Belederung…

… muss ja irgendwie etwas mit Leder zu tun haben. Gemeint ist der Überzug größerer Flächen aus Metall oder Kunststoff auf Kameragehäusen mit Leder, um die Kamera schöner (?) aber vor allen Dingen griffiger zu machen.

Während „Fotografierverhinderungstaschen“ – Pardon Bereitschaftstaschen - und größere Fototaschen bis in die 1970er-Jahre tatsächlich aus Leder waren, dürfte die „Belederung“ von Kameras allenfalls in den Anfangszeiten der Fotografie tatsächlich aus Leder gewesen sein.

Oder widerwärtige Kamera-Sondereditionen mit dem Leder/der Haut geschützter Tiere überzogen, wenn es nicht – hoffentlich – Imitationen sind…

PVC

Schnell griff man zum 1835 erstmals entdeckten und ab 1928 in den USA und 1930 (BASF) in großen Mengen PVC – PolyVinylChlorid. 1935 gelang in Bitterfeld die Herstellung von Weich-PVC für Folien und Rohre (Schläuche). Und entsprechend modifizierte „Folien“ landeten schließlich als „Belederung“ auf Kameragehäusen. Nachteil des Weich-PVCs: Über die Zeit verflüchtigt sich der Weichmacher, das PVC wird hart und spröde. Was ich bei der Reparatur der Messsucherkamera Petri 2.8 merkte, wo die Belederung nicht mehr abzuziehen war, sondern in harte Stücke zerbröselte. Die dann nackten Metallflächen wurden später einfach mit schwarzem Gewebeband überklebt… 

TPU

Im Lauf der etwa 1980er Jahre wechselten die Kamerahersteller von PVC zu TPU – ThermoplastischesPolyUrethan. 

Als Kunststoffschmelze in einer entsprechenden Spritzgussmaschine in fast jede Form spritzbar, oder als Kunststofffolie ("Film") in fast beliebiger Breite/Stärke produzierbar. Das weichmacherfreie TPU verliert seine Geschmeidigkeit nicht und kann in der Härte von hart bis gewünscht elastisch hergestellt werden können. Die harten Schuhe von Inline-Skatern sind wie Skischuhe aus TPU. Auch die weichen, elastischen Rollen sind aus TPU! 

Bei soviel Vorteilen keine Nachteile?

Abgesehen von den höheren Kosten gegenüber PVC beginnt billig „in der Garage“ zusammengerührtes TPU durch Wasseraufnahme zu quellen und sich mit der Zeit zu zersetzen. Ergebnis sind die besonders bei Nikon (D)SLRs nicht mehr passenden und dann fast von selbst abfallenden Gehäuseschalen. Während die Canon EOS 1D/1Ds von 2001/2002 noch eine einwandfreie Oberfläche aufweisen, wackelt auf der Nikon D1/D1X aus dem ähnlichen Zeitraum die Belederung, bzw. ist gleich ganz abgefallen… Am schlimmsten ist es mir auf der 2012 vorgestellten Nikon D800 aufgefallen. Vorm Verkauf war eine Gehäuseschale so aufgequollen, dass sie nur noch an wenigen Punkten hielt und einem die Kamera fast aus der Hand fiel… Oder ein zweites Beispiel für Nikons falsche - zu billige(?) - Materialwahl. Während die Gummi-(TPU-)Ringe des 2,8/70-700 mm USM L Canon-Zooms von Kauf- bis Verkaufstag über mehrere Jahre völlig intakt waren, habe ich den ausgelutschten Zoomring des 2,8/70-200 VR Nikkors nach gleicher Gebrauchsdauer einfach abgezogen, kurzerhand mehrere Segmente rausgeschnitten und den Rest wieder befestigt... Ich war nicht bereit, dafür einen einzigen Euro an Werkstattkosten auszugeben!

Zu diesem TPU-Quellen gesellt sich eine noch ekelhaftere Unart – KLEBEN.

Entsprechend versifft sehen die Kameras dann auch aus. Da nützt kein Abpusten oder Abwischen. Die Fussel des Lappens gesellen sich einfach zum bereits auf der Oberfläche gesammelten Dreck dazu. Ohne Auswechseln der Teile einzige Abhilfe ist der (vorsichtige!) Einsatz von Talkum-Puder. Der dann aber von Zeit zu Zeit wiederholt werden muss. Sieht nicht unbedingt schön aus, reduziert das Kleben aber fast auf Null.

Ohne Talkum, bzw. bei gequollenen Gehäuseabdeckungen kommt man aufs Entfernen/Auswechseln der Abdeckungen nicht rum. Problem: Es gibt nur für wenige Kamera-Modelle fertige Ersatz-Abdeckungen, die aber nicht billig sind.

TPU-Kleben, Zersetzen bis zum Bröckeln/"Mäusefraß"

Es bleibt natürlich immer ein Provisorium, war/ist mir (in der Zukunft) immer einen Versuch wert: Einsatz von Moosgummi-Folie

Aus dieser Richtung kam die Idee, statt schwarzem Gewebeklebeband etwas Anderes zu versuchen. Und da fiel die Wahl auf mit Klebfolie beschichtetes Moosgummi, das es auf Rollen in 1, 2 und 3 mm Dicke und Breiten von 5 bis 50 mm gibt. Oben abgebildet 50 mm Breite, 2 mm Stärke.

Damit wurde die kahle Stelle des Speicherkartendeckels der abgebildeten Nikon D1X beklebt. Wobei ich mir da keine sonderliche Mühe gegeben habe, das könnte man noch besser machen. Wieweit das flexible Moosgumi der Form folgt, könnte man an der Kodak DCS Pro 14n testen, wo sich das bröckende TPU regelrecht als Mäusefraß darstellt. Da dort nichts wirklich klebt, lasse ich es. Es bleibt jedem/jeder RestarauteurIn selbst überlassen. 

Zum Thema „versiffte“ Kamera gibt es auch den Beitrag: „KAMERA REINIGEN - ACHTUNG: SCHOCKIERENDE BZW. EKLIGE BILDER! ©Andreas Krappweis

Was das höflich formulierte Thema "Patina" angeht, bin ich da weitgehend schmerzfrei. Die Kamera muss laufen. Das hat Vorrang! OK, bei klebrigen Oberflächen muss man etwas machen.

Die Eingabe des Begriffs „Belederung“ in die Suchmaschine zeigt reichlich Links zum Thema.

Unsere Leserin/Kommentarorin Regina Nourney hat noch folgendes beigesteuert: 

Die Belederungen alter Nikon-Gehäuse kann man mit Auto-Klarlack (es sollte ein guter Hersteller sein) versiegeln. Wichtig dabei ist, dass die Beschädigungen auf der Oberfläche möglichst gering sind, um die Optik zu bewahren. Wir haben mit dieser Methode bereits viele Objektive und Gehäuse von Nikon (geht auch bei alten Sigma-Linsen) wieder gebrauchstauglich gemacht. Das funktioniert natürlich nur, wenn die Gehäuseabdeckungen noch nicht unüberseh- und fühlbar gequollen sind, und nicht mehr passen!

Ob ich mit Hilfe des Moosgummis Hand an diese Nikon D300 lege, werde ich später entscheiden. Der Set Ersatzgriffschalen für die Nikon D300 kostet ca. 15 Euro.

Ralf Jannke, Frühjahr/Sommer 2020

Weitere Ideen, Vorschläge Tipps werden gerne entgegengenommen!

 

Kommentare (0)

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben