Meike 1,7/35mm Halbformatobjektiv an Sony NEX7
In diesem Bericht geht es um die Benutzung von einem etwa 5 Jahre altem Manuellfokus-Halbformatobjektive an der Sony NEX-7, einer spiegellosen APS-C-Systemkamera mit 24 Megapixeln.
Meike-Objektive werden von einem 2005 gegründetem Unternehmen aus Hong Kong vertrieben, teilweise sind sie auch unter dem Markennamen Neewer erhältlich. Das Unternehmen begann mit preiswerten Nachbauten von Kamerabatteriegriffen, danach kamen andere Fotogeräte wie Systemblitzgeräte, Stative, Lichtformer, Kamera-Rigs usw. hinzu. Seit etwa 2015 bis 2017 werden auch Objektive verkauft. Die Produktion erfolgt in China, wobei Meike möglicherweise nicht alles aus dem Produktportfolio selbst herstellt, sondern bei anderen Firmen lediglich „labeln“ läßt. Somit ist der wahre Produzent der Meike-Objektive nicht eindeutig bekannt.
Meike 1,7/35mm
Wie fast alle chinesischen lichtstarken Normalobjektive ist das Objektiv ein Doppelgauß-Typ, es hat 6 Elemente in 5 Gruppen. Es ist für das Halbformat gerechnet, sein Bildkreis beträgt zirka 30mm und es wird auch mit Anschluß für mFT-Kameras verkauft. An Halbformat-Systemkameras entspricht es einem 53mm-Objektiv, bei mFT einem leichtem 70mm Teleobjektiv. Es wird seit ca. 2017 verkauft und kostete anfangs knapp unter 80 Euro.
Laut Berichten anderer Anwender und Kundenrezensionen in Webshops ist die Serienstreuung recht hoch. Das bedeutet, daß das Objektiv nach dem Zusammenbau aus Kostengründen nicht überprüft wird, somit können einzelne Linsen dezentriert verbaut sein, was in unterschiedlicher Schärfe in den vier Bildecken resultiert. Allerdings muß zur Ehrenrettung des Herstellers gesagt werden, daß bei einem Verkaufspreis von unter 100 Euro inkl. Steuern in Deutschland für den Produzenten in China umgerechnet vermutlich weniger als 30 Euro für die Produktion zur Verfügung stehen. Und dafür müssen 6 Linsen hergestellt und vergütet werden, alle Metallteile müssen gedreht und gefräst werden, das Objektiv muß zusammenbaut und verpackt werden. Da ist für aufwendige Einzelstückkontrolle kein Budget mehr übrig. Somit: Mein Test bezieht sich auf mein Exemplar, andere können besser oder schlechter sein.
Das Design erinnert an ein klassisches manuell zu fokussierendes Objektiv aus den 1960ern oder 1970ern. Der Entfernungsring hat Berg-und-Tal-Riffelung, außerdem ist er mit einer silbernen Fase versehen, wie es die ersten Objektive für die Olympus OM-Kameras hatten („Silbernase“).
Der Fokus-Schneckengang ist gegebenenfalls komplett aus Aluminium, die Friktion würde somit durch das Fett erzielt, möglicherweise ist es auch eine Aluminium/Messing-Paarung wie bei den guten deutschen und japanischen Objektiven der „klassischen analogen“ Ära. Der Einstellweg ist mit 180° recht groß. Die gravierte Naheinstellgrenze ist 0,3m, sie weicht aber etwas ab. Auch der Unendlichkeitsanschlag stimmt nicht, bei meinem Exemplar muß ich selbst bei entfernten Motiven nachfokussieren.
Die Blende ist stufenlos, der Blendenring ist nicht wie heutzutage üblich linear (d.h. der Abstand jeder Blendenstufe wäre gleich), sondern eher logarithmisch. Der Abstand zwischen 1,7 und 2 ist größer als der zwischen 2 und 2,8, zwischen 4 und 8 war kein Platz für die 5,6-Gravur und zwischen 8 und 22 fehlen 11 und 16, weil ebenfalls kein Platz dafür war. Daraus resultiert, daß die Arbeitsblende bei jedem Foto kontrolliert werden muß, weil sich der Blendenring leicht verstellt (keine Rasten) und bereits eine winzige Bewegung deutliche Blendenveränderungen zur Folge haben. Anwender haben die Gravur der Blendenzahlen überprüft und weisen darauf hin, daß die Positionen nicht stimmen, sondern jeweils etwas versetzt sind. Und daß die kleinste Blende eher 1:16 denn 1:22 habe. Es sind 9 Lamellen eingebaut, somit entstehen bei Spitzlichtern 18 Blendensterne und ein relativ gutes Bokeh.
Das Objektiv hat einen Durchmesser von 60mm. Ab Bajonettauflage ist das Objektiv 36 mm lang und wiegt 200 Gramm. Das beim Fokussieren nicht mitdrehende Filtergewinde beträgt 49mm. Beim Fokussieren wird das Objektiv etwa 4mm länger, die gesamte Objektiveinheit wird verschoben. Eine Streulichtblende gehört nicht zum Lieferumfang, der Frontdeckel aus Metall wird aufgestülpt und hält durch einen in den Deckel eingeklebten Ring aus samtartigem Material.
Das Objektiv ist am APS-C-Sensor der NEX-7 und Offenblende erwartungsgemäß an den Bildrändern unscharf (die Bildfeldwölbung ist recht hoch), Abblenden auf 8-11 steigert die Schärfe der Bildmitte, die Bildränder werden ab Blende 8-11 fast vollständig scharf abgebildet. Manche Anwender haben Exemplare, die bei Blende 1,7 in den vier Ecken schärfer sind als bei Blende 2,8 und erst ab 5,6 in den Ecken wieder schärfer werden. Das dürfte durch die Serienstreuung erklärbar sein, die Auswirkungen auf die Bildfeldwölbung jedes einzelnen Exemplars haben könnte.
Die chromatischen Aberrationen sind bei Offenblende deutlich erkennbar, ab Blende 2,8 sind sie vernachlässigbar. Wie bei einem Doppelgauß-Objektiv üblich vignettiert das Meike bei Offenblende stark, ab 5,6 ist dieser Objektivfehler vernachlässigbar. Die Verzeichnis ist so gering, daß sie nur beim Fotografieren von Ziegelsteinmauern oder Testcharts stört.
Das Objektiv ist auch 2024 neu erhältlich, je nach Shop liegt der Verkaufspreis bei 80 bis 95 Euro. Es ist mit Bajonetten für mFT, Fuji X, Sony E und Canon M erhältlich. Gebraucht kostet es je nach Bajonettanschluß, Zustand und Lieferumfang etwa 25 bis 40 Euro. Ich „fischte“ mein Exemplar im Sommer 2024 auf der Grabbelkiste eines Fotohändlers („alles für 2 bis 5 Euro“), es lag dort als defekt gekennzeichnet, weil sich die Blende nicht mehr schließen ließ. Die Reparatur war erstaunlich einfach: nach Abschrauben des Sony-Bajonettadapters und Drehen am Blendenring war ein leises Klicken zu hören, seitdem funktioniert die Blende einwandfrei.
Wer das Objektiv kaufen möchte, sollte beim privaten Gebraucht-Verkäufer ein Rückgaberecht vereinbaren, weil die Serienstreuung wie erwähnt recht hoch ist. Beim Neu- oder Gebrauchtkauf im Fernabsatz bei gewerblichen Händlern ist das automatisch gegeben.
Alle Beispielaufnahmen entstanden freihand bei ASA- und Zeit-Automatik und bei Blende 1,7 bzw. 8, gespeichert als ARW, gewandelt mit Adobe Camera RAW und bearbeitet mit Photoshop CS6. Bildausschnitt, Helligkeit, Farben, Lichter / Schatten sowie Schärfe wurden korrigiert, die Größe wurde auf 1500 Pixel bikubisch verkleinert. In alle Aufnahmen sind 100%-Ausschnitte einmontiert.
Fazit
Das lichtstarke Normalobjektiv für Halbformat-Systemkameras kann brauchbar sein, je nach Exemplar kann es sich jedoch als „Gurke“ erweisen. Wer es als lichtstarkes 50mm-Äquivalent bei Offenblende zum Freistellen des Hintergrunds einsetzt, wird mit der Bildfeldwölbung und den daraus resultierenden unscharfen Bildecken leben können. Ein optisch besseres Objektiv von Zeiss oder Leica kostet sehr viel mehr. Auch die manuellen 35mm-Objektive anderer chinesischer Anbieter sind meist etwas teurer, weil lichtstärker.
Christian Zahn, Juli 2024
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Autor: | Christian Zahn |
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Erstellt: | 12.08.2024 |
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