Highspeed-Battle superlichtstarker Normalobjektive

Wie definiert sich "Superlichtstärke"?

Salopp alles was lichtstärker als f/2 f/1,8 f/1,7 ist. Zumindest historisch gesehen. Christian Zahn und ich haben hier diverse Normalobjektive durchprobiert. Viele Jahre, ach Jahrzehnte war das 50 mm Normalobjektiv beim Kauf einer Spiegelreflexkamera obligatorisch. Um es preiswert zu halten, üblicherweise in Lichtstärken im Bereich f/1,7 bis f/2. Gelegentlich auch noch billiger mit nur Lichtstärke f/2,8. Wer mehr wollte, musste für die gewöhnlich f/1,4 lichtstarken Normalobjektive erheblich tiefer in die Tasche greifen.

Und danach? Noch schneller, noch lichtstärker!

Ultra-Lichtstärke historisch

Im Beitrag: "Faszination Superlichtstärke" schon mal erzählt und vorgestellt, jetzt ein neuer Anlauf. Geboren aus einem "Graukarten-grauen" Wochenende, wo es eigentlich nichts zu Fotografieren gab :-(

Gerne zitiere ich jetzt noch einmal aus dem eigenen Artikel:

Uneinholbar an der Spitze würde das 0,33/40 mm Carl Zeiss Super-Q-Gigantar liegen. Würde? Ja, denn das „Q“ in der Objektivbezeichnung soll für deutsch „Quatsch“ stehen. Das "Gigantar" wurde aus vorhandenen Objetivteilen und einer unübersehbaren riesigen Frontlinse zusammengebastelt, die als Kondensorlinse aus einem Vergrößerer stammt. Das Objektiv ist ein reiner Fake, ein Dummy, der technisch gar nicht funktionierte. Das Zeiss Gigantar diente auf der Photokina 1966 als Blickfang ;-)

Kein Quatsch war das für die NASA entwickelte Carl Zeiss 0,7/50 mm Planar

1966 für Fotos von der erdabgewandten, dunkleren Seite der Mondoberfläche vorgesehen, benutzte auch Fotograf und Kult-Filmemacher Stanley Kubrick (2001: Odyssee im Weltraum) das Objektiv für seinen Film Barry Lyndon. Weil Kubrick darauf bestand bestimmte Szenen ausschließlich bei Kerzenlicht zu drehen. Für eine heutige Digitalkamera ein Klacks, 1975 eine Riesenherausforderung. Zehn 0,7/50 mm Planare sollen gebaut worden sein. Ein Exemplar hat Zeiss behalten, sechs wurden an die NASA verkauft und die restlichen drei an Stanley Kubrick.

Jetzt berichtete die schwedische Fotoseite „Fotosidan“, dass der Produzent Stanley Kubricks Zeiss Planar 50 mm f/0,7 aus dem Film Barry Lyndon dem Zeiss Museum übergeben hat. Im schwedischen Beitrag ein Youtube-Link auf Barry Lyndons (1975) – Infamous Candle Scene. Die berühmte, oder auch berühmt-berüchtigte Kerzenszene. Adlige beim Glücksspiel, beleuchtet von nur drei Kerzenleuchtern. Alles je nach Sichtweise sehr weich, soft, duftig, unscharf. Und doch der Beweis, das knackige Schärfe bis in die Ecken nicht immer den wahren Sinn von Fotografie und Filmerei ausmacht! Die Schärfentiefe des Zeiss Planars ist bei maximaler Blendenöffnung von ƒ/0,7 äußerst gering. In einem Abstand von 2 m zum Objekt ist dieser Bereich rechnerisch lediglich 7,95 cm groß. Die Darsteller mussten daher sehr genau darauf achten, sich nicht zu schnell zu bewegen, damit Kameramann John Alcott sie nicht aus dem Fokus verlor. Für seine Arbeit an Barry Lyndon wurde John Alcott 1976 mit dem Oscar für die beste Kamera ausgezeichnet. Das 0,7/50 mm Zeiss zeichnet jedoch nur das halbe Kleinbildformat aus: 18 x 24 mm. Was dann genau dem Format der Einzelbilder des 35 mm Filmformats für bewegte Bilder entspricht. Nüchterne Abmessungen und Gewichtsangaben (Durchmesser der Frontlinse 76 mm, Gewicht 1,85 kg) können kaum das verdeutlichen, als Stanley Kubricks Tochter Vivian das 0,7/50 mm Zeiss Planar ihres Vaters auspackte, um es einem Besucher zu zeigen! Leider existiert das Youtube-Filmchen nicht mehr :-( Dafür zeigt die "Fotosidan" ein Foto, das die Dimensionen verdeutlicht!

Jetzt etwas realistischer

Was ich an "Highspeed"-Normalobjektive habe, ist oben abgebildet. Das MINOLTA AUTO ROKKOR-1:1.4 f=58mm von 1961 und das Nikon NIKKOR 55mm 1:1.2 von 1977-78.

Um die Geschichte zu vervollständigen – ohne Ansprich auf Komplettheit –, müssen das von 1976 bis 2008 gebaute Leitz Noctilux-M 50 mm f/1, sein Nachfolger Noctilux-M 50 mm f/0.95 ASPH (ab 2008), die für die Canon Messsucherkameras gebaute CANON LENS 50mm 1:0.95 und das Canon EF50mm f/1.0L USM von 1989 genannt werden. Die momentane Spitze markiert das nur manuell zu fokussierende Nikon Nikkor Z 58mm f/0,95 Noct für die spiegellosen Z-Nikons für die Kleinigkeit von rund 8500 Euro.

Das "Noct" steht für "Nocturne", eigentlich eine im Barock entstandene Musikform. Übersetzt man Nocturne oder Notturno, ist man bei "Nacht werdend“, "nächtlich“. Übertragen auf ein Objektiv, muss dieses besonders für Fotografie mit (ganz) wenig Licht, eben nächtlich geeignet sein. Das erste 1,2/58 mm Noct Nikkor mit F-Bajonett wurde also speziell für Nachtaufnahmen gebaut. Aus demselben Grund wählte auch Leitz für seine ultralichtstarken Normalobjektive die Bezeichnung "Noctilux". Erreicht wurde die Qualität durch eine asphärisch geformte Oberfläche des ersten Linsenelements. Ich vermute, dass damit die Frontlinse gemeint war. Diese Oberfläche konnte damals nur durch erfahrene Polier-Techniker von Hand geschaffen werden. Was die Kosten für das Objektiv immens in die Höhe trieb! Die speziell geformte asphärische Oberfläche sorgt dafür, dass Lichtquellen vor dunklem Hintergrund sauber abgegrenzt bleiben. Heute werden Linsen mit asphärisch geformten Oberflächen preisgünstig gepresst! Alles über das Noct-Nikkor ist unter "NIKKOR - The Thousand and One Nights No.13" nachzulesen!

Das alte Noct Nikkor soll immer noch eins der begehrtesten Objektive sein, die Nikon je gebaut hat. Die Gebrauchtpreise beginnen bei 3000 Euro, um 5000 Euro locker zu überschreiten. Die ausgerufenen Summen erweisen sich überwiegend als "Mondpreise", wenn man mal nachschaut, wieviel Exemplare zu welchen Preisen tatsächlich verkauft wurden … Wenn ich nicht sammeln und nur in einer Vitrine ausstellen, sondern fotografieren will, bin ich mit dem modernen Nikon Nikkor Z 50mm f/1,2 S Nikon Z für 2350 Euro ganz sicher sinnvoller versorgt.

Weitere Quellen zum F-Bajonett 58 mm Noct Nikkor

Zurück zum "normalen" 1,2/55 mm Nikkor

Der niederländische Nikon-Experte Nico van Dijk hat auf seiner sehenswerten Seite dem superlichtstarken 1,2/55 mm Nikkor ein eigenes Kapitel "Nico's special interest is the legendary fast standard SLR Lens Nikkor 1,2/55mm" gewidmet. „Über 12,5 Jahre produzierte Nikon 172.250 Exemplare des 1,2/55 mm Nikkors. Übertroffen wurde das noch vom Nachfolger 1,2/50 mm, von dem über 230.000 Objektive gebaut wurden.“ Mein Exemplar ist lt. Seriennummer die Version 6 aus den Produktionsjahren, die 1978 endeten.

Wer ist besser, das 1,2/55 mm oder der Nachfolger 1,2/50 mm Nikkor

Zwei Stimmen aus irgendwelchen Foren:

  • Ich habe beide verwendet und kann sagen, dass das 1,2/50 mm für mich schärfer war und weniger verzeichnet. Das 1,2/55 mm ist einigermaßen scharf, produziert aber ein schöneres Bokeh.
  • Ich habe beide Objektive. Das 55er ist in der Mitte bei 1,2 viel schärfer, der 50er ist insgesamt schärfer bei 1,2. Das 50er überstrahlt bei hellen Oberflächen stärker. Bis Blende 4 sind die Formatecken beim 55er recht weich, während das 50er bei f/2,8 über das ganze Bildfeld beeindruckend scharf ist. Beide Objektive sind bei f/5,6 sehr scharf. Bei wenig Licht bevorzuge ich das 55 mm gegenüber dem 50 mm. Es hat das schönere Bokeh. Leider ist es sehr anfällig für Licht, wenn viele Lichtquellen in der Nähe sind …

Nun ja, virtuelles Papier ist geduldig ;-)

Keine Frage, dass von dieser Lichtstärke f/1,2 eine Faszination ausgeht. Diese Lichtstärke ist auch das Maximum, was das alte Nikon F-Bajonett hergibt. Zur Canon EOS gab/gibt es ein 1.0/50 mm und 1,2/85 mm. Diese Kombinationen waren Nikon mit dem alten Bajonett verschlossen. Die Faszination f/1,2 ließ sich in meinem Fall mit Größenordnung 250 Euro fürs 1,2/55 mm Nikkor befriedigen. Wobei man da etwas Geduld aufbringen muss.

Mehr Licht …

Nicht die Mühe gemacht habe ich mir bei der Suche und Aufzählung diverser und bezahlbarer China-Linsen, die Lichtstärken zwischen f/1,1 bis runter von 1/0,85 bieten. Dazu gehört auch die oben gezeigte Spezialität, wo der niederländische Nikon-Experte und Fotograf Nico van Dijk ein wirklich ultralichtstarkes RAYXAR E50/0,75 für Röntgenaufnahmen auf die Halbformt Nikon D1 adaptiert hat. Das Objektiv zeichnet auch nur die 15 x 23 mm Sensorfläche des digitalen Halbformats aus und lässt sich mangels fehlender Blende auch nicht abblenden … Verglichen mit diesen Objektiven bieten meine beiden Alt-Linsen nicht wirklich Ultra-Lichtstärke und Premium-Abbildungsqualität, sind aber vorhanden! Und zum Rumliegen viel zu schade.

Druch das Foto-Un-Wetter habe ich mit dem Minolta und dem Nikkor einfach mal die Lampe im Wohnzimmer abegelichtet, um zu sehen, ob man überhaupt Unterschiede sieht. Ich meine ja. Fotografiert wurde mit der 16 MP Halbformat Fuji X-E1, Speicherformat Fuji RAF/RAW. Mit ISO 200 vom Stativ aus. Fokussiert wurde mit Hilfe der Einstellung "STANDARD/MAX GLANZLICHT FOKUS HOCH" und Suchervergrößerung.

Entwickelt wurde mit Adobe Lightroom, die Schärfung bewusst auf Null gestellt!

Hier die erste Anordnung der Vergleichsreihe

Was ist was?

  • Untere Reihe das Nikon NIKKOR 55mm 1:1.2 bei von links nach rechts: Blende f/1,2 f/1,4 f/2 f/2,8
  • Obere Reihe das MINOLTA AUTO ROKKOR-PF 1:1.4 f=58mm von links nach rechts: Blende –/leer f/1,4 f/2 f/2,8

Und noch einmal: Direkter Vergleich

Und jetzt?

Nur mit der Nikon Fanboy-Brille auf der Nase könnte/wollte/glaubte ich einen winzigen Vorsprung fürs Nikkor zu erkennen ;-) Aber darauf wetten würde ich nicht! Sie dürfen gerne anderer Meinung sein! Im Zweifel hat das Nikkor noch den winzigen Vorsprung an Lichtstärke. Und was schrieb "artaphot"zum Minolta: "Das 1.4/58 mm wurde in vier verschiedenen Versionen geliefert. Während die ersten drei (SR-I, SR-II und MC-I) bezüglich Abbildungsleistung einen eher durchzogenen Ruf haben, ist die letzte MC-II-Version von 1969 optisch deutlich besser und praktisch auf dem Level der späteren 1.4/50 mm." Aaah-Ja würde Loriot wohl sagen …

Eine kleine Spielerei mit dem 58 mm Minolta bei Offenblende

Frei nach Nina Hagen: "Alles so schön bunt hier" ;-) Beim Rumspielen mit dem 58er bot sich im Sucher dieser Anblick. Wir haben da so eine total krumme Zwergkiefer hnter der Terrasse zum kleinen Garten. Der haben wir vor Ewigkeiten eine bunte LED-Kirmeskette verpasst, deren Akkus tagsüber per Solar geladen werden. Die, besser die Beleuchtung sollte für einen kleinen Test herhalten. Um dann beim Blick durch den Sucher mit dem Objektiv in Unendlichstellung und Offenblende und leicht abgeblendet diese unterschiedlich großen bunten Scheiben zu erblicken. Zwei Fotos einfach übereinandergelegt …

"Kunscht"? ;-) 6 Megapixel

Das ist jetzt KEIN 1:1 Vergleich, denn ich hatte keine Lust auf Stativaufbau! Links: Nikon NIKKOR 55mm 1:1.2 Offenblende, rechts Minolta AUTO ROKKOR-PF 1:1.4 f=58mm Offenblende – es hatte angefangen zu regnen … 

Schärfentiefe gegen Null! Mit Blende f/1,2 oder f/1,4 werden Mülltonnen, Fahrradsattelabdeckung und Speichenreflektor zur "Kunst". Für mich als Nikon-Fan ist die Nikkor-Abbildung etwas gefälliger ;-) Beide Objektive auf der 16 MP Halbformat Fuji X-E1 mit Kleinbild-äquivalenten 83 mm bzw. 87 mm Brennweite.

In diese Richtung sollen weitere Experimente gehen. Einen habe ich jetzt noch:

Die Traumszene im Garten, aufgenommen mit Offenblende mit der links gezeigten Adaption!

Um meine beiden hochlichtstarken Normalobjektive werde ich mich in der dunklen Jahreszeit um die Weihnachtsfeiertage und "zwischen den Jahren" noch intensiver kümmern. Fotografieren mit Offenblende, denn dazu hat man diese Objektive ja schließlich! Beim Fotografieren mit Blende 5,8 - 11 kann ich gleich zum Zoom greifen ;-) Die beiden Highspeed-Objektive werden selbstverständlich auch noch/wieder auf die 24 MP Vollformat Nikon Z6 und die 16 MP mFT Olympus OM-D E-M5 adaptiert. Beide Kameras mit dem Vorteil stabilisierter Sensoren. Als superlichtstarke Normalobjektive bekomme ich im microFourThirds-Format KB-äquivalente, ultralichtstarke 1,2/110 mm und 1,4/116 mm Teles!

Ralf Jannke, Herbst 2022

PS.: 50 Euro hat das wunderbare 58 mm Minolta gekostet …

 

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