Ricoh RDC-7 Kurzvorstellung Christian Zahn

Hier stelle ich eine frühe Digitalkamera von Ricoh vor.  Sie stammt aus der Zeit, als die Designer sich Freiheiten herausnahmen und nicht an alten abzogen Kameravorbildern orientierten. Da meine RDC-7 defekt ist, kann ich leider keine eigenen Beispielbilder zeigen. Ralf Jannke besitzt ein funktionierendes Exemplar und zeigt Beispielfotos. Auch Boris hat eine RDC-7.

Spezifikationen:

  • Die im Sommer 2000 vorgestellte RDC-7 ist 135 x 26 x 74 mm groß und wiegt mit Akku und Speicherkarte 320 Gramm.
  • Der 1/1,8“ (7,9 x 5,9 mm) CCD-Sensor löst maximal 2048 x 1536 Bildpunkte  = 3,2 Megapixel auf (3,3 Megapixel Rohdaten). Der Pixelpitch beträgt 3,77µm. Mit der ISO-Automatik oder manuell sind 150 bis 400 ASA einstellbar. Kurze AVI-Videos sind 320x240 Pixeln möglich. Bilder werden als JPEG oder TIFF auf SmartMedia-Karte (max. 32 GB) gespeichert.
  • Das Motiv wird über einen Klapp- und drehbaren 2“ LCD Monitor mit 200.640 Subpixeln angezeigt, der auch die Menüsteuerung übernimmt. Zusätzlich ist ein Realbildsucher mit Dioptrienverstellung vorhanden.
  • Das Objektiv ist ein 1:2,6-3,4/7,3-21,9mm (35-105 mm @KB) Dreifach Zoom
  • Entfernungseinstellung Einzel-Autofokus (AF-S), hybrider Infrarot-Autofokus, Ermittlung durch IR-AF-Strahlen und Kontrastermittlung auf dem Bildsensor
  • Belichtungssteuerung durch Programmautomatik, Belichtungszeiten 1 s bis 1/1000 sek. Selbstauslöser mit 10 s Vorlaufzeit
  • eingebauter Blitz mit ca. Leitzahl 10
  • Weißabgleich automatisch oder manuell
  • keine Bildstabilisierung
  • Energieversorgung über DB-20 Lithium-Ionen-Akku

Besonderheiten

Die Kamera heißt „RDC-7“, weil sie eine „Ricoh Digital Camera“ ist und die Fotos auf maximal 7 Megapixel hochinterpolierten kann. Sie macht das nicht wie sonst üblich durch reine Software im Kameraprozessor, was meist nur schlechte Ergebnissen erzeugt (die Bilder werden „aufgebläht, ohne daß Details hinzukommen), sondern in Hardware. Der Sensor ist etwas beweglich gelagert, er kann um einen Pixel diagonal verschoben werden. Die Kamera nimmt nacheinander zwei Bilder auf, einmal mit normaler Sensorposition, einmal versetzt. Dann rechnet die RDC-7 etwa eine Minute und erzeugt ein sehr ansehnliches Bild, daß mehr Details aufweist als die „nativen“ 3,2 Megapixel-Fotos.

Das Design weicht extrem von gewohnten analogen Kameraentwürfen ab, die Kamera ist flach, aber breit und tief. Man kann sie höchstens mit den Pocketkameras der 1970er - Jahre vergleichen, die sich in vielen Fällen an Kodaks „Mundharmonikadesign“ orientierten. Die Ricoh ist im Vergleich zu einer Agfa 3008 Pocket „pummeliger“, quasi wie sich eine dicke Hummel zu einer schlanken Biene verhält.

Der verwendete Akku DB-20 wird auch in der Ricoh RR1, RDC-500i sowie weiteren Modellen genutzt. Auch etliche andere Kamerahersteller setzten diesen Typ ein, unter anderem Kodak als Klic-3000, Fuji/Leica als NP-80, Mitsubishi, Kyocera und Toshiba unter verschiedenen Bezeichnungen sowie Epson in seiner digitalen Meßsucherkamera mit Leica-M-Bajonett, der R-D1.

Als Speichermedium dienen SmartMediaKarten bis 128MB. Diese Flash-Speicherkarten hat Toshiba 1996 entwickelt, als hauptsächliche Kamerahersteller haben Olympus und Fuji SmartMedia-Karten eingesetzt, in Kameras anderer Hersteller findet sich dieser Kartenschacht nur sehr selten. Smart-Media-Karten haben keinen eigenen Speichercontroller, dieser sitzt in der Kamera und muß mit der eingelegten Kartenkapazität etwas anfangen können. In der Anfangszeit wurden Kameras verkauft, die nur 8 oder 16 MB-Karten kennen. Manche konnten durch ein (kostenpflichtiges) Update im Olympus-Service auf größere Kartenkapazitäten ungerüstet werden, andere nicht. Die RDC kann alle Größen bis 128MB lesen und beschreiben.

SmartMedia-Karten sind theoretisch bis 256 MB verfügbar, jedoch wurden nur Karten bis 128 MB produziert, da Toshiba, Olympus und Fuji auf das stabilere, kleinere und weniger für statische Aufladungen empfindliche xD-PictureCard-Format umstellten.

Da bei den SmartMedia-Karten die elektrischen Kontakte recht groß und vor allem ungeschützt sind, ist eine SM-Karte relativ anfällig für Verschmutzung der Kontakte und statische Aufladung. Während ersteres sich vom Anwender beheben läßt, kann letzteres die Speicherbausteine in der Karte zerstören. Schon ein Reinigen der Kontakte mit einem ungeeigneten Tuch kann diesen Fehler hervorrufen. Außerdem sind die Karten extrem dünn, ein Verbiegen der Karte kann bereits zur Ablösung der außenliegenden Kontakte von den darunterliegenden Bauteilen führen, die Karte ist dann ebenfalls defekt.

Der Autofokus der RDC-7 arbeitet hybrid: neben der klassentypischen Kontrastermittlung durch den Bildsensor gibt es die von den filmbasierten Kompaktkameras her bekannte aktive Infrarottechnik: Eine IR-Diode sendet einen Strahl auf das Motiv, die Laufzeit bis zum Eintreffen des reflektierten Licht in der daneben angeordneten IR-Empfangsdiode wird gemessen, daraus kann die Motiventfernung errechnet werden. Die genaue Scharfstellung erfolgt dann durch mehrfaches Auslesen des Bildsensors und Analyse der Bildschärfe des jeweils entstandenen Fotos. Da das Objektiv bereits auf die ungefähre Entfernung voreingestellt ist, kann  dieser Vorgang schneller sein, als wenn die Kontrastermittlung den gesamten Entfernungsbereich von Unendlich bis Nah durchlaufen müßte.

Eine Baugruppe mit IR-Sende- und Empfangsdiode baute Ricoh auch in vielen ihrer späteren Digitalkameras ein, z. B. der Caplio R4 von 2006, der CX5/CX6 von 2011 oder der GX100 von 2007.

Der Gehäuseblitz ist fest eingebaut. Die Blitzbelichtungsmessung erfolgt möglicherweise TTL mit Hilfe von schwachen Vorblitzen durch das Objektiv.

Wie bei Kompaktkameras leider häufig üblich, kann keine Streulichtblende montiert werden, als Schutz gegen Streulicht dient die in der Objektivfassung versenkt eingebaute Frontlinse. Vor der Frontlinse ist als Schutz vor Kratzern und ähnlichen eine vergütete Planglasscheibe angebracht. Neben dem Objektiv ist ein zweiter Auslöser angebracht, er kann bequem bei Hochformataufnahmen mit dem Zeigefinger betätigt oder bei Selbstaufnahmen von vorne gedrückt werden. Zum Schützen des Objektivs in der mitgelieferten Weichtasche muß von Hand ein kleiner Swap-On-Deckel aufgesetzt werden, der zum Fotografieren auch wieder manuell abgenommen wird.

Der Monitor löst nach heutigem Empfinden nur grob auf, zum Herstellzeitpunkt wurde er als gut angesehen, da die Mitbewerber meist auch nicht mehr Pixel aufwiesen. Die Größe ist als durchaus normal für das Jahr 2000 zu bezeichnen. Das eigentliche Displaypanel liegt frei, jedoch ist es meistens recht gut  geschützt, da in Transportstellung der Monitor gegen das Gehäuse geklappt wird und in Arbeitsstellung zwischen Kamerarückseite und Display viel Abstand ist, so daß mechanische Beschädigungen weitgehend vermieden werden.

Das Display kann für Selbstaufnahmen nach vorne gedreht werden (das hieß damals noch nicht „Selfie“). Außerdem gibt es einen akkusschonenden Realbildsucher mit Dioptrienkorrektur. Neben dem Okular sind zwei LEDS für Autofokuskontrolle, Blitzbereitschaft und Speicherkartenzugriff angebracht.

Die Kamera schreibt in die EXIFs jedes aufgenommenen Bildes fast nur die damals genormten Werte, in den Ricoh-eigenen MakerNotes gibt es einen einzigen Eintrag: die Firmwareversion.

Die Kamera hat sehr viele Bedienelemente: auf der Oberseite den Auslöser, 4 Tasten für Selbstauslöser, Bildqualität, Blitz und den Kartenschacht. Der Zoomhebel ist so ausgeführt, daß er sowohl von Oben, hinten und unten benutzbar ist; mittig in ihm ist der Hauptschalter angebracht und das Moduswahlrad. Unter dem Display sind 11 weitere Tasten angebracht: Display, LCD-Helligkeit, Löschen, die vier Richtungstasten (nicht als Steuerkreuz, sondern gegeneinander versetzt (in etwa so wie „W,X,D und F“ auf einer Computertastatur) sowie Makro, Menu, Enter, und Cancel.

Unter einer Kunststoffklappe sitzen die Schnittstellen, AV-Out ist eine winzige Klinkenbuchse (Kabel mit 2,5mm-Stecker benötigt), die digitale Schnittstelle zur Verbindung zum Computer und Druckern nutzt zwar das normale serielle RS232-Protokoll, aber Ricoh verwendet eine hauseigene Buchse, Ersatzkabel sind heutzutage nur schwer zu bekommen.

Die UVP der Ricoh RDC-7 betrug etwa 2000 DM / 1000 Euro. Das war im Jahr 2000 sehr viel Geld, man kann das in etwa mit 2000 Euro im Jahr 2025 vergleichen. Der aktuelle Zeitwert ist auf etwa 30-80 Euro je nach Zustand und Lieferumfang gefallen. Ich erhielt das gezeigte Exemplar Ende 2024 vom Editor dieses Textes geschenkt, vielen Dank dafür.

Da der Verschluß meines Exemplars defekt ist, kann ich leider keine Beispielaufnahmen zeigen. Zwar fokussiert die Kamera dank des aktiven Infrarotstrahls, aber die Bilder sind bis auf einige defekte Hotpixel völlig schwarz.

Qualitäts- und sonstiger Eindruck

Das Gehäuse ist teilweise aus Kunststoff gefertigt (auch das Stativgewinde), die Ober- und Rückseite ist aus lackiertem Aluminiumblech. Wie damals üblich: man bezahlte viel Geld für die inneren Werte, nicht für das Äußere. Allerdings war die Kamera für eine digitale Kamera mit maximalen 7 und echten 3,3 Megapixeln durchaus preiswert, die konventioneller gestaltete Olympus Camedia C-3030 (mit nativen 3,3 Megapixeln und ohne Sensorshift) kostete damals 2500 DM, also genauso viel wie die Nikon Coolpix 995 mit gleicher Sensorauflösung und dem Nikon Drehgelenk-Gehäuse oder die Canon PowerShot G1, ebenfalls 3,3 Megapixel Sensorauflösung in einem einer analogen Kopmapktkamera ähnlichem Gehäuse.

Ein Urteil über die Bildqualität der RDC-7 kann ich nur anhand von Beispielaufnahmen abgeben, die Ralf Jannke angefertigt hat, für das Jahr 2000 sehen die Aufnahmen meiner Meinung nach sehr gut aus, es gab damals Kameras, die aus 3 Megapixeln schlechtere Bilder herausholten. Auch die auf 7 Megapixel hochgerechneten Bilder sind dank Pixelshift ansehnlich.

Fazit: eine digitalkamerahistorisch interessante Kamera (weil eine der ersten mit Pixelshift), heutzutage zum ernsthaften Bildermachen eher nicht mehr geeignet, weil langsam, recht niedrige Auflösung und inzwischen exotisch gewordene Speicherkarten.

Christian Zahn, Februar 2025

 

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