Ein echtes Horror-Zoom: Tokina AF 35-300mm F/4.5-6.7

Vollformat analog oder Vollformat digital?

Nach dem wenig begeisternden aber gemeisterten 10 Euro Flohmarkt-Zoom AUTO REVUENON MC ZOOM 1:4.0-5.6 f=28-200mm noch ein „Suppenzoom“ – Pardon Superzoom.

"Jugendsünde"

Das Tokina AF 35-300mm 1:4.5-6.7 habe ich in Analogzeiten einst selbst probiert und durch eine katastrophale Kleinigkeit in wenig guter Erinnerung. Ich meine, dass das 35-300 mm mit Nikon F Anschluss kam. Es könnte aber auch Canon EOS gewesen sein. Aber die „Kleinigkeit“: Ich muss ein Montags- oder Freitags-Exemplar erwischt haben. Die Brennweite des Zooms kann bei 35 mm verriegelt werden. Was durchaus lästig ist, wenn es schnell gehen soll. Offensichtlich war mein Exemplar aber fehlerhaft, denn beim Durchrutschen des Brennweitenrings von 35 auf 300 mm, was immer wieder passiert, ist seinerzeit irgendetwas kaputtgegangen. Ich habe da nichts teuer reparieren lassen, sondern das Zoom gleich zurückgegeben.

Als jetzt ein 35-300 mit Minolta/Sony A-Anschluss beim Profianbieter (Rückgaberecht!) für 39 Euro zu haben war, habe ich trotzdem gekauft. Der Preis lag deutlich unter den restlichen Angeboten! Und ganz wichtig das Rückgaberecht! Denn: Ich wollte es eigentlich zurückschicken. Doch der Reihe nach.

Was kam, war ein Exemplar in äußerlich gutem bis sehr gutem Zustand. Aber das Innere – die Elektronik :-( Ich hätte gewarnt sein müssen. Denn im Internet gab es zu Recht etliche Verrisse! Tokina hat 1998 vollkommen versagt, was die Kompatibilität – der vermutliche Steuerchip, unten markiert im roten Kreis – mit späteren, digitalen Spiegelreflexkameras betrifft. Mit präsziser Zuverlässigkeit bringt dieses 35-300 mm Tokina die Computer der 20 Megapixel Halbformat Sony (Alpha) a58 oder SLT-A58, 14 MP Halbformat Sony Alpha SLT-A33 und meiner KonicaMinolta Dynax 5D zum Crashen. Nichts geht. Kein Autofokus, irre durchlaufende Menüs, keine Blendenübertragung, Blendenwahl seitens der drei Kameras, keine Auslösung – NICHTS.

Und jetzt kommt's

Auf der oben abgebildeten Minolta 7000 AF Analog-SLR, die erste wirklich komplett durchdachte und praxistaugliche Autofokus-SLR der Welt, macht das Tokina, was es soll! Mit Blendenanzeige, MIT Belichtungsmessung/-steuerung, MIT Autofokus! Aber der AF ist lahm wie eine Schnecke. Da ich noch einen Film "gefunden" habe, habe ich den auch belichtet. Damit war dann auch klar, dass es die Programmierung des 35-350 ist, die völlig daneben liegt. Ein Zoom, das es nie in die digitale Welt geschafft hat.

Der Verkäufer bot auf meine Ankündigung das Zoom unverzüglich zurückzuschicken, eine Preisreduzierung auf 25 Euro an. Die ich akzeptiert habe, denn ich wollte das Zoom ja neben den Halbformat-DSLRs auch im Vollformat auf der Nikon Z6 probieren. Und da funktioniert es – natürlich. Da es über den funktionierenden Minolta/SonyA-/Nikon Z-Adapter keinerlei elektronische Verbindung gibt, ist das 35-300 auf der Z6 zu betreiben. Für die Blendenverstellung hat der Adapter einen Hebel, der die Blende im Zoom verstellt. 

Hätte das 35-300 einen Nikon F-Anschluss, wäre auf dem Nikon F-/Z-Adapter FTZ theoretisch Offenblendmessung und automatischer Abblendung auf den gewünschten Wert etwas komfortabler möglich. Dank "Stangenantrieb" natürlich ohne Autofokus. Aber mit der inkompatiblen Elektronik? Das würde wie meine Variante mit Minolta A-Bajonett dann vermutlich mit Nikon F-Bajonett auf der Nikon F501 von 1986 laufen, jede Nikon DSLR aber wahrscheinlich auch "abschießen" Ein Exemplar mit F-Bajonett von 10 Euro vom Flohmarkt würde ich probieren ;-) Habe aber noch nie eins gesichtet…

Spezifikation und Teil-Innenleben

  • Vorstellungsjahr 1998
  • Abmessungen/Gewicht Ø 78,3 mm, l 110/165 mm (Brennweite 35/300), Filter Ø 72 mm, 680 g
  • Optischer Aufbau 17 Linsen in 14 Gruppen, 1 SD-Element
  • Die Blende besteht aus 6 Lamellen, kleinste Blende f/32
  • Nahdistanz 2,5 m, Abbildungsmaßstab bei 300 mm 1:7,7

Einsatz-Reihenfolge

Die Reihenfolge hatte sich eigentlich aus der Ferienplanung ergeben sollen. Die Anfahrt zum Ferienort mit Übernachtung und vor Ort genug Motiven mit dem 35-300 auf der Sony SLT58. Was ja dann flachgefallen ist …

Das war ein Abenteuer ;-) Mit der Minolta 7000

Man sollte auch bei der Analog-SLR immer aufs Display der Oberkappe schauen! Als nach einer zum Glück nur Mikrorunde im eigenen, winzigen Garten der Filmzähler nach 5 Auslösungen immer noch auf Null stand, war es Zeit nachzusehen. "Eigentlich" hatte ich den Film ja richtig eingelegt. Aber so richtig "richtig" eben doch nicht. Denn beim Schließen der Rückklappe transportiert die 7000 den Film unüberhörbar automatisch zur ersten Aufnahme. Aber nur, wenn die Mitnehmer auch richtig gepackt haben. Tun er das nicht, ist das Geräusch identisch — drei Auslösungen mit motorischem Film-Nicht-Transport. Also nochmal das Ganze. Und im zweiten Anlauf hat es geklappt. Filmzähler auf 1 statt 0.

Dann also los mit dem wuchtigen 35-300 Tokina. Neben der nicht vorhandenen Friktion bei der Brennweitenverstellung – ohne Verriegelung fällt, besser schlägt der Frontlinsenteil unter Drehung des Zoomrings sofort ohne Bremsung auf Anschlag durch. Kein gutes Gefühl. Dazu glaube ich, dass die gravierte „Nah“-Distanz von 2,5 m arg optimistisch ist. Nicht gemessen sind es gefühlt eher 3 m. Und das eben auch bei 35 mm Brennweite. Das sind Einschränkungen, die das Zoom eher nur Landschaftsfoto-tauglich mach(t)en.

Beispielfotos 35-300 auf Film im analogen Vollformat der Minolta 7000

Mit dem noch gefundenen AGFACOLOR HDC 100 Farbnegativfilm unbekannten Ablaufdatums habe ich mir keine übertriebene Mühe gegeben. Wie sehr hat man sich heute an Auto-ISO und stabilisierte Bildsensoren gewöhnt! Und noch mehr den Fokuspunkt im Monitor-/Sucherbild fast beliebig verschieben zu können. Die Minolta 7000 hat als erste Autofokus-SLR der Welt nur einen "starren" mittigen AF-Sensor. Und trotzdem hat es Freude geacht, dass diese nächstes Jahr 40. Geburtstag feiernde SLR 2024 noch so problemlos läuft. Zu Analogzeiten durfte man mit dem 4,5-6,7/35-300 mm Tokina auch im Sommer, wenn es nicht gerade Mittag ist, eigentlich immer nur ISO 200, besser 400 Film einlegen. Der AGFACOLOR HDC 100 wurde über einen Drogeriemarkt entwickelt, die obligatorischen 10x15 cm Abzüge gemacht plus CD. Die Scans auf der CD sind saumäßig, die Abzüge deutlich besser. Ich hatte aber keine Lust die Abzüge oder Negative zu scannen. Zur Demonstration musste die CD genügen. Auch sind die digitalisierten Negative nur 1.500 x 1.000 Pixel groß. Die Fotos auf der CD wurden mit Adobe Lightroom und Topaz Photo AI ansehbar gemacht. Wie gesagt, die Papierabzüge sind passabel!

Beispielfotos 35-300 im digitalen Vollformat der Nikon Z6

Verzeichnung? Ja. Bei 35 mm tonnenförmig, bei 300 mm kissenförmig. Aber sehr moderat. Ließe sich mit Lightroom problemlos entfernen!

Qualitäts- und sonstiger Eindruck

Was für ein furchtbares Teil

An der Abbbildungsqualität gibt es nichts auszusetzen. Aber was hat Tokina seinerzeit bewogen, diesen Klotz nicht nur zu entwerfen sondern auch genau so zu bauen? Und dabei auch noch auf die gerne als "Makro" bezeichnete "Not"-Naheinstellmöglichkeit zu verzichten. Das AUTO REVUENON MC ZOOM 1:4.0-5.6 f=28-200mm hat bei 28-50 mm Brennweite auch nur eine "Nah"-Distanz von 2,5 m, ab 75 mm aber 1,8 m und dazu eine "Makro"-Einstellung von 1:7 - 1:4. Und bei den Abmessungen des 35-300 mm nur Licht-"Stärke" f/6,7 bei 300 mm. Wobei ich diese Angabe bezweifele. Subjektiv ist das eher ein 5,x-8/35-300 mm Zoom. Erkennbar am Verhalten des Fokus-Peaking der Nikon Z6. Da "peakt" so gut wie nichts, keine sicher erkennbare Kantenanhebung in Rot. Nur mit der Sucherbildvergrößerung gelingt die Fokussierung so eben. Lässt aber die letzte Sicherheit vermissen. Wobei eine gleitende Lichtstärke von 4,5-6,3/6,7 oder sogar 4-8 (28-400 mm Nikon Z) eine heute oft zu findene Lichtstärke bei preiswerten Tele-Kitzooms zu DSLRs, DSLMs ist. Dort aber dank der problemlos hohen ISO-Möglichkeiten auch nicht so problematisch, wie zu Analogzeiten. Nun ja, ich wollte dieses krude Tokina-Zoom für die Sammlung.

Ansonsten: Finger weg von diesem gewöhnlich überteuert offerierten Zoom. Da werden selbst defekte Exemplare für 40 Euro angeboten. Wobei ich mir nach der jetzt gemachten Erfahrung sicher bin, dass es sich bei dem einen oder anderen "Defekt" nur um die totale Inkompatibilität zur aktuellen DSLR-Generation handelt. Wenn jemand ein auf einer Nikon oder Canon DSLR funktionierendes 35-300 Tokina hat: Gerne melden! Ein Kauf des 35-300 mm Tokina aber grundsätzlich nur mit Rückgaberecht vom Profianbieter.

Ralf Jannke, Juni 2024

 

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