Das (erste) 3,5/43-86mm Zoom-Nikkor soll das schlechteste Objektiv sein, das Nikon je gebaut hat …

Geschichte

Bevor das Zoom-NIKKOR 1:3,5 f=43mm - 86mm 1963 mit Nikon F-Bajonett erschien, gab es das Zoom 1962/1963 nur festverbaut in der Nikkorex ZOOM 35 SLR.

Das 43-86 mm Nikkor wurde in fünf Varianten produziert:

  • 1962/63 Version Null in Zweiring-Ausführung auf der Nikkorex Zoom 35
  • 1963 Version 1 – 9 Lisen in 7 Gruppen
  • 1974 Version 2 – nur von der äußeren Optik geändert
  • 1976 Version 3 – optische Neurechnung 11 Linsen in 8 Gruppen)
  • 1977 Version 4 – AI-Kopplung

Die Ur-Version mit F-Bajonett hatte beim einstigen Nikon Kenner, heute aber nicht mehr ernstzunehmenden Ken Rockwell in seiner Reihe "Nikons schlechteste Objektive" die Rolle des Spitzenreiters inne. Ken Rockwell:

“Das originale (erste) Nikon 43-86mm ist das schlechteste Objektiv, das Nikon je gebaut hat. Es war so schlecht, dass es bis heute den Ruf aller anderen Zoomobjektive befleckt hat. Was macht es so schlimm? Es ist von Nikon das Objektiv mit der weichsten Abbildung, und es ist mit unzähligen Stufen der Verzeichnung beladen. Es produziert auch fürchterliche Überstrahlungen und Geisterbilder."

"Wenn die Leute sagen, dass Zooms nicht scharf abbilden, überstrahlen und eine Menge Verzeichnungen aufweisen, liegt es daran, dass dieses schreckliche Objektiv die Erwartungen bestätigt."

"Die erste schlechte Version hat den Schriftzug innerhalb des Filterrings. Die spätere Version (1975-1982) ist ein völlig anderes Objektiv, und es ist ganz in Ordnung. Der Schriftzug befindet sich außerhalb des Filterrings."

Umbauarbeiten

Für den Rundgang auf der D4 muss der Blendenring des 3,5/43-86 mm Nikkors demontiert und mit der Feile so bearbeitet werden, dass der richtige Anschlag für den Blendenmitnehmer der D4 und andere Nikons auch die richtige Position hat! 

Operation gelungen, Patient lebt! OK die "Operation" ist vom Aussehen eher - Pardon für sie militärische Ausdrucksweise - Feldlazarett, aber es funktioniert alles wie es soll. Geopfert, verzichtet habe ich auf die Nikon Gabel, dann hätte ich weniger Material wegnehmen müssen. Ich muss mir unbedingt mal einen professionellen Feilensatz besorgen!

Ich bin mir nicht sicher, aber mit einer professionellen Fräse kann Nikon oder eine entsprechende Fachwerkstatt die Blendenringe heute so umbauen, dass man von dem Eingriff so gut wie nichts sieht... Aber ich will das erste 43-86 mm ja nicht sammeln (ja auch ;-), aber noch ein paar Bilder damit aufnehmen.

Dieses Zoom ist intensiv genutzt worden! Was man am Bajonett und besonders an dem Hebel sieht, auf den das entsprechende Gegenstück der jeweiligen Nikon "haut", um die Blende auf den am Ring eingestellten Wert zu schließen. Und dieser Hebel hat viel "Haue" bekommen! Mit dem "schlechtesten Objektiv, das Nikon je gebaut hat" muss über Jahre intensiv fotografiert worden sein!

Hat Ken Rockwell Recht, ist das erste 43-86 mm Nikkor wirklich so schlecht?

Ja, die erste Version ist schlecht! 

Diese unübersehbare und störende Verzeichnung bekam der Analogfotograf auf den Film ...

Ob die Farbsäume auf Film erkennbar waren, ist die Frage. Also kein Objektiv, um damit architekturartige Szenen abzulichten. Erstmals bei einem Objektiv ist damit auch die KünstlicheIntelligenz – KI – einer Kamera offensichtlich überfordert. Der D4 war trotz Eingabe des 43-86 mm Zooms in die Datenbank und Auswahl des Zooms die deutliche Verzeichnung nicht bekannt und konnte so nicht selbstständig herausgerechnet werden.

Interessant ist auch, dass zumindest mein Exemplar bei längster Brennweite 86 mm schärfer abbildet, als bei Anfangsbrennweite. Bei 43 mm sollte man idealerweise mindestens f/8 wenn nicht f/11 wählen. Wobei auch mit Blende f/8 oder f/11 keine Spitzenschärfe zu bekommen ist. 86 mm sind ab f/5,6 brauchbar.

Zur Ehrenrettung: Smørrebrød ;-)

Ich kann nicht mit Bestimmtheit sagen, mit welcher Version des 43-86 mm Nikkors die drei Einzelbilder dieser Montage aufgenommen wurden. Ich vermute, dass es wohl doch die überarbeitete Version war. Es war in den 1980er Jahren in Helsingör auf dem Weg nach Schweden über die Fährverbindung Helsingör (Dänemark)/Helsingborg (Schweden). Vielleicht manchmal gut, weniger über die Abbildungleitung eines Objektivs nachzudenken, als besser damit auf Motivjagd zu gehen …

Übrigens: Digitalisiert wurden die drei Dias mit der hier beschriebenen schnellen und komfortablen Methode!

Digital macht's möglich!

Bewusst wurde zur Demonstration beim linken Foto die Option "Zuschnitt beschränken" nicht aktiviert. Daher die kissenförmige Abbildung. Bei Beschnitt verliert man also ein paar Pixel. Aktiviert wurde bei beiden Brennweiteneinstellungen "Chromatische Aberration (Farbsäume) entfernen"! So ausprobiert, gibt es auf jeden Fall noch einen ausgiebigen Rundgang mit dem 3,5/43-86 mm Nikkor auf der Nikon D4! 27 Euro inkl. Porto hatte ich für das Zoom gegeben.

Eine andere Version, ein deutlich besseres Exemplar des 3,5/43-86 mm!

Dass die späteren Versionen des 3,5/43-86 mm Nikkors unproblematisch sind, kann unter anderem in einem 2013 für die Photoscala geschriebenen Beitrag "Alte Objektive und neue Kameras" nachgelesen werden. Dort hatte ich geschrieben:

"Mit einem „Flaschenboden“ – so die despektierliche Bezeichnung für vermeintlich schlechte Objektive – will doch keiner fotografieren." (...) Und: Wäre da nicht diese eine Sache: „Es gibt (fast) kein Objektiv, das diesem oder jenem Sensor gerecht wird …“ – "Diese Behauptung – allzu oft gebetsmühlenartig wiederholt – wird von den Zweiflern allzu selten auf ihren Wahrheitsgehalt hin untersucht. Dabei genügt für den Test ein einfacher Rundgang mit Kamera und Objektiv, und das haben wir einfach mal gemacht." Dazu wurde unter anderem das 3,5/43-86 mm Nikkor in einer späteren Version auf die 36 Megapixel Nikon D800 montiert. Hier liegt das Foto in voller 36 MP Auflösung. Es wurde seinerzeit im JPEG-Format gespeichert. Aslo ohne besondere Nachbearbeitung, out-of-the-cam …

Hier noch ein paar Fotos, aufgenommen mit dem schlechtesten Nikkor auf der 16 MP Vollformat Nikon D4

Unter Verwendung des Nikon *.NEF Rohdatenformats mit Entwicklung durch Adobe Lightroom lässt sich aus dem "schlechtesten" Zoom ein brauchbares Objektiv zaubern …

Der Urahn des 3,5/43-86 mm Zoom Nikkors in Zweiring-Ausführung

Gerne hätte ich mit der Nikkorex Zoom 35 eine Fotorunde gedreht. Leider ist diese von Mamiya im Auftrag von Nikon gebaute Nikkorex defekt. So bleibt die Kamera nur ein nettes Belegexemplar.

Ralf Jannke, Frühsommer/Sommer 2020

 

Kommentare (2)

  • Christian Zahn
    Christian Zahn
    am 12.07.2020
    Wenn es tröstet: Ich habe schon schlimmere Umbauten von non-Ai auf Ai gesehen. Einmal ist mir ein Objektiv begegnet, das wurde mit Dremel im zusammengebautem Zustand vermutlich freihand bearbeitet. Die Frässpuren ließen sogar erkennen, bei welcher Blendenstellung der "Bastler" loslegte und mehrfach abrutschte. Wo der Frässtaub wohl überall hingelangt ist...

    Wie man es als Heimwerker ohne Gefahr für das Objektiv macht, zeigt Christoph Breitkopf auf
    http://www.chr-breitkopf.de/photo/aiconv.html
    Wobei er m.M.n. zu wenig auf das Schraubenlösen eingeht. Die japanischen Kreuzschlitzschrauben können hartnäckig festsitzen und allzu leicht mit falschem Werkzeug so beschädigt werden, daß sie praktisch unlösbar werden.
    • Ralf Jannke
      Ralf Jannke
      am 12.07.2020
      "Wobei Christian Breitkopf m.M.n. zu wenig auf das Schraubenlösen eingeht. Die japanischen Kreuzschlitzschrauben können hartnäckig festsitzen und allzu leicht mit falschem Werkzeug so beschädigt werden, daß sie praktisch unlösbar werden."
      Dazu habe ich noch einen Tip. Die festsitzenden Schrauben vorsichtig so mit Aceton beträufeln, dass die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass das Aceton durch die Kapillarwirkung in den noch so winzigen Spalt zwischen Schrauben- und Bohrungsgewinde einziehen kann. Wenn es nicht völlig "verbacken" ist … Um dann mit einem sauberen Lötkolben, genauer mit der im Idealfall konischen Spitze des Kolbens die Schraube zu erhitzen. Hört sich vollkommen unlogisch an, denn dabei müsste sich der Physik nach die Schraube ausdehnen und noch fester sitzen, hat bei mir in Einzelfällen aber schon funktioniert.

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