen die Objektivplatte montiert wird, sind in die Gussform eingelegt und mit Kunststoff umgossen worden und die verchromte Objektivplatte aus Metall wurde nur dort lackiert, wo es unbedingt nötig ist. Das Gehäuse wurde nach dem Entformen nicht nachbearbeitet, man hatte den Gießprozess vermutlich so weit im Griff, daß das Auflagemaß zwischen Objektiv und Filmandruckplatte trotzdem stimmte.

Beispielfotos

Qualitäts- und sonstiger Eindruck

Alle Aufnahmen entstanden freihand bei ASA-Automatik, Zeitautomatik, mit eingeschaltetem Bildstabilisator und bei Blende 8, gespeichert als NEF, gewandelt mit Nikon Capture NX-D und bearbeitet mit Photoshop CS6. Bildausschnitt, Helligkeit, Farben, Lichter / Schatten sowie Schärfe wurden korrigiert, die Größe wurde auf 1500 Pixel bikubisch verkleinert. In alle Aufnahmen sind 100%-Ausschnitte vergrößert einmontiert.

Das Objektiv verzeichnet nur gering, in den Bildern ist dieser Fehler praktisch nicht sichtbar.

Das Objektiv ist am Vollformatsensor der Z5 und Offenblende erwartungsgemäß unscharf, außerdem ist es flau und vignettiert etwas, Abblenden auf 8 steigert die Schärfe vor allem in der Bildmitte und die Flauheit nimmt ab, aber die Vignettierung nimmt ebenfalls zu und wirklich scharf wird das Punktar an den Bildecken (von 24x24mm!) auch bei Blende 11 nicht. Die chromatischen Aberrationen sind schon bei Offenblende sehr gering. Das Objektiv ist nur für quadratische Aufnahmen gerechnet, somit können die beiden Bildränder des Vollformates nicht benutzt werden.

Die Kamera kostete 1950 in der gezeigten Ausführung 77 DM, das entsprach in etwa dem halben durchschnittlichem Arbeiter-Monatsverdienst in der damaligen BRD. Heutzutage ist die Infra recht günstig zu bekommen, je nach Zustand liegt sie zwischen 10 und 40 Euro. Bei Gebrauchthändlern wird sie als „Sammlerstück“ für Beträge zwischen 100 und 300 Euro angeboten, ob sie dafür aber noch verkauft wird, läßt sich kaum ermitteln.

Fazit

Das Oehler / Will / Felgner Punktar hatte ich nur temporär adaptiert, ich habe es an die Kamera zurückmontiert und werde beide nicht mehr benutzen, auch nicht mit Film. Kamera und Objektiv sind nur als hübsche Vitrinenstücke nutzbar.

Christian Zahn

 

Kommentare (0)

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben