Polaroid PDC 2000/3000, 1996 die beste 2 MP Kamera?

Von vorne und von oben hilft nur ein Blick auf die Beschriftung, um zu erkennen, um welches Polaroid-Modell es sich handelt. Die Objektive helfen auch nicht weiter, sie sind wechselbar!

Erst der Blick von hinten zeigt den entscheidenden Unterschied der sonst praktisch identischen Kameras. Die Polaroid PDC 2000 gibt die auf der internen, fest verbauten Festplatte gespeicherten Bilder nur her, wenn ich das extrem seltene und passende SCSI-Kabel habe! Die PDC 3000 hat den identischen SCSI-Anschluss und kam auch ohne Kabel :-(

Aber: Hier genügt ein simpler Kartenleser, denn die PDC 3000 speichert ihre Fotos auf Compactflashkarte! Es wir nicht jede CF akzeptiert, aber eine 64 MB Sandisk läuft einwandfrei! Und 64 MB ist auch die Grenze, die 96 MB Sandisk wird bereits "verweigert". Zwingend notwendig ist aber noch die Original Polaroid Software, die zum Glück noch im Internet zu haben ist! Ohne diese Software geht nichts, denn die Polaroids speichern in einem ganz speziellen Rohdatenformat, genannt PolaroidDigitalNegative. Mehr darüber im Software-Part.

Was eine Ziffer Unterschied macht: Polaroid PDC 3000 gegen Polaroid PDC 3030. Magnesium-Gehäuse gegen fernöstliche Dutzend-/Ramschware. Könnte man nicht drastischer dokumentieren, Polaroids Niedergang :-(

Polaroid PDC 2000/3000-Innenleben

Während der Installation der Software gewährt Polaroid einen kurzen Blick ins Innenleben der PDC 2000/3000. Wer technisch interessiert ist und noch etwas mehr sehen möchte, sollte einen Blick in die Reparaturanleitung der PDC 2000/3000 werfen. Die Polaroid PDC 2000/3000 ist eine extrem stabile Kamera, deren Gehäusehalbschalen aus Magnesium gefertigt sind!

Polaroid PDC 2000/3000, die Interpolationsexperten

Es gab mehrere Varianten dieser Kamera

PDC 2000 40 (Interner Festplattenspeicher für 40 Aufnahmen) 1996 ca. 3400 Euro (oben links im Foto)

PDC 2000 60 (Interner Festplattenspeicher für 60 Aufnahmen) 1996 ca. 4600 Euro

PDC 2000 T (kein kamerainterner Speicher) 1996 ca. 2800 Euro

PDC 3000 Wechselspeicher mit Compactflashkarten 1998 ca. 2500 Euro

Technische Daten der Polaroid PDC 2000/3000

CCD-Sensor mit – kein Druckfehler – 1600 x 600 Pixel = 1 Megapixel, woraus wahlweise 800 x 600 oder 1600 x 1200 Pixel = 2 Megapixel Fotos generiert werden können. Sensorempfindlichkeit ISO 25-100; die ISO 100 sollen automatisch bis auf ISO 25 runtergeregelt werden, wenn zuviel Licht da ist. Speichern im speziellen Polaroid Rohdatenformat *.PDN – PolaroidDigitalNegative auf Rechner-Festplatte, interne Festplatte (PDC 2000) oder Compactflashkarte (PDC 3000). Bei der PDC 3000 in vier Qualitätsstufen: unkomprimiert – "Comp(ression) off", "No Loss" verlustfrei 2:1 Komprimierung, "Lossy 5:1", "Lossy 10:1". Lossy etwa verlustbehaftet. Wobei man mit 10:1 immer noch auf der sicheren Seite ist. Auf die 30 MB-Speicherkarte passen dann je nach Einstellung 30, 60, 150 oder 300 Fotos. 

2,8/11 mm (38 mm @KB) und 2,8/17 mm (60 mm @KB) Glaslinsenobjektiv, Blendenbereich f/2,8-11. Belichtung per Programmautomatik im Bereich EV 12,5 bis 21/23. Verschlusszeiten 1/25 bis 1/500s. Eingebauter Blitz.

Autofokus über das schon in den Polaroid-Sofortbildkameras eingesetzte Sonar-System. Statt die Linse (im Objektiv) zu bewegen, wird zur Entfernungseinstellung der CCD-Sensor der PDC 2000/3000 in eine von 60 Positionen gefahren! Nach Wahl der richtigen Entfernung kann die Entfernungseinstellung verriegelt werden. Echtes manuelles Fokussieren mit Bildschärfekontrolle ist nur im Tether-Modus möglich, wenn die Polaroid über das SCSI-Kabel verbunden vom Rechner aus über Monitorkontrolle gesteuert wird. Im Tether-Modus ist es auch möglich (niedrige) ISO-Werte zu wählen, womit bei Bedarf bei offener Blende fotografiert werden kann. Ausführliche Beschreibung dieser Möglichkeiten in englischer Sprache. Die dort zu findenden Informationen sind ein Muss für an der PDC 2000/3000 Interessierte!

Energieversorgung über Netzteil oder vier 1,5 V/1,2 V AA-Batterien oder Akkus. Beim Einsatz des Netzteils sollten tunlichst die Batterien aus dem Fach genommen werden, weil sonst das Netzteil versucht Einwegbatterien zu laden...

Die hohen Preise wurden oben bereits genannt. Die dürften auch "erfolgreich" dafür gesorgt haben, dass die von den Bildergebnissen gute Polaroid keine all zu große Verbreitung fand. Kein Zoom, keine wirkliche Kontrolle von Blende und Verschlusszeit. Wie war es auf einer Internetseite zu lesen: "At half the price, it might do better." Zum halben Preis wäre es vielleicht besser gelaufen...

Gute Bildqualität trotz Interpolation?

Beim Stichwort „Interpolation“, denkt man gewöhnlich an eine Krücke, eine „Mogelpackung“ mit der eine hohe Auflösung vorgegaukelt wird, die der Kamera-Sensor gar nicht bietet. Was sich – schlecht gerechnet – in  „matschigen“ Fotos äußert, wie bei der Kodak DC260 von 1999.

Was kann dann besser sein, wenn eine Polaroid PDC 2000/3000 nur einen 1600 x 600 Pixel-Sensor hat, aber 1600 x 1200 Pixel 2 MP-Fotos guter Qualität bietet? Im Vergleich zu den Aufnahmen aus einer Canon A50 (1,3 MP) bezeichnete eine amerikanischer User die Bildergebnisse der Polaroid als herausragend und die aus einer Kodak nur als schrecklich. Woher kommt diese offensichtliche Ausnahmestellung der Polaroid?

Die Erklärung, warum die Polaroid-Interpolation so gut ist, dürfte im Aufbau des PDC 2000/3000-Sensors liegen. Gewöhnlich sind die Einzelpixel des Sensors in der Form quadratisch. Dabei sind die Bayer-Sensoren mit einem regelmäßigen Muster aus winzigen Farbfiltern in Rot, Grün und Blau bedampft. Da für Aufnahmen in Farbe aber jeder Einzelpixel alle drei Farbwerte R(ot)G(rün)B(lau) – RGB – liefern muss, muss die Kamerasoftware die Farbe aus den benachbarten Pixeln „schätzen“, „raten“, interpolieren. Die große Mehrzahl ALLER Digitalkameras arbeitet so.

Die Einzelpixel auf dem Polaroid-Bildsensor sind aber nicht quadratisch, sondern rechteckig! In 600 Zeilen befinden sich 1600 dieser rechteckigen Pixel. Was von der Kamera runtergerechnet dann horizontal 800 Einzelpixels besserer Farbwiedergabe entspricht, als das oben beschriebene Bayer-Prinzip der quadratischen Pixels. 

Die ganz unscheinbar daherkommende Polaroid-Software „PDC Studio“ rechnet mit diesen 1600 x 600 Pixels und muss die Pixelzahl nur vertikal von 600 auf 1200 verdoppeln, wenn 1600 x 1200 Pixel Fotos gewünscht sind, was zur offensichtlich besseren 2 MP Fotodatei führt! Polaroid bezeichnet seine Fotodateien auch als "Polaroid Digital Negative" – "PDN". Also schon 1996 nichts anderes als eine verlustlos 2:1 komprimierte RAW-, Rohdatei! Die nur per Spezialsoftware zu verarbeiten war und ist! Adobe RAW/Lightroom können mit den Polaroid PDN-Dateien nichts anfangen.

Interpolationsvergleich

Das sind 1:1 Ausschnitte eines Fotos, das Polaroid neben weiteren Test-/Beispielfotos seiner Software beilegt. Das Ausgangsfoto von 800 x 600 auf 1600 x 1200 Pixel hochskaliert: mit der Polaroid-Software PDC Studio Direct (links) und Photoshop (rechts).

Was das Thema PDC 2000/3000-Interpolation angeht, behauptete 1996 ein Fachblatt (sinngemäß), dass das Resultat ebenso gut ausfallen würde, wenn das 800 x 600 Pixel Bild nachträglich per Photoshop auf 1600 x 1200 Pixel hochgerechnet (interpoliert) würde. Ein anderer Autor war da etwas vorsichtiger und sprach bei Einsatz eines Bildbearbeitungsprogramms zum Vergrößern der 800x600 Pixel von einem nahezu identischen Resultat. Vergleichen Sie bitte die beiden Fotos. Einfach auf die Fotos klicken, dann haben Sie 750 x750 Pixel. Ganz am Ende dieses Beitrags gibt es noch einen weiteren Vergleich.

Weitere Informationen zur Polaroid PDC 2000/3000

Englischer Prospekt zur Polaroid PDC 2000 Reihe

Englische Bedienungsanleitung der Poalroid PDC 2000

Englische Bedienungsanleitung der Poalroid PDC 3000

Digital Still Cameras, Daniel Rutter 1996 zur Polaroid PDC 2000

„10 Quirky Camera Designs from Digital Photography’s Past“, etwa: "10 sonderbare, schrullige oder auch eigenartige Kamera-Designs aus der Vergangenheit der digitalen Fotografie"

PC Mag Juni 1996 zur Polaroid PDC 2000

Italienischer Bericht von 1996: Digital-Imaging PDC 2000

Google-Translate dazu

Polaroid-Software

Screeshots aus der Polaroid-Software PDC Studio Direct

Ein Abenteuer war die Suche nach dem Treiber, der Polaroid-Software. Tool-Seiten, die gefühlt alles zum sinngemäß und unerwünschten automatischen Treiberupdate für Windows, ein „Tunen für Windows“ bieten, obwohl gelistet aber eines NICHT: einen Treiber für die Polaroid!

Nach einigem Suchen und Probieren wurde der PDC 2000/3000-Treiber dann aber schließlich gefunden. OHNE diesen Treiber geht bei der Polaroid nichts, und nur der Treiber gestattet die Wahl zwischen 800 x 600 Pixel oder hochgerechneten 1600 x 1200 Pixel = 2 MP Fotos!

Kommt völlig unscheinbar daher, hat es aber in sich: Polaroid PDC Studio Direct. Selbst wenn ich gar keine Polaroid PDC 2000/3000 habe, kann ich mir die Wirkung der Software ansehen, denn die Software enthält mehrere digitale Polaroid „Negative“ – PolaroidDigitalNegative, kurz PDN-Dateien. 

Trotz ihres Alters - 17 Jahre - läuft die Polaroidsoftware nach komplikationsloser Installation problemlos unter einem virtuellen Windows 2000, XP oder Windows 7. Die im PDN-Format gespeicherten Aufnahmen sind Ruck Zuck in unkomprimierte, von jeder EBV les- und verarbeitbare TIFFs umgewandelt. Es stehen allerdings nur 24 bit Farbtiefe zur Verfügung. Mit Hilfe der Software kann ich auch erkennen, welche ISO-Empfindlichkeit die Kamera gewählt hat...

„Take Pictures“ in Polaroid PDC Studio Direct ist mangels SCSI-Verbindung zwischen Kamera und Rechner natürlich ausgegraut und nicht ausprobierbar. Gerne hätte ich sonst mal den Tethering-Modus ausprobiert und die Polaroid per Computer-Monitor-Livebild gesteuert und fokussiert.

Der Rest erklärt sich mehr oder weniger von selbst.

Aber was hat es mit dem IQA auf sich?

IQA steht für Polaroids Entwicklung "ImageQualityArchitecture“. Dahinter verbirgt sich eine automatische Bildverbesserung und -optimierung. Schön doppelt gemoppeltes Marketing-Sprech...

Der komplette Artikel: „Polaroid's New IQA Technology Makes Image Improvement a Snap For Consumer and Business Users.“

IQA ist auch mit Vorsicht zu genießen. Ich habe es bei meinen Versuchen mit der Kamera und der Software nicht benutzt.

Ralf Jannke

Beispielfotos, aufgenommen 2015 mit der Polaroid PDC 3000

Kürbisse, soweit das Auge sieht. Ein typischer Hofladen, der zum Kürbisfest geladen hatte... Dafür wurde die uralte Polaroid PDC 3000 eingepackt.

Rot-, Orange-, Gelbtöne dominieren. Das hat die PDC 3000 ohne Verrenkungen in der EBV hinbekommen. Gespeichert wurde 2:1 lossless komprimiert. Die oben erwähnte IQA war beim Bildexport deaktiviert.

Die drei quadratischen Fotos: 1:1 Ausschnitte aus den 1600 x 1200 Pixel = 2 MP Fotodateien der Polaroid PDC 3000. Ein Klick aufs Bild zeigt 750 x 750 Pixel 1:1. Einmontiert die jeweilige Gesamtaufnahme.

Qualitätsempfinden... Ich hatte das irgendwie überzeugender in Erinnerung. Sicher spielt auch eine gewisse Verklärung eine Rolle ;-)

Zur Kontrolle wurden noch ein paar Testaufnahmen vom Stativ aus gemacht, und die PDC 3000 per Netzteil stabil mit Energie versorgt. Möglicherweise spielt besonders letzteres eine Rolle, denn im unabhängigen Outdoor-Betrieb gab es immer mal "Mecker" seitens der Kamera im Sinne Akkus leer – wechseln. Höchstwahrscheinlich eher Kontaktschwierigkeiten, denn ein Drücken aufs Batteriefach sorgte umgehend für Ruhe. Langer Rede kurzer Sinn, hier ist ein Vergleich: Polaroid (digital) gegen Polaroid als Rückteil auf der Nikon F2

Von oben nach unten: Originalaufnahme mit dem 2,8/17 mm (60 mm @KB) Objektiv auf der Polaroid PDC 3000. Rudimentäre EXIF, die nur wenig Auskunft gibt. Blende und Verschlusszeit bleiben im Verborgenen. Unkomprimierte Speicherung. 800 x 600 Pixel 1:1 eingepasst in das 750x600 Pixel Bild.

Zweites Bild: 800 x 600 Pixel Originalbild per Photoshop-Interpolationsart "bikubisch glatt" (zum Vergrößern) auf 1600 x 1200 Pixel hochgerechnet. Drittes Bild: 800 x 600 Pixel Aufname mit Polaroid-Software "PDC Studio Direct" auf 1600 x 1200 Pixel = 2 MP gebracht. Für mich ist die Polaroid-Software der Sieger! Und das Gesamtergebnis sieht auch besser aus, als die oben gezeigten Außenaufnahmen, ja vielleicht sogar besser als das Polaroid-Demofoto...

Digitales Infrarot ging auch mit der PDC 2000/40

Noch gefunden ;-) Ich wusste doch, dass ich 2000 mit meiner ersten Polaroid PDC 2000/40 mal Infrarot experimentiert habe...

 

 

Kommentare (2)

  • Paul
    Paul
    am 01.10.2019
    Hallo,
    Ich habe hier zwei NOS 17mm f2.8 Objektive von oben genennte Kamera.
    Irgendwie sehe Ich keine Blende.
    Wie wurde dass damals denn gemacht?

    Mfg,
    Paul
  • Ralf Jannke
    Ralf Jannke
    am 01.10.2019
    Hi

    Ich muss mal die PDC-3000 suchen. Ich vermute, dass die beiden Objektive tatsächlich keine Blende haben. Die Blende sitzt wohl im Kameragehäuse!

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