Leica M8 Praxisbericht von Christian Zahn

Hier stelle ich eine Leica-Meßsucher-Digitalkamera vor. Sie weist im Vergleich zu den meisten anderen Digitalkameras etliche Besonderheiten auf.

​​​​​​​Spezifikationen

  • Die 2006 vorgestellte Leica M8 ist 139 x 80 x 37 mm groß und wiegt 545 Gramm.
  • Der CCD-Sensor mit 28,7 x 19,1 mm löst maximal 3936 x 2630 Pixel  = 10,3 Megapixel auf. Der Cropfaktor beträgt ca. 1,33 gegenüber Kleinbild-Vollformat. Der Pixelpitch beträgt 7,3µm. Manuell oder automatisch können 160 bis 2560 ASA eingestellt werden. Videos sind nicht möglich. Bilder werden als JPEG oder DNG (RAW) auf SD/SDHC-Karten (max. 2 bzw 32 GB) gespeichert.
  • Das Objektivbajonett ist das Leica-M-Bajonett mit opto-elektrischer Objektiv-Erkennung.
  • Das Motiv wird über einen Mischbild-Entfernungsmeß-Sucher mit Bildfeldrahmen inkl. automatischem Parallaxausgleich angezeigt. Zusätzlich ist ein abschaltbarer 2,5“ TFT LCD Monitor mit 230.000 Subpixeln vorhanden, der die Menüsteuerung übernimmt und das aufgenommene Bild automatisch oder auf Wunsch. Live-View ist nicht möglich. Außerdem ist ein kleines SW-LCD-Statusdisplay für Restbildanzeige und Akkustatus vorhanden.
  • Entfernungseinstellung manuell mit Mischbild-Entfernungsmeß-Sucher
  • Belichtungssteuerung durch Zeitautomatik oder manuellen Modus, stark mittenbetonte Selektivmessung. Belichtungszeiten 32s bis 1/8000 sek., Selbstauslöser mit 10 s Vorlaufzeit
  • Kein im Gehäuse integrierter Blitz, Norm-Blitzschuh mit TTL-Zusatzkontakten
  • Weißabgleich automatisch oder manuell
  • keine Bildstabilisierung
  • Energieversorgung durch Lithium-Ionen-Akku

Besonderheiten

Die Leica M8 wurde von Leica entwickelt und gebaut, nicht wie die zuvor erschienen digitalen Kompaktkameras, die lediglich umgelabelte Fujifilm bzw. Panasonic - Kompaktkameras waren.

Die Kamera benötigt einen speziellen Lithium-Akku, der auch in den Nachfolgerkameras M8.2 und M9 verwendet wird. Zum Wechsel von Akku und Speicherkarte muß die Kamera-Bodenplatte wie bei einer filmbasierten Leica-M abgenommen werden. Diese Platte kann gegen eine mit einem verbesserten Handgriff getauscht werden (der Zusatzgriff mußte extra gekauft werden).

Die Kamera speichert entweder JPEGs oder RAW-Aufnahmen im Adobe DNG-Format, letztere allerdings nur in 8-Bit Farbtiefe (mittels inoffiziellem Trick über das normalerweise nicht zugängliche Servicemenü war es möglich, 16-Bit-RAWs zu speichern. Der Trick muß nach jedem Kamera-Einschalten erneut ausgeführt werden.) Ein Lizenz für Adobe RAW-Konverter Lightroom lag der M8 bei.

„Leica“ bedeutet „LEItz CAmera“ und bezieht sich auf die erste Kamera des Mikroskopherstellers Leitz in Wetzlar.

Leitz/Leica hat in den 1920er Jahren das Kleinbildformat „erfunden“, und die „Ur-Leica“ mit fest angebautem 50mm-Objektiv sowie die später erschienen „Schraubleicas“ mit Wechselobjektiven und M39-Gewinde gebaut. 1954 kam dann die erste Meßsucher-Leitz-Kamera mit Bajonett, die M3, die 2006 als M8 mit 10-Megapixel-Sensor den Sprung in die digitale Welt schaffte.

Der M8 hat keinen eingebauten Blitz. Es gibt aber einen Norm-Blitzschuh mit TTL-Zusatzkontakten. Die Blitzbelichtungsmessung erfolgt mittels Vorblitz. Sie wurde „GNC“ genannt, was „Guide Number Control“ heißt. Die Kamera läßt den Blitz einen schwachen Vorblitz abgeben und ermittelt daraus eine für die Belichtung notwendige Blitzleitzahl, die sie dem Blitz mitteilt und dieser dann selbsttätig abgibt. Entsprechende Blitze wurden von Metz (Link auf Metz-Geschichte) gebaut, teilweise wurden Metz-Systemblitze mit entsprechendem TTL-Fuß von Leica direkt mit Leica-Logo vertrieben.

Als Speichermedium dienen SD-Karten. Mit der ersten Firmware wurden nur Karten bis 2 GB unterstützt, spätere Firmware-Versionen ermöglichen die Benutzung von SDHC-Karten bis 32 GB, allerdings ist die Kamera bei SDHC recht wählerisch und unterstützt nur Karten, die den SDHC-Spezifikationen genauestens entsprechen. Es kann sein, daß die Kamera vor allem bei Aufnahme von Serienbildern oder von in schneller Folge gemachten Einzel-Aufnahmen beim Schreiben auf nicht ganz konforme SDHC-Karten abstürzt, dann muß kurz der Akku entnommen werden, um die M8 zu „resetten“. Die zuvor gemachten Aufnahmen, die beim Absturz nicht mehr geschrieben werden konnten, sind dann natürlich verloren.

Für die Schnittstellen gibt es kein gerne verlorenes Spezialkabel, die Mini-USB-Buchse entspricht dem Standard.

Die Kamera ist recht langsam, der verbaute Prozessor ist nicht allzuschnell, so dauert das Abspeichern der Bilder auf die SD-Karte recht lange.

Das Display sollte möglichst wenig eingeschaltet werden, seine Beleuchtung „saugt“ den Akku recht schnell leer. Das Display ist durch eine Schutzscheibe vor mechanischen Beschädigungen geschützt. Dieses Scheibe verkratzt jedoch leider selbst leicht und muß vom Anwender durch ein aufgeklebtes Schutzglas geschützt werden.

Zusätzlich ist ein kleines rundes SW-Statusdisplay auf der Kamera-Oberseite vorhanden, es zeigt den Akkuzustand und die Zahl der Aufnahmen, die noch auf die eingelegte Speicherkarte passen. Der Zähler zeigt maximal 999 Aufnahmen an.

Der Verschluss der M8 ist im Gegensatz zu den filmbasierten flüsterleisen Leicas recht laut. Diese hatten einen recht langsam vertikal ablaufenden Gummituch-Schlitzverschluß mit 1/50 Synchronzeit und kürzester Zeit von 1/1000s, die M8 einen horizontalen Metall-Lamellen-Schlitzverschluß.

Der Mischbild-Entfernung-Meß-Sucher reicht zur Bildgestaltung völlig aus, da passend zum angesetzten Objektiv Leucht-Bildfeldrahmen eingeblendet werden (diese sind bei Tageslicht über die opake Scheibe vorne beleuchtet) und die Rahmen automatisch zum Parallax-Ausgleich beim Fokussieren verschoben werden. Die Rahmen werden durch Ansetzen eines Leica-M-Objektivs automatisch umgeschaltet, alternativ kann über einen Handhebel auf die anderen Rahmen umgeschaltet werden (zur Abschätzung, welches Objektiv das Motiv bildfüllend abdecken wird). Die Rahmen sind für 24/35, 28/90 und 50/70 mm-Objektive ausgelegt, für Objektive mit kleineren Brennweite wird ein Aufsteck-Zusatzsucher benötigt. Ausnahme: 21mm-Objektive, bei denen das gesamte Sucherbildfeld als angenäherte Motivabschätzung benutzt werden kann.

Da immer zwei Bildfeldrahmen gleichzeitig eingeblendet werden, muß der Fotograf sich merken, welches Objektiv er benutzt und welcher der beiden Rahmen für sein Motiv gilt. Scharfgestellt wird, in dem das zentrale eingeblendete Mischbild deckungsgleich gestellt wird. Je nach falsch eingestellter Entfernung ist das Mischbild mehr oder weniger verschoben, es gibt also Doppelkonturen. Das Umfeld des Motivs ist immer im Bild, bei bewegten Motiven kann man also gut erkennen, was sich ins Bild bewegen wird.

Ich demonstriere das Ganze mit einem per EBV simulierten Suchereinblick

Im Sucher wird mittels dreistelliger roter LED-7-Segmentanzeige in der Zeitautomatik die gemessene Belichtungszeit angezeigt, ist sie beim Angedrückthalten des Suchers gespeichert, wird ein kleiner Dezimalpunkt zusätzlich eingeschaltet. Im manuellen Modus gibt es eine Lichtwaage. Außerdem ist ein Blitzsymbol vorhanden.

Längere Belichtungszeiten als 2 Sekunden werden im Sucher als Countdown signalisiert, man erkennt also, wie lange die Kamera noch belichten wird.

Die Belichtungsmessung erfolgt TTL durch das durch das Objektiv fallenden Lichts,welches von der weißen mittleren Verschlußlamelle reflektiert und mit im Kameraboden eingelassenen Meßzellen gemessen wird.

Dadurch entsteht eine recht selektive mittenbetonte Meßcharaktistik. Fotografen, die Matrixmessung oder mittenbetont integrale Belichtungsmessung gewohnt sind, haben öfter fehlbelichtete Aufnahmen. Wer zuvor bereits die Meßcharakteristik der analogen M-Leicas kannte, kommt sofort mit der M8 klar.

Aufgrund des Cropfaktors von etwa 1,33 verschiebt sich an der M8 der benutzte Bildwinkel der Objektive „um eine Stufe“ gegenüber dem KB-Vollformat. Aus einem 21-Objektiv wird ein KB-äquvalentes 28er-Objektiv, aus 24mm bzw. 28 in etwa ein 35er, aus einem 35er ein 50mm-Normalobjektiv, aus dem 50er ein leichtes 70er Tele, aus dem 70er ein 90er und aus dem 90er fast ein 135mm-Objektiv. Für Weitwinkel-Fans stellte Leica kurz nachdem Erscheinen der M8 erstmals ein 18mm-Objektiv vor, das die beliebte 24er-Äquivalenz bietet. Dieses Objektiv ist natürlich auch für Vollformat gerechnet!

Da Meßsucher-Kameras eigentlich für die Benutzung mit analogen Filmen entwickelt wurden, sind die Hinterlinsen insbesondere bei Weitwinkelobjektiven sehr nah vor dem Sensor und die Randstrahlen treffen recht schräg auf. Darum hat Leica die Mikrolinsen vor den einzelnen Pixeln nicht überall gleich angeordnet, sondern am Rand immer mehr ganz leicht gegenüber dem jeweiligen Pixel verschoben.

Außerdem ist der Sperrfilter vor dem Sensor sehr dünn, deswegen ist die Kamera für Infrarot ziemlich empfindlich. Bei der Aufnahme von schwarzen Kleidungsstücken, die einen goßen IR-Anteil abstrahlen, kann das sehr gut beobachtet werden: Kunstfaser-Pullover z. B. sind nicht wie erwartet schwarz, sondern haben einen deutlichen Magenta-Stich. Dieser Problem führte dazu, daß Leica jedem registrierten M8-Kunden auf Wunsch kostenlos zwei IR-Sperrfilter mit verschiedenen Filtergewindegrößen sandte und im Kameramenü ab Firmware 2.0 die Benutzung dieser Filter ein- und ausschaltbar machte (aufgrund der am Rand stärkeren Filterwirkung bei Weitwinkelobjektiven muß die Kamera das Vorhandensein des Filters wissen, um gegensteuern zu können).

Die erhöhte IR-Empfindlichkeit macht die M8 noch heute zu einem beliebten Aufnahmewerkzeug für reine Infrarotaufnahmen. Wie so etwas aussieht, kann man in meinem Bericht zur IR-Fotografie mit der Nikon D50 nachlesen. Oder hier.

Ich empfand die Farben der M8-Aufnahmen immer etwas merkwürdig, sie erschienen mir nicht realistisch, eher Kodachrome-artig in gedeckten Tönen mit der Neigung zu leicht falschfarbigem Himmelsblau.

Zur Bedienung gibt es neben dem großen Steuerkreuz (inkl. darum angeordnetem Drehrad) einige weitere Tasten.

Das Bajonett ist das seit 1954 unveränderte Leica-M-Bajonett. Da zwischen Kamera und Objektiv keinerlei elektrische Übertragung stattfindet, erkennt die M8 die angesetzten Objektive mit einem kleinen Trick: Alle seit 2006 gebauten Leica-M-Objektive haben einen 6-Bit-Code in der Objektivbajonett-Auflage, die die Kamera durch 6 kleine Reflexlichtschranken erkennt. Somit können insgesamt 63 verschiedene Objektive erkannt werden. Viele ältere Leica-Objektive können vom Werks-Service durch Austausch des Bajonett-Teils mit der Codierung versehen werden, was anfangs recht preiswert gemacht wurde, inzwischen kostet der Umbau Hunderte von Euros.

Die am Objektiv eingestellte Blende ermittelt die Kamera durch einen zweiten Trick: Sie vergleicht die TTL ermittelte Belichtungszeit mi der Umgebungs-Helligkeit, anhand der Differenz schätzt sie die Blende ab. Dabei muß beachtet werden, daß sich der Meßwinkel der Belichtungsmessung je nach angesetztem Objektiv ändert, der Meßßwinkel der Zusatz-Meßzelle jedoch immer gleich bleibt. Die abgeschätzt Blende trägt die Kamera in die Bild-EXIFs ein, sie liegt je nach Objektiv, Motiv und Umgebungshelligkeit bis zu +/- 1,5 Blenden „neben“ der wirklichen Blende. Bei späteren digitalen M-Kameras hat Leica diese Abschätzung teilweise weggelassen, weil sie ungenau ist.

Die Kamera war anfangs in Schwarz und Silber erhältlich, später gab es auch etliche Modelle in verschiedenen anderen Farben, z. B. Safarigrün oder Schneeweiß. Außerdem wurde etliche Sondermodelle mit teilweise extrem limitierten Stückzahlen gefertigt, um den Leica-Sammlermarkt bedienen zu können.

2008 erschien der Nachfolger M8.2, der in Details verbessert wurde: Der Verschluss ist leiser, hat allerdings nur noch 1/4000 sek. als kürzeste Belichtungszeit und es ist ein kratzfestes Saphirglas vor dem Display montiert. Vom Leica-Service konnte die M8 auf die Verbesserungen der M8.2 kostenpflichtig umgebaut werden.

Der UVP der Leica M8 betrug 4200 Euro. Ich tauschte 2014 etliche Olympus-SLRs und OM-Objektive gegen ein fast unbenutztes M8-Exemplar ein. Damals hatte das Gehäuse einen Zeitwert von ca. 2000 Euro. 2016 tauschte ich die M8 gegen eine Replik der Leica-Nullserie ein (beide hatten damals ca. 1000 Euro Zeitwert).

Der heutige Gebrauchtpreis ist stark vom Zustand und Lieferumfang abhängig, Leica-Sammler erwarten eine Kamera in „Mint“, unbenutzt und in OVP nebst allem Zubehör. Kameras mit noch so geringen Gebrauchsspuren verlieren sofort an Wert.

Zu Einschätzung: Ende 2020 erreichte eine normal erhaltene (also benutzte) M8 einen üblichen Auktionspreis von ungefähr 1000 Euro. Deutlich abgenutzte Kameras gibt es durchaus noch billiger. Die M8 ist benutzt somit als Wertanlage unbrauchbar. Die „Sammlermodelle“ erzielen jedoch deutlich höhere Preise (teilweise gar über Neupreis), sofern sie unbenutzt in der OVP verkauft werden.

Beispielfotos

Alle Aufnahmen entstanden bei 160 ASA, gespeichert als DNG, gewandelt mit Adobe Camera RAW, bearbeitet mit Photoshop CS5 bzw. 6. Die Bilder wurden auf 1500 Pixel bikubisch verkleinert. Schärfe, Verzeichnung, Vignettierung, Gradationskurve usw. wurden bearbeitet. Belichtungszeiten- und Brennweiten-Angaben sowie das jeweils genutzte Objektiv sind in die Bilder als Text eingefügt.

Qualitäts- und sonstiger Eindruck

Das Gehäuse der Leica M8 ist größtenteils aus Metall. Lediglich die Schnittstellen-Klappe ist aus Kunststoff. Leica-typisch macht sie einen extrem wertigen und massiven Eindruck.

Die Kamera gehört zur Klasse der digitalen Meßsucher-Kameras.

Die geringen objektivseitigen vorhandenen Bildfehler wie Verzeichnung, chromatische Aberrationen und Vignettierung werden durch den Bildprozessor korrigiert, sofern es sich um codierte Leica-Objektive handelt.

Nach meinen Erfahrungen ist nur die native Sensorempfindlichkeit 160 ASA mit sehr guten Bildergebnissen verbunden, mehr als 640 ASA habe ich nie benutzt, darüber wurden mir die Bilder zu grobkörnig. Die interne JPG-Engine kann ich überhaupt nicht empfehlen, insbesondere bei mehr als 160 ASA sind die Bilder direkt aus der Kamera meiner Meinung nach erheblich schlechter als aus den DNGs am Computer gewandelten Aufnahmen.

Die Bildqualität der M8 ist heutzutage immer noch als gut zu bezeichnen, sofern man sich auf 160 ASA beschränkt und DNGs aufnimmt. 10 Megapixel reichen für viele Anwendungszwecke völlig aus.

Fazit: eine digitalkamerahistorisch interessante Kamera (weil erste digitale Leica Meßsucherkamera), heutzutage zum ernsthaften Bildermachen gut geeignet.

Christaian Zahn, Frühjahr 2021

Museum für alte Kameras sowie Fotogalerie:
http://www.ChrZahn.de
Dort auch Tipps zum Entwickeln von Farb- und SW-Dias

 

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