Sigma DSLRs: „Wunderkameras“ mit Dreifach-Auflösung

Ganz schöner Brocken, die 2002 vorgestellte 3 (10) MP Sigma SD9 im Vergleich zur 3 MP Canon EOS D30 von 2000.

Nicht nur für die hier vorgestellte 3,4 MP SD9 und SD10, sondern auch für die Nachfolger SD14/SD15 mit 4,7 MP und das 15,4 MP Flaggschiff SD1 sowie die Sigma DPx/Merrill-Serie reklamiert Sigma für sich, dass aufgrund der besonderen Foveon-Sensoren die effektive Auflösung um den Faktor 3 über der physikalische Auflösung liegt: Aus 3,4 MP werden so 10 MP, aus 4,7 MP 15 MP und aus 15,4 MP schließlich 45 MP. Wer glaubt, dass es da nicht mit rechten Dingen zugeht, liegt nicht ganz falsch!

Ein paar Kernsätze aus Wikipedia zum Foveon-Sensor:

Wiki: Der Auflösungsvorteil gegenüber Bayer-Sensoren liegt (...) nicht bei einem Faktor von 3, sondern eher zwischen 1,5 und 2.

Wiki: In der Praxis stellt sich heraus, dass statt der angeblich besonders Farbtreue (des Foveon-Sensors) die Farbreinheit stellenweise überbetont, an anderer Stelle hingegen reduziert ist. Graublau und Lila werden zu leuchtendem Enzianblau, Blattgrün-Töne sind schlecht differenziert und tendieren zuweilen in Richtung eines gelblichen Olivs.

Das rief Widerspruch bei einem Sigma SD-Kamera-Anwender hervor. Er meinte, dass der Wiki-Beitrag nicht mehr der neueste wäre, Sigma die Farbwiedergabe des Foveon-Sensors heute besser im Griff hätte. Ganz wichtig wäre aber besonders bei der ersten Sigma SD9 der Einsatz der aktuellsten Sigma Rohdatenentwicklungs-Software Photo Pro 6.3.0, die kostenlos runterzuladen ist. 

Wiki: Auch können heutige Foveon-Sensoren kein Kapital aus dem Fehlen der Lichtabsorption in einer Farbmaske schlagen, sie sind in der Empfindlichkeit weit abgeschlagen.

So ist es zumindest bei der SD9. Die geht erst gar nicht über ISO 400, und die soll man nur im Notfall nehmen, riet der oben erwähnte Sigma-Anwender! Und so stellte sich beim Rundgang mit der SD9 das vertraute Gefühl aus Analogzeiten (vor 1996) wieder ein: Wo man je nach Lust, Laune und Geld Kodachrome 64 und Kodachrome 200 einlegte, alternativ zu Fujichrome 100 und 200 griff und ISO 400 nur im Notfall eigelegt hat, wenn Verwacklung aufgrund zu langer Verschlusszeiten so gut wie sicher war. Ich kann mich an Spezialentwicklungen erinnern, wo der Kodachrome 200 – in die USA geschickt (!) – auf ISO 500 gepusht werden konnte. Mehr ISO wollte/konnte keiner, die Qualität ging einfach zu sehr in die Knie. Wie schlimm das „damals“ war, konnte ich auf einem Kalender vergleichen, wo Sportfotos mit dem seinerzeit guten Fuji 800 Farbnegativfilm in etwa A3+ Größe (32 x 48 cm) gegen ISO 1600 digital so was von abstürzten... OK, jetzt mit der SD9 eben bevorzugt ISO 100/200...

Was den Auflösungsvorteil angeht, kommt auch Henner Helmers (sehr empfehlens- und lesenswerte Seite, unbedingt besuchen!) in aus „Alles über Kamera-Sensoren“ zum vergleichbaren Urteil: „Die SD1 hat einen X3-Sensor mit 15MP. Da es 4800x3200 "echte Pixel" sind, liefert er die Auflösung einer "guten" 24MP-Kamera mit normalen Bayer-Sensor.“ Macht einen Auslösungsvorteil von 1,5! Und das für um 1050 Euro inkl. stabilisiertem 3,5-6,3/18-200 Zoom. Eine 24 MP Nikon D5500 mit stabilisiertem 3,5-5,6/18-105 mm Objektiv kostet um 850 Euro, die D3200 mit einfacherem Kitzoom noch mal 200 Euro weniger...

Wenn Sie Lust auf Siemenssterne und Makro-Vergleichsfotos haben, Mike Chaney hat in „How does the SD14 stack up against high end cameras like the Canon EOD 5D?“ die 12 MP Canon Vollformat EOS 5D bestückt mit dem 2,8/24-70 L bei mittlerer Brennweite gegen die Sigma SD14 mit einem 2,8/18-50 bei f/5,6 verglichen

Hier gibt es „The Truth About The Sigma SD9“ – „Die Wahrheit über die Sigma SD9“

Sigma SD9-Prospekt (deutsch)

Sigma SD9-Manual (englisch)

Sigma SD9-Review (englisch)

Fauler Auflösungszauber?

Auch wenn Sigma von „effektiver“ Auflösung spricht und beim „Entwickeln“ der SD-Digitalkamera-Rohdateien in der SIGMA Photo Pro Software im Fall der SD9 „Originalgröße 10,3 MP (2268 x 1512 x 3) zu lesen ist, wird zu Sigmas Ehrenrettung aus dem 3,4 MP Foto KEIN 10 MP Foto, wenn man beim Export – wahlweise nach JPEG wählbarer Qualität (Komprimierung) oder TIFF bis 16 bit pro Farbe – bei „Ausgabe Bildgröße“ „Gleiche Bildgröße“ wählt. Dann wird auch die physikalische Auflösung 2268 x 1512 Pixel = 3,4 MP exportiert. 

Diese Pixelmenge habe ich dann versuchsweise auf 3000 x 2000 Pixel = 6 MP hochskaliert und weiter unten gegen Fotos aus einer 6 MP Pentax *ist D L2 verglichen. Denn spätestens, wenn es um die möglichen Größen gedruckt oder belichtet in 300 ppi Fotoqualität geht, hat die Argumentation physikalische gegen effektive Pixel ein Ende. Da zählen nur Nettozahlen! Mit ca. 133 Prozent fällt die Vergrößerung von 3,4 auf 6 MP aber sehr maßvoll aus.

Ziemlich verkorkstes Energie-Konzept und Erbe der analogen Sigma SA7 SLR (Seite 15). Zwei völlig unterschiedliche Energiequellen werden benötigt, um die Sigma SD9 am Laufen zu halten...

Die Technik der Sigma SD9

Bei 152 x 120 x 79 mm Größe wiegt die SD9 (Betriebsbereit) 803 g

Der 20,7 x 13,8 mm große Foveon-Sensor löst maximal 2268 x 1512 Pixel = 3,4 MP auf. Er ist etwas kleiner als der übliche ca. 15 x 23 mm große APS-C-Sensor, war sich in einem höheren Cropfaktor niederschlägt. Es mag Erbsenzählerei sein, aber während das 18 - 50/55 mm Kitzoomobjektiv bei anderen Herstellern und Cropfaktor 1,5 bei kürzester Brennweite 27 mm Kleinbildbrennweite entspricht, habe ich in der SD9 (gerundet) nur 31 mm Weitwinkelbrennweite zur Verfügung. Die Empfindlichkeit des SD9-Foveon-Sensors liegt bei ISO 100, die auf 200 oder 400 verstärkt werden kann. Es wird ausschließlich mit 36 bit Farbtiefe im Sigma-Rohformat aufgezeichnet und auf CompactFlash Typ I/II oder Microdrive gespeichert.

Das Motiv wird per Spiegelreflexprismensucher mit Dioptrienausgleich (-3,0 bis +1,0 dpt) erfasst. Der Sucher vergrößert 0,77x und deckt horizontal/vertikal 98 bzw. 97 Prozent ab. Die Bildkontrolle (nach der Aufnahme, kein Liveview!) und Kamerasteuerung erfolgt über einen 1,8" TFT LCD Monitor mit 130.000 Bildpunkten.

Objektivanschluss: Sigma SA-Objektivbajonett.

Die Entfernung kann manuell eingestellt werden oder automatisch durch den mittigen Kreuz-Sensor im Einzelbild-Modus (AF-S) ermittelt oder bei bewegten Motiven nachgeführt bzw. vorausberechnet (Prädikations-AF/AF-C).

Die Belichtung wird mittenbetont/integral, per 8-Feld-Matrix oder punktförmig (Spot) gemessen. Gesteuert wird per Programm-, Blenden- oder Zeitautomatik oder manuell. Die Belichtung kann +/- 3 EV in 1/2 EV-Schritten oder in Reihenfunktion mit maximal 3 Aufnahmen in 1/2 EV-Schrittweite korrigiert werden. Die Sigma SD9 hat KEINEN eingebauten Klappblitz! Es muss ein kompatibler Blitz (z.B. EF-500) montiert werden. Der Weißabgleich entfällt, da ausschließlich im Rohformat aufgezeichnet und der „Weißabgleich“ hinterher beim „Entwickeln“ festgelegt wird.

Der Verschluss bildet Zeiten von 15 bis 1/6.000 s plus Bulb/Beliebig). Serienbilder mit höchster Auflösung sind mit 1,9 Bilder/s möglich. Selbstauslöser mit 2 oder 10 s Vorlauf. Die SD9 kann per RS-21 Fernbedienung ausgelöst werden.

3 = 6 Megapixel? So sicher nicht!

Im Vergleich mussten Sigma SD9 und Pentax *ist D L2 einen schnell zusammengestellten Versuchsaufbau ablichten. Bei bedecktem Himmel, praktisch konstantem Licht. Links die Pentax *ist D L2 mit 18-55 Kitzoom, rechts Sigma SD9 mit Kitzoom 18-50. Mit dem gelbgrün des Kerzenglases kam die Sigma SD9 mit ihrem von der Farbwiedergabe angeblich so überlegenen Foveon-Sensor nicht klar. Subjektiv – natürlich – schafft die Pentax es auf Anhieb.

Für den realistischen Vergleich wurde die Sigma SD9-Aufnahme per Photoshop von 3,4 auf die 6 MP der Pentax *ist D L2 hochinterpoliert. Der Vergleich der beiden 1:1/750 x 750 Pixel Ausschnitte aus 6 MP-Aufnahmen stimmt nachdenklich. Beide Aufnahmen vom Stativ, mit Blende 11 und minimaler ISO-Einstellung – 100 bei der Sigma SD9, 200 bei der Pentax *ist D L2 – und im jeweiligen Rohformat gespeichert. "Entwickelt" wurde mit Adobe Lightroom, die Schärfe wurde auf Null gefahren! Oben die Sigma SD9, unten die Pentax *ist D L2. Ich habe da erst mal abgebrochen, weil der Fehler hinter der Kamera lag!!! Fehlfokussierung :-( Wobei man wissen muss, dass der Fokusmotor des vorhandenen Sigma Kitzooms defekt ist und von Hand fokussiert werden musste. Dass es besser geht, zeigen die nächsten Fotos! Zusätzlich ist noch ein zweites Exemplar des 18-50 mm Sigma unterwegs.

Das kann nicht sein...

Zutaten für den zweiten Versuch waren Kameras und 1980 abgelaufene AGFA-Filme des lange untergegangenen Kodak Instamatic Pak-Film Systems...

Sigma PhotoPro

Versuchsweise wurden die digitalen Negative der SD9 auch in der hauseigenen Sigma-Software entwickelt... 

Die Welt wieder in Ordnung gebracht...

Von oben nach unten: 1:1 750x750 Pixel Ausschnitte aus ein und derselben später unterschiedlich aufgelösten und entwickelten Sigma SD9-Ausgangsdatei. Oben: Entwickelt mit Adobe Lightroom, physikalische Netto-Auflösung 2268 x 1512 Pixel = 3,4 MP. Mitte: Entwickelt mit Adobe Lightroom, hochgerechnet mit bikubischer Photoshop Interpolation auf 3000 x 2000 Pixel = 6 MP. Unten: Entwickelt und hochgerechnet auf "Ausgabe Bildgröße: Doppelte Größe" 4536 x 3024 Pixel = 13,7 MP mit Sigma PhotoPro6. Wobei sich das "doppelt" auf die jeweilige Seitenlänge bezieht. Ergebnis ist eine Vervierfachung. Und das sieht man an den mit den roten Kreisen markierten Treppenstufen! Eine erste Tendenz ist bereits in der auf 6 MP hochgerechneten Aufnahme (Mitte) zu erkennen. Mit Faktor 1,5 wäre man wohl auf der sicheren Seite. Und das entspräche dann einer realistischeren effektiven Auflösung des 2268 x 1512 Pixel Foveon-Sensors: 2700 x 1800 Pixel = ca. 5 MP.

Mit der Sigma SD9 zum letzten Flohmarkt vor Ort

Auf weitere Experimente mit Hochrechnen der 3,4 MP Sigma SD9 Bilder auf mögliche 5 MP habe ich verzichtet. Stattdessen lieber mal die maximale Empfindlichkeit von ISO 400 gewählt und geschaut, was passiert. Es passiert – nichts. Ich habe jedenfalls nicht besonders auf Rauschen geachtet, da war der Foveon-Sensor dann wohl besser als sein Ruf! Von der Schärfe, wenn sie sitzt (!), gibt es beim Sigma Kit-Zoom nichts zu kritisieren. Ganz unten 1:1/750 x 750 Pixel Ausschnitt aus 3,4 MP der Sigma SD9.

ISO 400: OK, Farbe und Schärfe stimmen auch. 1:1/750 x 750 Pixel Ausschnitt aus der 3,4 MP Sigma SD9-Aufnahme.

Auf den ersten Blick scheint soweit farblich alles in Ordnung. Ist es aber nicht! Das abgelichtete Haus hat ein undefinierbares "Mintgrün", an dem sich zumindest der frühe Foveon-Sensor der ersten Sigma DSLR dieser Reihe mit Spezialsensor offensichtlich "die Zähne ausbeisst". Ich konnte an den Sigma PhotoPro-, Adobe Lightroom-/Photoshop-Reglern drehen und schieben wie ich wollte, das natürlich aus der Erinnerung subjektive Grün des Hauses war nicht herstellbar. Was im Screenshot aus Sigma PhotoPro zwar zu stimmen scheint. So ungefähr, aber der Rest stimmt dann eben nicht... Es scheinen die "gebrochenen" Grüntöne zu sein, die der SD9 Probleme bereiten. Wie das gefärbte Kerzenglas weiter oben.

Was bleibt?

Eine interessante und eigenwillige DSLR, die Sigma SD9 mit ihrem sprödem Charme, die Freude macht. 3,4 = 5 MP kann man akzeptieren, aber dann ist Schluss! Immerhin: Mit 20 MP aufwärts und Vollformat in der Gegend "rumballern", das kann heute ja jeder ;-)

 

Kommentare (1)

  • D.E.Bodart
    D.E.Bodart
    am 17.02.2019
    Wir erstanden 2008 eine SD14 für unser Labor, da diese seinerzeit billiger als andere DSLRs zu bekommen war, eine einfache Anpassung mit Pentax K Objektiven gestattete und im niedrigen ISO-Bereich recht gute Auflösungen ergab.

    In einem damaligen Internet-Vergleich mit der etwa dreimal so teuren Fuji S5pro schnitt die SD14 nicht wesentlich schlechter ab. Zur gleichen Zeit fand sich fand sich in Sandy Fleischmann eine aktive Sigma-Landschaftsfotografin in den USA mit farblich guten Ergebnissen. Denen konnten wir leider nicht folgen. Blauer Himmel blieb Azur. Graublau und Violett wurde brillantes Enzianblau, Grüntöne der Vegetation kippten zwischen Oliv und Blaugrün. Unser damaliger Wikipedia-Beitrag in dieser Sache ist inzwischen in zahlreichen Foveon Beschreibungen zu finden.

    Theoretisch dürfte es tatsächlich schwer sein mit den „sauberen“ RGB-Bayer-Pixeln zu konkurrieren. Die obere Foveon-Schicht ist gleichwertig, die mittlere wird jedoch durch die obere „verschmutzt“ und die untere durch beide. Der hierdurch entstandene Verlust dieser Schichten ist nur auszugleichen, in dem man die Brillanz dieser Farben verstärkt. Hier eine Balance zu finden erscheint praktisch unmöglich. Beim Farbfilm war dies kein Problem, weil die drei Träger der Farben transparent sind, was im Fall von Foveon offensichtlich nicht machbar ist. Dennoch wäre es interessant zu wissen, ob man hier seitdem weiter gekommen ist.

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