Ein erster Versuch einer Antwort wurde hier gemacht

Die Frage nach der Zauberei ist jetzt nach einiger Zeit mit „Nein“ zu beantworten. Die Kameras „zaubern“ nicht, es wird manipuliert, was Kamerarechner, Chips in den Objektiven und die Software (Firmware) hergeben. Wer viel Zeit und Muße mitbringt, sollte unbedingt diese beiden von Dr. Schuhmacher verfassten Abhandlungen aufmerksam studieren:

RAW-Betrug

Moderne Objektive = software-korrigierte Objektive

Zum Thema RAW hat auch unser Mitstreiter Christian Zahn den lesenswerten Beitrag "Die verborgenen Informationen in EXIFs von JPEGs und RAWs" verfasst

Die in den Kameras und Objektiven eingebauten Rechner dienen nicht nur zu jeweiligen Steuerung und der Kommunikation zwischen Kamera und Objektiv. Dort liegen auch Datenbänke, in denen die Eigenschaften der (eigenen) Objektive eingetragen sind. Und damit sind nicht nur Brennweite und Lichtstärke gemeint! Bekannte optische Fehler des jeweiligen Objektivs, wie Randabschattung (Vignettierung), tonnen-/kissenförmige Verzeichnung, Farbsäume und Randunschärfen sind dort hinterlegt. Was in der analogen Fotografie auf Film an Objektivfehlern nicht zu verstecken war, wird in der digitalen Fotografie von der Software in Kamera und Objektiv gleich rausgerechnet. Noch bevor die Bilddaten in Rohdateien geschrieben werden. Roh ist also gar nicht roh, was keine neue Erkenntnis ist.

Und ich bin mir mittlerweile sicher, dass die Kamera-Software auch bei völlig unbekannten, ohne jegliche Elektronik nur mechanisch per Adpter gekoppelten Objektiven ("Altglas") mit Hilfe der vorhandenen Objektiv-Datenbank annähernd "errät", was für ein Objektiv mit welcher Brennweite montiert ist. Mit dem Erkennen der Brennweite kann so auch der natürliche Randlichtabfall rausgerechnet werden, der proportional zur vierten Potenz des Cosinus des Winkels zur optischen Achse ist. Dieser Randlichtabfall erfolgt sehr gleichmäßig von der Mitte bis zum Rand und fällt daher kaum auf, wenn er nicht zu stark ist. Er wird am deutlichsten bemerkt bei der Abbildung von konturlosen Flächen gleichmäßiger Helligkeit (z. B. blauer Himmel). Und diese Vignettierung nimmt mit kürzer werdender Brennweite immer mehr zu. Die sich rausrechnen lässt.

Also wird auch mein geliebtes "Altglas" höchstwahrscheinlich automatisch korrigiert. Was die Erklärung dafür sein muss, warum die uralten Objektive digital so überraschend gut punkten. Aber letztlich kann es einem fast egal sein, wie manip… — Pardon softwarekorrigiert wird. Denn was für die Fotografin, den Fotografen zählt, ist das Endergebnis: das abbildungsqualitativ gute Foto. Seit Jahren fotografiere ich fast alle hier im Museum gezeigten Kameras und Objektive mit einer spiegellosen Sony Alpha 3000 und dem braven 18-55 mm Kitzoom ab. Zu meiner vollen Zufriedenheit und Schärfe! Wobei 1500 x 1000 Pixel Internet-Bildgröße natürlich keine Hürde darstellen …

Dasselbe trifft auf meine Plastik-(Bajonett-)Kitzooms 24-50 mm Nikon Z (FX Vollformat) und 50-250 Nikon Z (DX APS-C Sensor) zu

Unter anderem damit erstellte Fotobücher und Kalender sind für meine Ansprüche gelungen. Der fischende Graureiher wurde mit dem 50-250 mm Kitzoom fotografiert. Selbstverständlich finden auch Smartphone-Fotos Eingang in meine Fotobücher. Das für diesen Beitrag schnell aufs Parkett gelegte Fotobuch un der Kalender wurde selbstverständlich flugs mit den Smartphone abgelichtet. Da bin ich vollkommen schmerzfrei! Ich will auf keinen Fall abstreiten, dass man bei metergroßen Fotodrucken-/abzügen (Werbeplakate!) doch Unterschiede in der Abbildungsqualität sieht. Wobei dann aber auch die Gefahr besteht, in den analogen "Fotoclub-Modus" früherer Zeiten zurückzufallen ;-) Mit der Nase auf dem großen Abzug wurde da nach Abbildungsfehlern gesucht. Statt die Aussage eines tollen Fotos auf sich wirken zu lassen.

Meine Fotobücher sind mit 10 x 15 cm bis 20 x 30 cm Belichtungen gefüllt. Und der aktuelle Fotokalender ist A3 (30 x 40 cm) groß. Und die Abbildung auf dem 27“ Monitor mit 5.120 x 2.880 Bildpunkten Auflösung (14,7 MP) zeigt auch schon ein bisschen, was qualitativ mit einem Objektiv los ist. Wer seine Fotos aber nur auf dem Monitor auf Interntseiten, in Foren anschaut, braucht sich eigentlich keine großen Gedanken über die Abbildungsqualität zu machen. Oder dem Influencer-Unsinn zu glauben, wo mit komprimierten 1920 x 1080 Pixel Full HD-Filmchen Abbildungsqualität gezeigt werden soll … 

Übrigens: Die Möglichkeit, Objektive per Software korrigieren zu können, ist gut 30 Jahre alt!

Das 1990 ins All gebrachte 1,5 Milliarden US Dollar teure Hubble-Weltraumteleskop lieferte durch den minimal falsch geschliffenen Hauptspiegel nur unscharfe Bilder. Software auf Basis von Computational Photography und Deconvolutionstechniken mussten die unscharfen Hubble-Fotos zur Brauchbarkeit verbessern. Erst im Dezember 1993 reparierte ein Notfallteam im All das Hubble-Teleskop mittels einer Korrekturlinse.

Woran sich die Kamerasoftware bisher noch nicht vergriffen hat, das ist das so genannte Bokeh

Warum die Betonung auf "Kamerasoftware"?

Mittlerweile ist es auch möglich den Bildhintergrund, das Bokeh "elektronisch" zu manipulieren! Noch nicht von der Software "echter", "richtiger" Kameras, sehr wohl aber vom modernen Smartphone

Wikipedia schreibt zum Thema Bokeh (gekürzt):

"Das Bokeh (von japanisch boke für „unscharf, verschwommen“) ist ein in der Fotografie verwendeter Begriff für die Qualität eines Unschärfebereichs." Gemeint ist das Aussehen der je nach Blende und Brennweite vor und hinter dem fokussierten Motiv liegenden Unschärfe. Die auch von der Anzahl der Blendenlamellen und der Form der gebildeten Öffnung abhängt: Ist die beim Abblenden gebildete Öffnung „eckig“ oder annähernd rund? Auch der Aufbau und die Linsenzahl eines Objektivs hat Einfluss aufs Bokeh. Oben im Tableau sind Beispiele fürs so genannte "Bubble"-/Seifenblasen-Bokeh des dreilinsigen Meyer Optik Görlitz 2,9/50 mm Trioplans oder das "Swirly"-Bokeh des russischen Helios-44-2 2/58, ein Nachbau des bereits in den 1930er Jahren von Willi Merté gerechneten 1:2/58 mm Zeiss Biotars. Bubble- und Swirly-Bokeh sind nicht unbedingt jedermanns Geschmack, aber mir gefällt es. In einer Welt aus "überscharfen" Fotos ;-) Und da habe ich eine kleine Angst, dass die Kamerasoftware irgendwann versucht die schönen Seifenblasen und Verwirbelungen zu Objektivfehlern zu deklarieren — was sie ja auch sind — und dann gnadenlos wegzurechnen :-( Wobei: Der Begriff "Bokeh" kommt aus dem Japanischen. Und zumindest japanische Bokeh-Fans würden protestieren, wenn japanische Kameras diese gewollten Effekte kaputtrechnen. Über den umgekehrten Weg, schöne Bokeh-Effekte duch die Software zu generieren, möchte ich lieber nicht spekulieren … Hat jetzt nicht direkt was mit Bokeh zu tun, aber der Austausch eines grauen, eintönigen Himmels gegen einen dramatischen, ist schon länger Realität. 

Was einen gewollt unscharfen Hintergrund, das Bokeh angeht, zeigen die Porträteinstellungen moderner Smartphones, was per Software möglich ist

Um eine Person, das Gesicht, Porträt eines Menschen zu betonen, soll/muss der Hintergrund unscharf sein. Was in der richtigen Fotografie durch eine längere und lichtstarke Brennweite von 85/105 mm im KB-Format erzielt wird. Fokus auf die Augen! Entsprechende Porträtversuche mit dem Smartphone waren noch vor Jahren durch die riesige Tiefenschärfe der kleinen Sensoren von der Nasenspitze bis zum meist störenden oder sogar hässlichen Hintergrund im Unendlichen durchgehend scharf. Die neue Generation Smartphones rechnet die Hintergründe sehr gekonnt unscharf. Schauen Sie auf die Objektiv-Ablichtungen im Tableau, die im Porträt-Modus des Smartphones aufgenommen wurden! Und wenn es schon möglich ist, den störenden Hintergrund in angenehmer Unschärfe versinken zu lassen, könnte ich mir gut vorstellen, das auch da Bubble-/Swirl-Effekte reingerechnet werden kann …

Ralf Jannke

 

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