Made in Taiwan
Marktführer bei Digitalkameras sind bereits seit Jahren die bekannten großen Marken wie Canon, Sony und Kodak. In den Statistiken fehlen einige Hersteller, deren Namen allerdings auch noch niemand beim Elektronik-Discounter in der Auslage gesehen hat: Foxconn, Altek oder Asia Optical. Trotzdem erreichen diese Firmen, die allesamt in Taiwan beheimatet sind, zusammen einen Marktanteil von etwa 30%. Wie kommt es, dass man von derart erfolgreichen Marken noch nie gehört hat?

Der einzige taiwanesische Hersteller, der in Deutschland mit eigenem Namen bekannt ist, heißt Aiptek und bedient vor allem die unterste Preisklasse. Im Jahr 2000 kam die „Pencam“ auf den Markt, eine winzige Kamera in Stiftform. Sie war weder besonders gut zu bedienen noch lieferte sie gute Bilder - dafür war sie die erste Digitalkamera für weniger als 100 Mark und das exotische Gehäuse hatte einen extrem hohen Wiedererkennungswert. Reine Digitalkameras behandelt Aiptek inzwischen eher stiefmütterlich. Der Schwerpunkt liegt heute bei winzigen Projektoren, Videokameras und Dashcams, d.h. Camcodern an der Windschutzscheibe im Auto.
Die anderen Firmen sind deswegen so unbekannt, weil sie als OEM-Produzenten auftreten. Das bedeutet, dass sie fertige Kameras entwickeln, die dann unter verschiedenen Namen international vertrieben werden. Alternativ werden Kameras auch im Auftrag großer Kunden konzipiert und dann produziert.
Vorreiter der ersten Variante war die Firma Skanhex. In Taiwan waren die Kameras auch unter diesem Namen erhältlich, in Europa wurden sie z.B. als Jenoptik, Maginon, Traveller oder Revue verkauft. Ebenfalls beliebt ist bis heute die Verwendung der einst großen Markennamen aus Europa, welche sich Vermarkter gesichert haben, beispielsweise Voigtländer oder Rollei. Skanhex selbst hatte sich auf eher anspruchslose Geräte konzentriert und verschwand irgendwann von der Bildfläche. Die Homepage (www.skanhex.com.tw) ist zumindest seit Anfang 2007 nicht mehr erreichbar und es gab auch keine anderen Lebenszeichen mehr.
Eine ähnliche Rolle hatte auch die Firma Foxconn, welche den Einstieg in die OEM-Fertigung von Digitalkameras 2006 durch die Übernahme des Herstellers Premier schaffte. Eine reichhaltige Palette von Kameras aller Preis- und Leistungsklassen wartete darauf, unter einem beliebigen Vertriebsnamen irgendwo auf der Welt an den Kunden gebracht zu werden. Im Jahr 2005 produzierte Premier etwa 9 Mio. Digitalkameras und hatte damit einen Weltmarktanteil von über 10 %. Inzwischen liegt der Schwerpunkt offenbar bei der Fertigung von Spielkonsolen und anderen hochwertigen Consumerprodukten im Auftrag großer Hersteller. Außerdem werden in großem Maßstab PC-Komponenten wie Motherboards und Gehäuse gefertigt. Digitalkameras scheinen hingegen aus dem Portfolio verschwunden zu sein.
Etwas anders hat sich Altek positioniert. Hier wird vor allem im Auftrag gebaut. Kunden sind einige der großen des Geschäfts wie Hewlett-Packard oder Kodak. In der Vergangenheit zählten auch Agfa oder Konica zu den Kunden. Damit sparen die großen Hersteller im unteren Preissegment, in dem der Preiskampf am härtesten ist, Entwicklungskosten und stellen anstelle dessen einfach Komponenten (Optik, Sensor, Prozessor, Menüfunktionen) aus dem Katalog des OEM-Herstellers zusammen. An der Homepage von Altek konnte man das eine Zeitlang schön sehen: In der Sparte „Products“ waren keine konkreten Digitalkameras zu sehen, sondern nur welche Leistungsdaten Altek produzieren kann: „6 - 10 Mega Pixels, 3 - 10 x Optical Zoom, 2.3 - 3“ TFT LCD, ...“. Durch diese Art von Auftragsfertigung gleichen sich die einfachen Knipsen immer mehr einander an und werden dadurch schwerer unterscheidbar - was den Preiskampf noch weiter beflügelt. Auch Altek kam 2005 auf etwa 9 Mio. Digitalkameras.
Etwas kleiner - mit 4,5 Mio. Geräten im Jahr 2005 - ist die Digitalkamera-Sparte bei Asia Optical. Auch hier wird seit 1997 ausschließlich im Kundenauftrag gefertigt. Die Firma ist jedoch deutlich breiter aufgestellt. Neben optischen Geräten (z.B. Ferngläser) produziert Asia Optical seit 1981 vor allem optische Komponenten (z.B. für Scanner, Kopierer, Mikroskope, Kameras oder Fernrohre) als Zulieferer zahlreicher bekannter Markenhersteller wie Sony, Tasco, Olympus, Konica oder Ricoh. Aktuell findet man auf der Homepage komplette Optiken für Digitalkameras einschließlich Sensor, jedoch keine kompletten Kameras.
Man kann den taiwanesischen Herstellern über die letzten Jahre eine steile Lernkurve bescheinigen. Die heute produzierten Kameras erfüllen fast alle die Ansprüche typischer Freizeitfotografen, die ihre Familie, Hobbyaktivitäten oder den Urlaub im Bild festhalten möchten. Im Umkehrschluss heißt das aber, dass Kameras "Made in Taiwan" oder "Made in China" verglichen mit Markenprodukten zunehmend fragwürdigere Ergebnisse produzieren, je älter sie sind. Anfangs wurden teilweise Geräte verkauft, deren Optik von jedem Flaschenboden mühelos übertroffen wird und die mit einem weitgehend lichtresistenten, dafür aber rauschfreudigen CMOS-Sensor bestückt sind, dessen bescheidene Ausbeute dann von einer gnadenlosen Bildoptimierung auch noch in Grund und Boden gerechnet wird. Die häufig geschmähten „Chinacams“ haben sich damit einen Ruf erworben, den sie voraussichtlich nur mit Mühe wieder los werden.
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Erstellt: | 12.07.2017 |
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