Vier Linsen müssen reichen …

Das 2,8/45 mm GN Nikkor wurde zwischen 1968 und 1971 produziert. Es besteht aus vier Linsen in drei Gruppen. Im bald 120 Jahre alten klassischen Dr. Paul Rudolph Zeiss Tessar Aufbau von 1902. Und die Olympus daneben? Der für mich immer zwischen vielwissend und umstritten pendelnde Amerikaner Ken Rockwell erwähnte die Olympus Trip 35 von 1967 in seinem Beitrag zum 45 mm Nikkor, weil das Olympus-Objektiv den gleichen Aufbau hat. 

Das „GN“ in der Objektvbezeichnung steht für GuideNumber, deutsch Leitzahl, kurz LZ. Gemeint ist die Leitzahl eines Blitzgeräts. Bis es Computerblitzgeräte gab, musste gerechnet werden. Leitzahlen GuideNumbers – GN – von 10 bis 80 können eingestellt werden. In gelb die Werte fürs englische/amerikanische Feet (Fuß).

Ein Rechenbeispiel für ein Blitzgerät mit LZ 40

Die zu einer geschätzten/gemessenen Entfernung richtige Blende errechnet sich so: LZ geteilt durch Entfernung = Blende. Oder: LZ durch Blende = Entfernung. Also bei LZ 40 für 5 m Entfernung Blende 8. Wenn sich dann die Entfernung aber laufend ändert, muss mit der Blende manuell korrigiert werden, damit die Blitzbelichtung stimmt! Bei 10 m Entfernung und LZ 40 zum Beispiel auf Blende 4. Oder umgekehrt bei 4 m Blende 10.

Und da kommt das GN-Nikkor ins Spiel. Bei diesem Spezialobjektiv können Blenden- und Entfernungsring passend zur Leitzahl des Blitzgeräts gekoppelt werden. Ändert sich die Entfernung, was entsprechend nachfokussiert wird, ändert sich die Blende automatisch! Zumindest funktionierte das Ganze in einem gewissen Bereich. Soviel zur Bezeichnung des Objektivs.

Trotz des Alters und der eigentlich primitiven vierlinsigen Bauweise lieferte das 45er auf der Sony A 3000 eine erstaunliche Schärfe. Und ganz nebenbei ist es Nikons erstes "Pancake"-Objektiv für eine Spiegelreflexkamera! Im Nikon AI 45mm f2.8 P fand es 2001 seine Wiedergeburt. Dieses Pancake zierte die Nikon FM3a. Unterschied zur Ur-GN-Version ist die wegfallende GN-Funktion und Einbau des entsprechenden Chips, damit das neue 45er mit allen Nikon AF-(D)SLRs kommuniziert. Letztlich sind die beiden 45er Objektive für Sammler. Unter "NIKKOR - The Thousand and One Nights No.78 — A Standard Pancake Lens for the Nikon FM3A AI Nikkor 45mm f/2.8P" hat Kouichi Ohshita zu diesem Pancake einen sehr schönen Beitrag geschrieben

Mein 45 mm GN war eh nicht in sammelfähigem Zustand. Was sich seinerzeit im Preis niederschlug. Wobei ich nicht mehr weiß, wie viel ich investiert hatte …

Beispielfoto 24 MP

Beispielfotos 4 MP

Qualitäts- und sonstiger Eindruck

Das unscheinbare und superkompakte 2,8/45 mm GN Nikkor hat einfach Charme. Das Letzte, was ich damit ablichten würde, wäre eine flächige Testtafel, um anschließend die Bildecken zu analysieren. Wie weit Beugung ein Thema ist, habe ich nicht untersucht. Es aber vorsichtshalber unterlassen, mit den jenseits f/16 verfügbaren Blenden f/22 und f/32 zu fotografieren. Alle gezeigten Fotos entstanden mit Blenden zwischen f/4 und f/16. Nicht, weil Offenblende f/2,8 schlecht wäre. Aber da reicht eine Bewegung und das Motiv ist aus der Schärfe. Zeit- und ISO-Automatik bis 1000, kürzeste Verschlusszeit 1/400 s. Alles mehr als nur brauchbar!

Mit jedem Einsatz von derartigem (Ur-)Altglas wächst mein Unverständnis, warum sich die Leute für neu gerechnete, lichtstarke, monströse, schwere und auffällige Normalobjektive soviel Geld aus der Tasche ziehen lassen. Um dann festzustellen, dass das Superobjektiv bei einem flächigen Test-Motiv einer Schärfeebene tatsächlich bei Offenblende eine tolle Abbildungsleistung bis in die Bildecken liefert, aber wirkliche Motive mit diesen Festbrennweiten erarbeitet werden müssen. Eben das, was Fotografie ausmacht! Dass das teure Renommier-Objektiv absolut kein Garant für besondere Fotos ist. Wie sonst kann es erklärt werden, warum auffällig viele dieser neugerechneten Normalobjektive bei eBay auftauchen. Und dort lange oder gleich wie Blei liegen.

Ralf Jannke

 

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