Ricoh RDC-7: Bezahlbare 7 Megapixel 2000

Nur eine weitere, gut ausgestattete 3 MP Digitalkamera, die 2000 von Ricoh vorgestellte RDC-7? Ohne richtig hingeschaut zu haben, könnte man das denken. Im Body steckt aber auch eine 7 MP-Kamera! Das war für rund 950 Euro 2000 schon etwas Besonderes und ist auch das Hauptaugenmerk dieses Beitrags. 

Für eine 6 MP Kodak/Canon EOS 1n/DCS1 oder eine Kodak/Nikon D90/DCS 460 mit 6 MP mussten 1994 Größenordnung 25000 Euro investiert werden. Die moderneren Versionen Kodak/Canon EOS 1n/DCS 560, Canon EOS D6000 oder Kodak/Nikon F5/DCS 760 mit ebenfalls 6 MP kosteten 1999 immer noch Unsummen. Die 6 MP Nikon D1X kostete 2001 ca. 5700 Euro und die Canon EOS D60 mit 6 MP lag 2002 auch bei ca. 2800 Euro. Die RDC-7 interpoliert in einem PRO-Modus noch im Kameragehäuse aus dem 2048 x 1536 Pixel = 3 MP Foto ein 3072 x 2304 Pixel = 7 MP Foto. In einem weiteren PRO-H-Modus werden zwei 3 MP Aufnahmen von der Kamerasoftware im Gehäuse zu einem 7 MP Foto hochgerechnet.

Und das in einer Qualität, die nichts mit den unsäglichen Kodak-Mogelpackungen der „Megapixel“-DC120 oder den durch miserable Interpolation aufgeblasenen, matschigen 1,3 MP DC 260 Bildern zu tun hat!

Als „Modell“ für den Interpolations-Test musste diese interessante Kopie der deutschen, zweiäugigen Spiegelreflexkamera Rolleiflex/Rolleicord herhalten. Fotografiert in den verschiedenen PRO-Modi der RDC-7 wurde die japanische Aires Automat mit Nippon Kogaku – besser bekannt als Nikon – Objektiven aus 1955. Wer sich dafür interessiert, die Bestückung der Objektive der Aires Automat entspricht der Rolleicord: Sucherobjektiv ist ein etwas lichtstärkeres 3,2/75 mm, das Aufnahmeobjektiv ein 3,5/75 mm. Bei der Rolleiflex 3,5 hat das Sucherobjektiv eine Lichtstärke f/2,8. Von der Rolleiflex hat die Aires Automat die Transportkurbel übernommen, die für schnelles Einspulen und den Transport des Rollfilms bei gleichzeitigem Spannen des Verschlusses sorgt. Soviel zur analogen Vergangenheit, weiter mit der Ricoh.

3 oder 7 Megapixel?

Ricoh RDC-7 erreicht die 7 MP Auflösung durch eine von Ricoh selbstentwickelte Interpolation oder durch so genannte Pixel-Shift-Technik. In diesem Fall nimmt die RDC-7 unmittelbar hintereinander zwei Fotos auf, wobei die zweite Aufnahme um einen Pixel verschoben ist. Aus den zwei Einzelaufnahmen wird die 7 MP Version gerechnet. Aber auch ohne auf 7 MP zu gehen, soll die Pixel-Shift-Technik lt. Ricoh bei gleichbleibender Auflösung (2048 x 1536 Pixel) und Dateigröße die Detailauflösung und Schärfe um 20 Prozent erhöhen. Drei PRO-Modi stehen zur Bildverbesserung/-größerung zur Verfügung, gut erklärt und beschrieben in der englischen Ricoh RDC-7 Broschüre.

Ausprobiert habe ich den Standard-PRO-Modus, wo ein von Ricoh entwickelter Interpolations-Algorithmus das Bild auf 7 MP hochrechnet. Das funktioniert natürlich auch bei bewegten Motiven! Nach dem Auslösen vergehen im PRO-Modus dann allerdings 40 Sekunden für die Bildberechnung (Interpolation) und fürs Speichern. Im PRO-H-Modus dauert es fast 1,5 Minuten! Das ist wirklich nur was für Sachaufnahmen... Übrigens hört man die Doppelauslösung ganz deutlich. Den Pro-L-Modus habe ich nicht probiert, wohl aber die Möglichkeit 3 MP Bilder in der RDC-7 unkomprimiert als TIF zu speichern. Wie bei der Fujifilm Fujix DS-300 werden die TIF-Dateien der RDC-7 von Photoshop nicht gelesen. XnConvert für Mac OS 10 sorgt dafür, aus der unlesbaren TIF eine Photoshop- oder eine allgemein lesbare TIF oder JPEG-Datei wählbarer Komprimierung zu erzeugen.

Um das Maximum an Qualität rauszuholen und besser gegen den PRO-Modus der RDC-7 vergleichen zu können, habe ich ein 2048 x 1536 Pixel Foto, gespeichert als TIF per Photoshop bikubischer Interpolation auf 3072 x 2304 Pixel = 7 MP hochgerechnet. Das ist eine sehr maßvolle Vergrößerung um 150 % pro Bildseite-/höhe. Und die Photoshop-Bildberechnung gegen die PRO-Interpolation verglichen.

Und?

Auch bei 1:1/100 % Pixelwiedergabe und unsinnigen 200 und 400 % Monitorvergrößerung kann ich keinen Unterschied erkennen. Also reines Marketing? Immerhin kann man der RDC-7 eine hohe Datenqualität bescheinigen, denn Matsch wird beim Hochrechnen noch schlimmerer Matsch! Aber es funktioniert mit Photoshop mit jeder guten Digitalkamera! Auch ohne Ricoh PRO-Modus ;-)

1:1 Crops

Oben: Mit 2048 x 1536 Pixel aufgenommen, in der RDC-7 unkomprimiert als TIF gespeichert. Nach Konvertierung mit XnConvert in eine Photoshop-verarbeitbare TIF mit bikubischer Interpolation auf 3072 x 2304 Pixel = 7 MP hochgerechnet und anschließend als JPEG gespeichert.

Oben: Hochskalieren der 3 MP-Aufnahme in der Ricoh RDC-7 auf 7 MP mit Hilfe des PRO-Modus.

Und der Ricoh PRO-H-Modus mit seinem Pixel-Shifting? Gerne würde ich eine Qualitätssteigerung zeigen, aber das Gegenteil war der Fall. Sehen Sie selbst:

Um nicht unfair zu sein: Es kann nicht vollkommen ausgeschlossen werden, dass die Präzision der Pixel-Shift-Mechanik nach 15 Jahren – wir erinnern uns, die RDC-7 ist von 2000 – gelitten hat, oder trotz Stativeinsatz und Selbstauslöser doch verwackelt wurde.

Die Technik ist sicher nicht vollkommen für die Katz, denn aktuell greift Olympus bei seiner OM-D E-M5 Mark II auch auf Pixel-Shift-Technik zurück. Durch acht, um jeweils einen halben Pixel versetztem Sensor unmittelbar hintereinander aufgenommene Fotos generiert die Kamerasoftware aus dem 4608 x 3456 Pixel (16 MP) Sensor eine 7296 x 5472 Pixel 40 MP JPEG-Aufnahme. Im Rohformat sollen so sogar 64 Megapixel möglich sein. Zurück zur RDC-7...

Zwischenbemerkung: Während dieser Bericht verfasst wurde, traf eine 3 MP JVC GC-X3 ein, die ebenfalls diese Pixel-Shift-Technik bietet. Mal sehen, ob ich da mehr Glück habe. Ich werde darüber berichten!

Die sonstige Technik/Ausstattung der Ricoh RDC-7

Ein wenig kommt einem die 2000 vorgestellte RDC-7 wie eine der zumeist schrecklichen Analog-Pocketkameras der 1970er Jahre für 110er Film vor. Die Wertigkeit der Ricoh erinnerte mich aber auch sofort an die legendäre Minox!

2048 x 1536 Pixels, 3 MP bietet der Sensor der RDC-7. Im Seitenverhältnis 4:3 und weitere, kleinere Formate, sowie hier ausführlich beschrieben 7 MP Modi. Speichern komprimiert als JPEG oder unkomprimiert als TIF. Schwarz/Weiß-Textmodus zur Aufnahme von Textdokumenten, die mit OCR-Software in editierbaren Text umgewandelt werden können. Die RDC-7 kann Videos mit Ton im 320 x 240 Pixel QVGA-Format und mit 30 fps aufnehmen und im AVI-Format speichern. Auf die 128 MB Smartmedia passen etwas über 8 min Video. Interner Speicher mit 8 Megabyte und Smartmediakarte bis 128 MB. Daten können zwischen internem und externem Speicher hin- und herkopiert werden. Optischer Echtbild-Sucher mit Dioptrienausgleich (-2,0 bis 1,0 dpt) und 2,0" TFT LCD Monitor mit 200.640 Bildpunkten. Zweiter Auslöser für Hochformatfotos. Sensorempfindlichkeit ISO 200, 400 und Auto. Programmautomatik; Verschlusszeiten 1 s bis 1/1000 s, Belichtungskorrektur +/- 2 EV in 1/2 EV Schritten. Automatischer Weißabgleich oder Wolken, Sonne, Leuchtstofflampe, Glühlampenlicht. Eingebauter Blitz. 2,6-3,4/7,3-21,9 mm 35-105 mm (Kleinbild-äquivalent) 3-fach Zoom, 3,2-fach Digitalzoom. AF-S(ingle), AF-C(ontinous) für bewegte Motive. Stromversorgung über Lithiumionen (Li-Ion) Akku.

In der englischen Ricoh RDC-7 Bedienungsanleitung können Sie alle technischen Details nachlesen.

Meine Einschätzung der Ricoh RDC-7

Trotz aller Eleganz und Wertigkeit, die RDC-7 ist nicht mein Ding. Dauernd habe ich das Gefühl, dass mir die Kamera gleich aus den Händen rutscht und runterfällt. Die Ricoh hat keinen „Grip“. Ist sie gar eine Damen-Kamera? 10 Euro ins Chauvi-Phrasen-Schwein! ;-)

Ohne Monitorbenutzung bleibt es beim Pocketkamera-Feeling, mit Monitor kommt mir die Ricoh wie ein extrem miniatiurisiertes „Ultra-Sub-Sub-Notebook“ vor, das an der falschen Stelle eine Kamera montiert hat ;-)

Trotz der wirklich guten Datenqualität auch als Grundlage für die interpolierten oder (theoretisch, wenn es funktioniert) aus zwei Bildern generierten 7 Megapixel, geht die RDC-7 wieder in die Aufbewahrungs-/Sammelbox...

Wenn ich Lust auf alte Digitalkameratechnik habe, ziehe ich die hier schon vorgestellte, kantige Olympus Camedia C-2100 Ultrazoom, die „spacige“ Camedia C1400XL oder die klobige Fujix DS-300 der Ricoh vor. Diese Kameras haben Charakter, die "aalglatte" RDC-7 nicht.

Ralf Jannke

Kleiner Nachtrag zur RDC-7

Da war doch noch was ;-) Ja, das 1997 vorgestellte Modell RDC-2, das ich tatsächlich mal mein Eigen nannte. Und das in übler Erinnerung geblieben ist, was die mäßige Bildqualität anging. Und so fanden sich im Archiv noch Bilder der RDC-2 aufgenommen bei einem Winterspaziergang im November 1998. Diese Ricoh war schneller weg war, als sie in meinen Besitz gekommen war. Nominell mit 768 x 512 Pixel eine etwas höhere Auflösung als der 640 x 480 Pixel VGA-Standard, konnte die Ricoh nicht mit der Olympus 410L oder Casio QV 780 mithalten.

Ich kann mich noch erinnern, dass kameraintern in einem exotischen Format gespeichert wurde, das erst später in ein übliches Bilddatenformat konvertiert werden musste. Die unbearbeiteten Originalfotos hatte ich in meiner Unerfahrenheit damals als TIF gespeichert. Was immerhin den Vorteil hatte, dass da durch eine unter Umständen zu hohe Komprimierung nicht noch weiter verschlechtert wurde. Heute, hier natürlich als JPEG gezeigt. An den merkwürdigen weißen Rändern, die hier kaum auffallen, kann man noch heute erkennen, dass die Umsetzung Ricoh-Speicherformat/TIF/JPEG irgendwie nicht 100 % klappte... Zur Demonstration habe ich sie drangelassen, die Ränder. Nur Konvertierung ins JPEG-Format, keine EBV.

Kommentare (1)

  • Tom Brodocz
    Tom Brodocz
    am 31.07.2019
    Hallo Boris,

    Deinen Kommentaren zur Ricoh RDC stimme ich zu.
    Habe selbst eine RDC-7, die mich während ihrer Nutzung oft in die Verzweiflung getrieben hat. Ständig wechselnde Belichtungsqualität!

    Sie ist mir eben beim Aufräumen in die Hände gefallen und falls du den Exoten für dein Museum möchtest, stelle ich sie gerne zur Verfügung. Ansonsten wandert sie auf den Recycling Hof.

    Viele Grüße
    Tom

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