Zum Start erstmal meinen (Ralf Jannkes) Senf ;-)
Anfang 2016 kündigte Nikon die erste Kamera der KeyMission-Serie an, die KeyMission 360 – eine robuste Action-Kamera, mit der sich echte 360°-Videos in 4K UHD aufzeichnen lassen. Auf der Photokina stellte zwei weitere Actioncams vor, die KeyMission 170 und die KeyMission 80.
Diese Vorstellung gehörte für mich zur größten Enttäuschung der Photokina 2016. Alle hatten erwartet, dass Nikon endlich mit den schon lange überfälligen "anständigen" Vollformat DSLMs "zu Potte" kommt. Panasonic hatte 2008 mit der G1 die erste spiegellose Systemkamera der Welt vorgestellt. Mit 12 Megapixel 13x17 mm microFourThirds-Sensor. 2013 erschien mit der Sony Alpha 7 die erste spiegellose 24 Megapixel 24x36 mm Vollformatsensor Systemkamera der Welt. Und Nikon? Da kam 2011 mit den 8,8x13,2 mm = 1 Zoll Sensoren die danach benannten Einser-Serie 10 Megapixel Nikon DSLMs J1 und V1. Heute "dank" fehlkonstruierter Objektive mit hoher unreparierbarer Ausfallrate immer wertloser werdende, eigentlich schöne, superkompakte DSLMs. Aber mehr? Erst 2018 bekam Nikon mit den Vollformatern Nikon Z7 (45 Megapixel) und Z6 (24 MP) endlich die Kurve.
2016 unter den drei KeyMission-Modellen zwei für einem Markt, den GoPro & Co. mit ihren Actioncams längst erschlossen hatte. Interessant ist aus dieser Sicht nur die KeyMission 80, Gegenstand dieses Gastbeitrags von Volker Horstmann.
Technische Daten Nikon Keymission 80
- Bildsensor Hauptkamera: 1/2,3-Zoll-CMOS, 12 MP
- Bildsensor Selfiekamera: 1/5-Zoll-CMOS, 5 MP
- Objektiv Hauptkamera: F/2 (unveränderbar), Brennweite 4,5mm, Autofokus (entspricht 25 mm KB), 6-Linser, stabilisiert
- Selfiekamera: F/2,2, 1,8 mm, Fixfokus (entspricht 22 mm KB), 4-Linser
- Monitor: 4,4 cm Bilddiagonale, 230.000 Bildpunkte, Touchscreen
- Datenspeicherung: microSD-Speicherkarte
- ISO-Werte Hauptkamera: ISO 64 bis 1600, Selfiekamera: ISO 64 bis 800
- Matrixmessung
- Belichtungssteuerung: Programmautomatik mit Belichtungskorrektur
- Elektronischer Verschluss, Belichtungszeit: 1/6250s bis 1s
- USB: Micro-USB-Anschluss
- Wi-Fi, Bluetooth
- Wasserdicht bis Wassertiefe 1 Meter für 30 Minuten
- Stoßfest bis Fall auf 1,50 Höhe auf Holz
- Lithium-Ionen-Akku, fest eingebaut
- LED-Leuchte als Fokussierhilfe und Blitzersatz
- Abmessungen (H x B x T): ca. 86 x 45 x 15 mm³
- Gewicht: ca. 74 g
Volker Horstmann schreibt
Im Internet findet man wenig über die Keymission 80: Die einen lieben sie, die anderen hassen sie, manche verstehen sie gar nicht. Ich gehöre zur ersten Kategorie. Soweit ich sehe, gibt es keine andere Kamera, die durch Größe und Gewicht mit der Keymisson 80 konkurrieren kann und dabei ordentliche Bilder liefert: Sie ist 86x45x15mm³ groß und wiegt 74 Gramm.
Sie ist noch nicht museal, denn sie erschien erst 2017, aber sie ist rar, und weil kaum jemand sie kennt, hat sie schon einen Platz im Museum verdient. Die Kamera sieht aus wie eine Action-Kamera, aber sie hat einen gemäßigten Weitwinkel, die Abbildung ist verzeichnungsfrei. Die Bedienungsanleitung ist erfreulich kurz, aber unerfreulich oberflächlich. Ich benutze die Keymission 80 nur als Fotokamera.
Den Kritikern muss ich allerdings zugestehen: Die Kamera hat ihre Zicken. Doch wer sie aus Wut gegen die Wand klatscht oder versucht sie zu ertränken, hat kaum Erfolg, denn sie ist stoßfest und wasserdicht. Eine der Kuriositäten: Wenn man die Kamera ausschalten will, soll man den Menüknopf drücken und dann im Touchdisplay das Ausschaltsymbol antippen, aber das erscheint im Wiedergabemodus gar nicht - was nun? Die Lösung ist einfach, aber darauf muss man erst mal kommen: den Auslöser drücken, dann geht die Kamera automatisch in den Aufnahmemodus und schaltet sich nach 5 Sekunden ab (die Abschaltzeit kann man einstellen). Dann gibt es zwar ein überflüssiges Foto, aber wen stört's.
Ich mag die Keymission 80 trotz ihrer Quirks. Es ist mit ihr wie mit ungezogenen Kindern: Man liebt sie trotzdem. Ich habe sie (also die Kamera, nicht die ungezogenen Kinder) gebraucht im makellosen Zustand in Originalverpackung 2021 für 100 € erstanden. 2017 kostete sie neu rund 300 €. Sie ist für mich nicht nur ein Spielzeug, sondern ich benutze sie tatsächlich oft. Sie ist schnell. Sie braucht keine Hülle, weil das Objektiv etwas nach innen versetzt ist, man zieht sie einfach so aus der Hosen- oder Hemdtasche, man muss weder eine Objektivkappe abnehmen noch warten, bis das Objektiv aus seiner Versenkung gepumpt wird. Staub im Objektiv oder auf dem Sensor, wie ich es bei anderen Kameras erlebt habe, kann hier nicht vorkommen. Sie fühlt sich trotz des geringen Gewichts wertvoll an, das Finish ist sehr gut, sie ist eine Handschmeichlerin und perfekt für Einhandbedienung.
Die Bedienung: Für Querformat hält man das Gehäuse senkrecht und drückt mit dem Daumen den großen Knopf unter dem Display. Der hat zwei Funktionen: Man schaltet mit ihm die Kamera ein, beim zweiten Drücken wird ausgelöst – allerdings ohne dass man vor der Aufnahme die Fokuseinstellung kontrollieren kann. Der Autofokus ziele auf die Mitte des Bildes, sagt die Anleitung; das ist natürlich sehr mau. Die große Schärfentiefe passt meistens irgendwie – aber leider nicht immer. Das bedeutet Punktabzug.
Die Kamera hat den weit verbreiteten kleinen 1/2,3 Zoll Sensor (4.55 x 6.17mm²) und ein stabilisiertes sechslinsiges Objektiv mit der Lichtstärke F/2 und Brennweite 4,5mm (= 25mm eqiv.), also kein Zoom. Außerdem hat sie eine zweite Kamera für Selfies auf der Displayseite mit mikroskopisch kleinem Sensor (etwa 2x3mm²). Das hätte aber doch nun wirklich nicht nötig getan; über die Bildqualität der Selfiekamera wollen wir da lieber gar nicht reden.
Die Hauptkamera hat 12 MP, vernünftig für den kleinen Sensor. Eine Blende gibt es nicht, das wäre bei diesem Sensorformat und der kurzen Brennweite kaum sinnvoll, die Kamera nimmt also alle Bilder mit F/2 auf. Durch den extrem schnellen elektronischen Verschluss besteht keine Gefahr der Überbelichtung.
An der Seite sind ein Umschalträdchen für Stillbild und Video (Full HD) und eine Taste für das Menü. Der Akku ist fest eingebaut. Da das Display sehr wenig Strom verbraucht und die Kamera sich selbsttätig ausschaltet, komme ich damit lange zurecht.
Das Touchdisplay ist 30 x 44 mm² groß, das angezeigte Bild aber nur 20 x 28 mm² klein; da fällt die Bildkontrolle schwer. Gut: Die Anzeigen sind nicht über das Bild verkleckert, sie befinden sich im schwarzen Rand.
Das Menü ist eher ein Eintopfgericht, es gibt rudimentäres HDR und Panorama sowie Belichtungskorrektur. Die Kamera macht am meisten Spaß, wenn man gar nicht im Menü rumrührt, denn ISO und Zeit bestimmt sie selbst, aber sie macht es nicht schlecht; und eine Blende, bei großen Formaten ein wichtiges Gestaltungsmittel, hat die Keymission 80 ja nicht. Sie ist die perfekt Point & Shoot Kamera.
Die Bildqualität? Was kann man von so einem Winzling mit Minisensor und spartanischer Ausstattung überhaupt erwarten? Ich habe 45 Jahre auf Film und 20 Jahre digital fotografiert und bin immer noch überrascht, was so ein kleines Biest leisten kann. Perfekte Albumbilder in DIN A4 Größe, kaum sichtbarer Licht- und Schärfeabfall zu den Ecken, sehr gute Farben, 800 ISO ohne störendes Rauschen. Da die Kamera kein Zoomobjektiv hat, muss ich manche Bilder beschneiden, das halten sie spielend aus.
Natürlich sind die Möglichkeiten der Keymission 80 begrenzt. Safaris, Sternenhimmel und Porträts mit verschwommenem Hintergrund sind nicht ihr Fachgebiet. Aber Kameras, die das können, passen nicht in die Hemdtasche und sind lange nicht so schnell einsatzbereit.
Eine Alternative zur Keymissiobn 80 könnte die kleine Sony RX0 sein. Sie hat einen deutlich größeren 1“ Sensor, der höhere ISO-Werte erlaubt, aber das Objektiv ist um zwei Lichtwerte schwächer (F/4) und unstabilisiert. Besser als die Nikon? Ich kaufte eine gebrauchte RX0. Die Bildqualität meiner RX0 war in der Mitte etwas besser als bei der Nikon, aber am Rand schwächer. Natürlich hat die RX0 ihre Stärken, aber die Handhabung ist unterirdisch, das umfangreiche Menü ist kaum lesbar. Außerdem gibt die dicke Kubusform wenig Platz zum Anfassen, die gläserne Front ist für Fingerabdrücke prädestiniert. Und sie ist richtig teuer. Meine Nikon gewann den Vergleich, ich verkaufte die Sony.
Eine echte Konkurrentin ist aber mein Iphone 12. Die Iphonekamera ist etwa auf dem Level der Keymission 80, die Daten bezüglich MP, Brennweite und Sensorgröße der Hauptkamera sind beinahe identisch; die Lichtstärke des Iphones ist sogar um etwa 2/3 Lichtwerte besser (F/1,6). Linsen und Software sorgen für scharfe und gefällige Fotos. Die Software übertreibt aber gerne und überschärft, wodurch die Motive Ränder bekommen, die in Wirklichkeit gar nicht da sind. Außerdem gleicht sie gerne Kontraste so weit aus, dass manche Bilder flach wirken, was nicht gerade wünschenswert ist. Die Keymission 80 bleibt meine Siegerin in den Disziplinen Größe, Gewicht, Robustheit, Schnelligkeit und Handlichkeit, und die zurückhaltende Software erweist sich oft als ehrlicher.
Die Beispielfotos sollen zeigen, was man mit der Keymission 80 machen kann. Die Fotos machte ich 2024 auf einem Trip in die auferstandene DDR, als ich ganz bewusst und gegen meine Gewohnheit nur diese eine Kamera benutzte. Da musste sie zeigen, was sie kann, und ich finde, sie machte es gut. Und schließlich ersparte mir die Unauffälligkeit der Kamera möglicherweise lästige Diskussionen.
Eine weitere interessante Erfahrung: Nach vielen Jahren mal wieder fotografieren ohne Zoom, ohne Wechselobjektive und ohne Kamera vor dem Bauch – ich hab's überlebt!
Volker Horstmann, Mai 2025
Zum Ende noch ein kleiner Nachtrag
Es war wichtig, die KeyMission 80 im Digicammuseum.de zu würdigen. Würde ich eine preiswerte KeyMission 80 finden, würde ich sie auch kaufen! Das wird aber so schnell nicht passieren, da die 80 mittlerweile Sammlerstatus hat, was sich in entsprechenden Apothekenpreisen niederschlägt.
Ralf Jannke, Mai 2025
Neuen Kommentar schreiben
Autor: | Volker Horstmann |
Mail senden | |
Erstellt: | 10.05.2025 |
Kommentare (0)
Keine Kommentare gefunden!