Vor vier Jahren gab es 2020 diesen Praxisbeitrag: "11/35 mm LOREO LENS IN A CAP PC Shiftobjektiv"
Warum jetzt eine Wiederholung?
Ich hatte dieses eigentlich primitive, aber verstellbare 35 mm Objektiv für Architekturfotografie mit Nikon F-Bajonett nur auf die 26 MP Halbformat Fuji X-T30 adaptiert. Also einer KB-äquivalenten Brennweite von 53 mm. Das ist nichts für Architekturfotografie. Immerhin forderte die X-T30 mit einer KB-äquivalenten Pixeldichte von 65 Megapixel. Mit einem Pixelpitch/Pixelabstand von 3,8 mü auf dem X-T30 Sensor darf das 11/35 mm LOREO LENS IN A CAP PC Shiftobjektiv auch nicht auf die mögliche f/22 abgeblendet werden. Die theoretische Beugungsgrenze der Fuji liegt bei 3,8 x 2 = gerundet f/8. Erfahrungsgemäß geht aber eine Blende mehr noch problemlos, also f/11. Meine erste gebrauchte Vollformat Nikon Z6 habe ich erst zur Saison 2021 erworben, und die Vollformat Nikon D4 war mir 2020 einfach zu schwer …
Jetzt das Plastik-Shift-/PC-Objektiv also im Vollformat auf der 24 MP Nikon Z6
Alles, was man zum Thema Perspektiv-Korrektur — englisch Perspective Correction, kurz PC — wissen sollte, steht im oben verlinkten Beitrag. Übrigens: Bei Nikon heißen die nicht mehr produzierten 28 und 35 mm Weitwinkel für Architekturfotografie PC-Nikkore. PC für P(erspective)C(orrection) oder P(erspective)C(ontrol).
Das Ganze ohne P(erspective)C(orrection)
Der optische Aufbau des 11/35 mm LOREO LENS IN A CAP PC Shiftobjektivs ist unbekannt, könnte aber der im Internet noch zu findenden Version mit Lichtstärke f/5,6 entsprechen. Dort ist zu lesen: 3 elements, plastic. Ob das "plastic" auch auf das Material der 3 elements = Linsen zutrifft, da bin ich mir nicht so sicher. Und die Lichtstärke f/5,6? Die wird in der PC-Version gleich durch eine entsprechende Blende auf die kleinere Öffnung f/11 reduziert, um das optische System überhaupt etwas verschieben zu können. Mit f/5,6 käme es wohl zu zu starken Randunschärfen … Die Non-PC-Version ist bis auf f/64 abblendbar, was dann einem Pinhole-/Lochkamera-Objektiv gleichkommt. Genug der Theorie.
Noch vorweg: Ich habe mir keine Mühe gemacht, den Dreck auf dem Sensor per Lightroom/Photoshop zu entfernen. Er ist für die Darstellung auch vollkommen unerheblich!
Im Grunde hätte ich jetzt aufhören können! Zumindest ein PC-/Shiftobjektiv mit 35 mm Brennweite fürs Kleinbildformat ist in Digitalzeiten angesichts der Möglichkeiten von Adobe Lightroom sinnlos! Und dazu gesellt sich noch etwas. Die extreme Rechts-oben-Randschwäche/Unschärfe dieses Loreo-Exemplars bei Blende f/11. Das Meiste der Unschärfe verschwindet bei Einsatz des 35ers auf dem kleineren 15x23 mm Halbformat-/APS-C-Sensor. Der rote Rahmen in dem einen Foto … Deshalb war auf der Fuji X-T30 auch nichts von der Unschärfe zu bemerken! Und das paradoxe bemerkt? Üblicherweise verzeichnen Weitwinkelbrennweiten tonnenförmig. Beim LOREO biegen sich die Linien nach innen! Kissenförmige Verzeichnung …
Von der Beugungsunschärfe-Regel her ist Blende f/22 eigentlich "verboten". Der Pixelpitch/Pixelabstand auf dem Sensor der Nikon Z6 beträgt 5,9 µ. Die Blende, bei der laut Theorie Beugungsunschärfe beginnt, errechnet sich wie 5,9 µ x 2 = f/11,8. O.K. mit f/22 könnte es noch so gerade hinhauen, aber ich habe keine Lust mehr auf eine zweite Architekturrunde.
Qualitäts- und sonstiger Eindruck
Alles gesagt und gezeigt. Mein 35mm LOREO LENS IN A CAP PC darf jetzt wieder in der hintersten Ecke einer meine Wühlkisten verschwinden. Angesichts der Adobe Lightroom Perspektiv-Korrektur sind 35 mm Kleinbild PC-Objektive für den Hausgebrauch praktisch obsolet geworden. Von Nikon gibt es neben dem 35er noch ein 4 und 3,5/28mm PC-Objektiv. Da ich dem Spielen nie abgeneigt bin, wären die interessant. Aber nicht zu den ausgerufenen Preisen … Noch spannender wäre das AstrHori 18mm f/8 Shift, bei dem es nicht sicher ist, ob es das mit Nikon Z Bajonett gegeben hat. O-Preis 159 Euro. Wenn mir das zu einem entsprechend niedrigen Gebrauchtpreis mal über den Weg laufen sollte, würde ich zugreifen. Trotz der PC-Möglichkeiten von Lightroom und sicher auch anderen RAW-Konvertern.
Ein Unterschied zum echten Shift-Objektiv bleibt immer
Das per Software begradigte, von unten aufgenommene Gebäude zeigt immer eine sogenannte Untersicht. Ich habe von unten nach oben gesehen und fotografiert. Und diese Vorlage per Software gerade gestellt. Die per Shiftobjektiv gemachte Aufnahme wirkt, als ob ich von einem gedachten gegenüberliegenden Gebäude aus der - sagen wir - ersten Etage oder von einer sehr hohen Leiter aus fotografiert habe. Die "falsche" Darstellung durch EBV-Shiften wird aber allenfalls Architekten auffallen. Und Fotograf*Innen, die ihren Lebensunterhalt mit entsprechender Sachfotografie und entsprechendem Gerätepark - Stichwort Großformatfachkamera - verdienen. Die sehen vermutlich auf Anhieb, ob per Shiftobjektiv oder Software geradegestellt wurde. Dem flüchtig hinschauenden Laien fällt es überhaupt nicht auf, bzw. es interessiert ihn nicht.
Wer sich fürs Thema Shiften, Geradestellen interessiert, wird darüber auch einiges im Beitrag "Digibacks: Die ersten digitalen Rückwände für Mittelformat SLRs und Großformat-Fachkameras und Scankameras aus den Mitte 1990er Jahren" nachlesen können.
Ralf Jannke, Mai 2024
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Autor: | Ralf Jannke |
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Erstellt: | 12.05.2024 |
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