Nikon Coolpix 8800

Hier stelle ich eine recht frühe Digitalkamera von Nikon vor; auch Ralf hat sie bereits gewürdigt. Boris zeigt ebenfalls eine Nikon Coolpix 8800. Diese Coolpix war eine der beiden ersten Kompaktkameras von Nikon, die einen iTTL-kompatiblen Blitzschuh für die damals neuen Blitzgeräte SB-800/SB-600 hatte.

Spezifikationen:

  • Die 2004 vorgestellte Nikon Coolpix 8400 ist 115 x 83 x 115 mm groß und wiegt mit Akku und Speicherkarte 700 g.
  • Der 1/1,5“ CCD-Sensor (8,8 x 6,6 mm) löst maximal 3264 x 2448 Pixel  = 8 Megapixel auf, der Pixelpitch beträgt 2,7µm. Die Empfindlichkeit ist automatisch oder manuell von 50 bis 400 ASA einstellbar. Bilder werden als JPEG, TIFF oder NEF (RAW) auf CompactFlash-Karten Typ I oder II (max. 32 GB) gespeichert. Videos sind mit 640x480 Pixeln bei 30 Bildern/s möglich.
  • Das Objektiv ist ein 8,9-89 mm/1:2,8-5,2 10-fach Zoom mit 16 Elementen in 10 Gruppen, davon 2 ED-Elemente, die kb-äquivalente Brennweite beträgt 35-350 mm.
  • Das Motiv wird über einen 1,8“ TFT LCD Monitor mit 134.000 Subpixeln angezeigt, zusätzlich ist ein Videosucher 0,44“ mit 235.000 Subpixeln eingebaut. Außerdem ist ein beleuchtbares Status-LCD-Schulterdisplay mit etlichen Belichtungsparametern vorhanden.
  • Entfernungseinstellung Einzel-Autofokus (AF-S) oder AF-Nachführung (AF-C), Ermittlung durch Kontrasterkennung des Bildsensors, 9 AF-Felder automatisch oder manuell auswählbar
  • Belichtungssteuerung durch Programmautomatik, Zeitautomatik, Blendenautomatik oder manuellen Modus, 256-Zonen-Matrixmessung, mittenbetont integrale oder Spotbelichtungsmessung. Belichtungszeiten 8s bis 1/8000 sek. (kombinierter mechanischer und elektronischer Verschluss), elektronischer Selbstauslöser mit 10 s Vorlaufzeit
  • elektrisch ausklappbarer Blitz mit Leitzahl 14 bei ISO 100, zusätzlich Norm-Blitzschuh mit iTTL-Zusatzkontakten
  • Weißabgleich automatisch oder manuell
  • Bildstabilisierung durch eine bewegliche Linsengruppe im Objektiv
  • Energieversorgung durch Lithiumakku EN-EL7

Besonderheiten

„Coolpix“ heißen bei Nikon fast alle alle Kompakt- bzw. Bridge-Digitalkameras.

Die Kamera ist eine „echte“ Nikon „Made in Japan“ und keine OEM-Auftragsfertigung. Sie wurde kurz vor der photoKina 2004 zusammen mit der teilweise baugleichen Coolpix 8400 vorgestellt, diese hat ein Zoomobjektiv mit anderem Brennweitenbereich, der weiter in den Weitwinkelbereich reicht, jedoch wesentlich weniger Telebrenneite hat (24-85mm KB-äquivalent).

Die Stromversorgung erfolgt nicht mehr wie bei den Vorgängern mit fast überall erhältlichen Mignon-Zellen, statt dessen setzte Nikon erstmals den Lithium-Akku EN-EL7 ein, der nur in wenigen anderen Nikon-Kameras eingesetzt wurde und heutzutage nur sehr schwer zu bekommen ist. Preiswerte Nachbauten existieren nicht, jedoch gibt es heutzutage Anbieter, die die Zellen des Original-Akkus durch neue ersetzen.

Es gab einen Batteriegriff/Hochformatauslöser mit zweiter Zoomwippe für 6 Mignonzellen MB-CP10, dieser ist aber genauso wie das originale Netzteil EH-54 nur sehr selten zu bekommen und deshalb erheblich teurer als die Kamera.

Zur Bildaufzeichnung dienen CompactFlash-Karten Typ I, die dickeren Karten des Typ II passen ebenfalls. Im Lieferumfang war keine Karte enthalten, Karten bis 32GB funktionieren, obwohl solch große Karten zum Herstellzeitpunkt der Kamera nur spezifiziert, aber erst etliche Jahre später verfügbar waren.

Die Karte ist durch eine Klappe geschützt.

Gespeichert können sowohl unkomprimierte RAWs (NEFs), TIFFs als auch JPEGs in verschiedenen Kompressionsstufen und Auflösungen. Ein unkomprimiertes TIFF ist etwa 24 MB groß, seine Speicherung dauert entsprechend lange. Ein NEF hat 12 MB und wird deshalb in der halben Zeit „weggeschrieben“.

Das Display ist recht klein. Die Auflösung mit 134.000 Subpixeln ist aus heutiger Sicht grobgerastert, damals wurde es als brauchbar bezeichnet. Das Display kann ausgeklappt und gedreht sowie geschwenkt werden. Zum Schutz kann es um 180° gedreht werden, so daß seine Rückseite nach Außen zeigt.

Zusätzlich zum Display gibt es einen Videosucher mit Dioptrienkorrektur, der eine höhere Auflösung hat, aber ebenfalls mit heutigen Suchern nicht mithalten kann. Das Sucher-LCD-Panel ist höchstwahrscheinlich von Epson zugekauft worden und wurde baugleich in etlichen Kameras der Mitbewerber verbaut, z. B. in der Sony DSC-F828, der Olympus C-8080 oder der Canon PowerShot Pro1.

Die Bedienung ist allerdings noch lange nicht so bequem wie mit heutigen Kameras, vieles wird per Menu eingestellt. Die wichtigsten Funktionen wie Aufnahmemodus, Belichtungskorrektur, Fokus, Bildgröße sowie -Qualität, Empfindlichkeit, Bildstabilisierung oder Blitzparameter können durch Druck auf eine Taste oder Drehen des Modusrades und gleichzeitigem Drehen des Daumenrades verstellt werden. Der Hauptschalter ist um den Auslöser herum angebracht. Gezoomt wird mit einer Daumenwippe. Zur Bildwiedergabe muß das Moduswahlrad gedreht werden, eine Taste vor die schnelle Bildwiedergabe der letzten Aufnahme gibt es zusätzlich.

Das Menu ist umfangreich, die Kamera kann recht fein auf den Fotografen angepaßt werden, viele Parameter werden auch nach Akkuwechsel gespeichert. Ist das Display umgedreht, also nicht sichtbar, ist die gesamte Kamerasteuerung auch mittels des Videosuchers möglich, allerdings muß man dann die Position der Tasten kennen, um die „blinde“ Bedienung ohne Absetzten der Kamera zu schaffen.

Der 8-Megapixel-Sensor Sensor wurde von Sony hergestellt und auch in etlichen anderen Kameras verbaut, darunter z. B. die Coolpix 8700 oder 8400.

Der Gehäuseblitz ist fest eingebaut, er klappt nach Betätigen eines Tasters elektrisch betätigt recht weit nach oben aus dem Gehäuse heraus. Die Blitzbelichtungsmessung erfolgt durch das Objektiv mittels Vorblitzen. Erstmals in einer Nikon Kompaktkamera ist ein iTTL-kompatibler Blitzschuh eingebaut, die kurz vorher zusammen mit der D2 bzw. D70 vorgestellten Aufsteckblitze SB-600/SB-800 können von der Kamera gesteuert werden und ergeben eine ausgewogene Belichtung, die sowohl das Umgebungslicht als auch das Blitzlicht gut dosieren, „totgeblitze“ Motive gibt es fast nicht. Der Zoomreflektor des Aufsteckblitzes paßt sich der Kamerabrennweite an, im rückseitigen Display des Blitzes stehen etliche Aufnahmeparameter.

Die Coolpix-Kamera davor boten zwar teilweise einen Blitzschuh mit Nikon-TTL-Zusatzkontakten, die Blitz-Belichtungsmessung der Kamera erfolgte aber immer mit einem Belichtungssensor neben dem Objektiv, was prinzipbedingt wesentlich ungenauer ist als die TTL-Belichtungsmessung durchs Objektiv.

Im Lieferumfang ist die Infrarot-Fernbedienung enthalten, die bei anderen Nikon-Kameras extra für 30 Euro erworben werden mußte.

Das Objektiv beginnt bei damals nicht besonders erwähnenswerten 35mm und reicht in den enormen Telebereich von 350 mm. Es gab Konverter, die den Brennweitenbereich entweder in den Weitwinkelbereich erweiterten. Zwischen den beiden Brennweiten-Enden gibt es fast 30 Zwischenstufen, so daß durchaus fein dosiert gezoomt werden kann, allerdings ist dieser Vorgang mit der Zoomwippe prinzipbedingt umständlicher als mit einem mechanischen Zoomring. Dieser hatte aber keinen Platz gefunden, der das Objektiv umgebende geriffelte Ring ist ein fest angebautes Zierelement.

Um den enormen Brennweitenbereich verwackelungsfrei nutzen zu können, ist eine „VR“-Einheit eingebaut, „Vibration Reduction“ = „Vibrationsverringerung“ ist der Nikonbegriff für einen optischen Bildstabilisator durch eine bewegliche Linsengruppe im Objektiv.

Die Streulichtblende mußte extra erworben werden, sie gehörte nicht zum Lieferumfang der Kamera. Das Filtergewinde beträgt 37mm und dreht sich weder beim Zoomen noch beim Scharfstellen mit.

Der Objektivdeckel ist vom Snap-On-Typ, wird er beim Einschalten vergessen, passiert nicht schlimmes, da er zusammen mit dem Objektiv ausfährt. Die originale Tragekordel wird wie üblich am Kameragurt befestigt, somit baumelt der Deckel beim Fotografieren herum, kann jedoch nicht verloren werden.

Die Kamera schreibt einige spezielle Angaben in den MakerNotes-Teil der EXIFs, darunter etliche Bildparameter wie ASA-Automatik, montierter Konverter, AF-Steuerung, die art der Fukusermittliung (aktiv/passiv/hybrid) uvm. In den genormten Feldern der EXIFs trägt die Coolpix 8800 die „wahren“ Belichtungswerte ein, nicht die üblichen gerundeten Zahlen. z. B. Blende 6,1 und Belichtungszeit 1/335 Sekunde statt 1:5,6 und 1/500 Sekunde. Die Zahl der Auslösungen kann nur der Service ermitteln, sie steht nicht in jedem aufgenommenen Bild.

Als Schnittstellen stehen zur Verfügung: Video, Netzteil und USB zum Auslesen der Bilder aus der Kamera bzw. zum Anschluß eines Druckers. Video und USB sind zu einer Nikon-eigenen Spezialbuchse zusammengefaßt, Normkabel passen deshalb nicht. Die Buchse zur Stromversorgung ist seitlich angebracht und ebenfalls wie die anderen Schnittstellen mit einer unverlierbaren Gummiabdeckung geschützt, auch sie erfordert ein Spezialkabel.

Der Werbeaufkleber wurde vom Vorbesitzer nicht abgezogen, Nikon wies auf Folgendes hin: 8 Megapixel Auflösung, 35-350mm 10fach-Zoom, eingebauter Bildstabilisator, TV-Videoauflösung mit 30 Bildern pro Sekunde (amerikanische NTSC-Norm), 3cm Makrofunktion.

In den JPEGs oder TIFFs, die die Kamera erzeugt, werden beim Blitzeinsatz „rote Augen“ automatisch korrigiert. Dies erfolgt nicht durch mehr oder minder starke Vorblitze, die die Pupillen der angeblitzen Personen vor dem Hauptblitz schließen sollen, sondern nachträglich durch Analyse des fertigen Bildes und „Entfärben“ der roten Augenstellen. Laut zeitgenössischen Kameratests funktionierte das sogar ziemlich gut und das sogar ohne die heutzutage gerne für solche Funktionen hergenommene „Künstliche Intelligenz“.

In den NEFs hingegen soll diese Korrektur durch die Kamera nicht vorgenommen werden, beides habe ich nicht ausprobiert und kann darum keine Beispielaufnahmen für diese Funktion zeigen.

Der Videomodus ist ziemlich eingeschränkt, die maximale Aufnahmedauer jeder einzelnen „Clips“ ist auf 60 Sekunden beschränkt. Aber möglicherweise hat das weniger mit technischen Einschränkungen zu tun denn mit zollbedingten Gründen und Nikon wollte sich die Einstufung als „Videogerät“ ersparen, die damals höhere Zolleinfuhrgebühren und somit einen höheren Verkaufspreis in der EU bedeutet hätte.

Die Serienbildgeschwindigkeit ist bei Reduktion der Bildgröße auf 640x480 Bildpunkte durchaus beeindruckend, im Ultra-Highspeed-Modus werden 30 Bilder pro Sekunde aufgezeichnet und zwar maximal 100 Aufnahme in Folge. Wie man sieht, entsprechen die Auflösung und die Bildrate exakt der Video-Größe und -Geschwindigkeit, somit ist dieser Bildaufzeichnungsmodus schlicht ein „Abfallprodukt“ der Videofähigkeiten von Bildsensor und Bildprozessor. „Normale“ Serienbilder schafft die Coolpix lediglich mit knapp 3 Bildern pro Sekunde (maximal 5 Aufnahmen in Folge), das aber nur, wenn JPEG als Qualität eingestellt ist, bei NEFs oder TIFFs gibt es keinen richtigen Serienbildmodus, der Puffer ist zu klein, um mehr als ein TIFF oder zwei NEFs zwischenzuspeichern.

Der UVP der Coolpix 8800 betrug 1100 Euro. Ich bekam das gezeigte Exemplar im Frühling 2024 vom Editor dieser Zeilen geschenkt, der Akku war leider defekt, weil tiefentladen. Ich habe aber einen durchaus brauchbaren Akku von meiner Coolpix 8400, er schafft bei Verzicht auf den internen Blitz durchaus 150 bis 200 Aufnahmen.

Die Coolpix 8800 hat laut Bildzähler etwa 7000 Aufnahmen gemacht, ob das stimmt, ist ungewiss, denn die Vorbesitzer konnten den Zählerstand jederzeit auf Null rückletzten, die genaue Zahl der Auslösungen konnte nur der Nikonservice ermitteln. Aufgrund des guten Allgemeinzustands denke ich jedoch, daß die Zahl der Auslösungen in etwa korrekt sein könnte.

Beispielfotos

Alle Beispielaufnahmen entstanden bei 50 ASA, eingeschaltetem Bildstabilisator, gespeichert als RAW, konvertiert mit Nikon Capture NX, bearbeitet mit Photoshop CS6. Die Größe wurde auf 1500 Pixel bikubisch verkleinert. Schärfe, Verzeichnung, Vignettierung, Gradationskurve usw. wurden korrigiert. 100%-Aussschnitte sowie die Aufnahmeparametern finden sich in jedem Bildbeispiel.

​​​​​​​Qualitäts- und sonstiger Eindruck

Das Gehäuse der Coolpix 8800 ist größtenteils aus Metall gefertigt, der Entwurf stammt vom Stardesigner Giugiaro, der viele Nikon-Spiegelreflexkameras seit der F3 gestaltet hat oder auch etliche Automobile wie z. B. den 1974er VW-Golf. Das Kamera-Gehäuse besteht aus einer leichten und trotzdem stabilen Magnesiumlegierung. Lediglich wenige Teile wie die Akkuklappe sind aus Kunststoff, beim vorgestellten Exemplar ist das ebenfalls aus Plastik bestehende Scharnier dieser Klappe im Lauf der Jahre zerbrochen. Wie üblich habe ich eine Blitzschiene untergeschraubt.

Die „Belederung“ aus TPU klebt noch nicht, aber im Lauf der Jahre ist sie etwa „gewachsen“ und paßt deshalb nicht mehr richtig in die für sie vorgesehene Aussparung.

Die Kamera gehört zur Klasse der Kompaktkameraskameras für den ambitionierten Amateur, die als Prosumer-Kameras bezeichnet wurden. Ihre Leistung (Auflösung, Bedienbarkeit, Einschaltzeit, Bildspeicherdauer usw.) bewegte sich im damals durchaus üblichen Rahmen. Die Einschaltzeit hingegen ist überraschend lang: erst fährt das Zoomobjektiv aus, dann „bootet“ die Kamera noch etwa eine Sekunde, bevor sie aufnahmebereit ist.

Die Bildqualität ist aufgrund der Sensorgröße und des recht großen Pixelpitchs zum Vorstellungszeitpunkt als gut zu bezeichnen gewesen, jedoch ist die Auflösung des Objektivs im Telebereich und in der Weitwinkelstellung geringer als in der Normalstellung. Außerdem verzeichnet es bei 35mm deutlich sichtbar, eine Korrektur dieses Bildfehlers durch den Bildprozessor findet nicht statt.

Bei höheren ASA-Zahlen verlieren die JPEGs der Kamera durch den Entrausch-Algorithmus deutlich an Zeichnung, sind aber noch recht erträglich.

Fazit: eine digitalkamerahistorisch interessante Kamera, heutzutage zum ernsthaften Bildermachen aufgrund der exotischen Stromversorgung eher nicht mehr geeignet. Auch die Autofokus- und Bildspeichergeschwindigkeit entspricht heutigen Ansprüchen überhaupt nicht mehr.

Christian Zahn

 

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